14.12.2016: Berliner Forum für Sicherheit und Gesellschaft - "Muslime im Fokus von Rechtsextremisten"

Senator Geisel: „Arena der Demokratie nicht verlassen“

Rund 100 interessierte Gäste aus den Bereichen Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Politik und Sicherheit haben heute auf Einladung des Berliner Verfassungsschutzes im Roten Rathaus über das Thema „Muslime im Fokus von Rechtsextremisten“ diskutiert.

Innensenator Andreas Geisel betonte in seiner Eröffnungsansprache, dass sich die Gesellschaft vor dem Hintergrund der globalisierten Welt in den vergangenen Jahren stark verändert habe. Eine komplexe Welt dürfe aber nicht zu einfachen Antworten und einem Reflex der Ausgrenzung führen. Das sinkende Vertrauen vieler Menschen in die Politik und demokratische Institutionen stelle die Gesellschaft insgesamt auf die Probe. Umso wichtiger sei es, im Hinblick auf das Thema „Flüchtlinge und Integration“, über grundlegende Werte zu diskutieren:

„Meinungsstreit ist ein wesentliches Element unserer demokratischen Idee. Jedoch ist es wichtig, dass sich die Debatte an unserer demokratischen Rechts- und Werteordnung orientiert. Die Vorgaben des Grundgesetzes stecken das Feld ab, auf dem wir uns bewegen und Meinungen austauschen. Was wir im Zusammenhang mit den Themen Migration, Asyl und Integration erleben, spielt sich teilweise nicht mehr in der Arena des demokratischen Streits ab.”

Geisel betonte, dass nicht alle negativen Einstellungen, auch und im Besonderen gegen Muslime nicht immer sofort ein Thema für den Verfassungsschutz seien. Die Grenze sei aber überschritten, wenn einzelne Gruppen wegen ihres Glaubens pauschal ausgegrenzt oder sogar angegriffen würden.

Die Frankfurter Soziologin Naime Çakir von der Goethe-Universität wies in ihrem Vortrag „Islamfeindlichkeit – Anatomie eines Feindbildes“ darauf hin, dass der Islam häufig mit Stereotypen belegt wird. So setze man den Islam gleich mit Ungleichberechtigung, Intoleranz und Gewaltaffinität. Çakir spricht von “islambezogenem und antiislamischem Ethnizismus”. In ihrem Referat ging sie der Frage nach, wann ein Fremder zu einem Fremden wird, der das Eigene bedroht? Hier hätten sich die “Differenzlinien” – von der Identifikation über die Nation hin zur Religion – verschoben. Es sei aber schwer, zwischen Islamfeindlichkeit und Islamkritik zu unterscheiden.

In der vom taz-Redakteur Daniel Bax moderierten Diskussion sagte Carl Chung vom Mobilen Beratungsteam, er sehe zwar kein Erstarken des Rechtsextremismus. Aber antiislamische Positionen seien inzwischen anschlussfähiger geworden als der Rechtsextremismus oder der völkische Extremismus. Außerdem habe die Polarisierung in der Gesellschaft sehr stark zugenommen. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit sei aber immer dort am stärksten, wo die entsprechende Gruppe nicht vorhanden sei.

Der Leiter der Berliner Landeszentrale für politische Bildung, Thomas Gill, sagte zu der Frage, was politische Bildung gegen zunehmende Islamfeindlichkeit tun könne, dass der Stellenwert der Menschenrechte besser bei jungen Menschen verankert werden müsse. Klar müsse sein, dass diese Rechte grundsätzlich für alle gelten und nicht nur für bestimmte Gruppen. Wichtig sei es aber auch, grundsätzlich in der Gesellschaft mehr Teilhabe und Mitsprache für unterschiedliche Gruppen zu ermöglichen.

Marcel Lewandowsky von der Universität der Bundeswehr in Hamburg sagte zu der Pegida-Bewegung, das einende Element sei das “Sich-Ausgeschlossen-Fühlen”. Rechtspopulismus und Pegida seien eine Erscheinung des Zeitgeistes. Islamfeindlichkeit umklammere ganz unterschiedliche Bereiche im Populismus und Extremismus. Bei der Bewertung der juristischen Relevanz, wann Äußerungen volksverhetzend seien, müsse man unterscheiden, ob der Angriff gegen eine Menschengruppe im Zusammenhang mit ihrer Menschenwürde stehe. Diese Grenzen seien fließend.

Der Leiter des Berliner Verfassungsschutzes, Bernd Palenda, wies darauf hin, dass demokratische Streitkultur da ende, wo die Grundrechte anderer eingeschränkt würden. Muslimenfeindliche Bestrebungen seien dann für seine Behörde relevant, wenn die Menschen diskriminiert oder in ihrer Religionsfreiheit eingeschränkt würden: „Grundrechte sind nicht verhandelbar.“ Die Berliner muslimenfeindliche Szene sei sehr heterogen. Sie reiche von der Bürgerbewegung Pro Deutschland, über die „Identitäre Bewegung“ bis zu Bärgida. Es sei nicht immer leicht, die Trennlinie zwischen Populismus und Extremismus zu benennen. Aber gerade darum seien Information und Prävention besonders wichtig.

  • Begrüßungsrede Senator Geisel BFSG Muslime im Fokus von Rechtsextremisten 14.12.2016

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