Fragen und Antworten zur Arbeitsweise des Berliner Verfassungsschutzes

1. Warum brauchen wir den Verfassungsschutz?

Der Verfassungsschutz ist ein Frühwarnsystem, um Gefährdungen unserer Demokratie rechtzeitig zu erkennen. Die Freiheit, die unsere Verfassung allen Bürgerinnen und Bürgern garantiert, ist ein hohes Gut. Und so haben auch radikale politische Ansichten ihren Platz in unserer pluralistischen Gesellschaftsordnung. Die Grenzen der Freiheit werden allerdings überschritten, wenn Gegner der Demokratie extremistische Ziele verfolgen und Grundwerte unserer Verfassung antasten wollen. Dann ist die entschiedene Abwehr des demokratischen Rechtsstaates gefordert.

Aufgrund der Erfahrungen mit der Weimarer Reichsverfassung, der funktionierende Abwehrmechanismen fehlten, wurde mit der Gründung der Bundesrepublik der Verfassungsschutz im Grundgesetz verankert (Art. 73 Nr. 10b GG ).

2. Was schützt der Verfassungsschutz?

Der Verfassungsschutz ist verantwortlich für den Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sowie den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes. Das Bundesverfassungsgericht hat die freiheitliche demokratische Grundordnung anlässlich des Verbots der rechtsextremistischen “Sozialistischen Reichspartei (SRP)” am 23. Oktober 1952 definiert:

“…eine Ordnung, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrecht des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und der Gleichheit darstellt.”

Zu den wichtigsten Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gehören:

  • Wahrung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte
  • Volkssouveränität
  • Gewaltenteilung
  • Verantwortlichkeit der Regierung
  • Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
  • Unabhängigkeit der Gerichte
  • Mehrparteienprinzip
  • Chancengleichheit für alle politischen Parteien
  • Recht auf Bildung und Ausübung einer Opposition

Gruppierungen, die versuchen, diese Grundwerte ganz oder teilweise zu beseitigen, werden als extremistisch oder verfassungsfeindlich bezeichnet. Wenn beispielsweise die Errichtung eines Führerstaates angestrebt wird, verstößt dies gegen die Grundsätze der Volkssouveränität und der Gewaltenteilung. Wenn eine Partei dafür eintritt, dass keine andere Partei neben ihr existieren darf, verstößt sie gegen das Mehrparteienprinzip und das Prinzip der Chancengleichheit für alle politischen Parteien.

3. Welche Aufgaben hat der Verfassungsschutz?

Der Verfassungsschutz darf nicht willkürlich Personen überwachen, sondern seine Aufgaben und Befugnisse sind detailliert gesetzlich festgelegt. Für das Land Berlin ergeben sich die Aufgaben aus § 5 des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Berlin /sen/inneres/verfassungsschutz/grundlagen/rechtsgrundlagen/vsg_bln_2010.pdf .

Danach hat die Verfassungsschutzbehörde die Aufgabe,

“den Senat und das Abgeordnetenhaus von Berlin, andere zuständige staatliche Stellen und die Öffentlichkeit über Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder zu unterrichten.”

So soll es staatlichen Stellen ermöglicht werden, rechtzeitig Maßnahmen zur Abwehr dieser Gefahren zu ergreifen. Zu diesem Zweck sammelt und analysiert der Verfassungsschutz Informationen über extremistische und sicherheitsgefährdende Bestrebungen, um Bedrohungen bereits im Ansatz und damit weit im Vorfeld strafrechtlich relevanter Taten zu erkennen. Neben dem Aufgabenfeld des politischen Extremismus gehört auch die Aufklärung von Aktivitäten fremder Nachrichtendienste (Spionageabwehr) sowie der personelle und materielle Geheimschutz zum gesetzlich bestimmten Aufgabenbereich.

4. Wie gewinnt der Verfassungsschutz seine Informationen?

Generell ist zwischen offener und verdeckter Informationsbeschaffung zu unterscheiden.

Den überwiegenden Teil seiner Informationen gewinnt der Verfassungsschutz aus offenen Quellen. Dabei nutzt er allgemein zugängliche Informationen beispielsweise aus Parteiprogrammen, Zeitungen, Flugblättern und anderen Publikationen. Eine wachsende Rolle spielt hier die systematische Auswertung des Internets, das von zahlreichen extremistischen Vereinigungen intensiv für Propaganda- und Kommunikationszwecke genutzt wird.

Um auch konspirative Aktivitäten beobachten zu können, gestattet das Gesetz die Nutzung nachrichtendienstlicher Mittel. Allein mit der Sammlung offenen Materials käme man in bestimmten Fällen nicht weiter: Terroristen bereiten Anschläge im Geheimen vor und Agenten veröffentlichen keine Programme.

Die gesetzliche Ermächtigung zum Gebrauch nachrichtendienstlicher Mittel ermöglicht dem Verfassungsschutz entgegen mancher Behauptungen keineswegs willkürliche Eingriffe in Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger. Wie bei der Sammlung von Informationen aus offenen Quellen gilt – erst recht – für den schwerwiegenderen Eingriff mit nachrichtendienstlichen Mitteln: Der Verfassungsschutz muss das Verhältnismäßigkeitsprinzip beachten, d. h. er muss das am wenigsten belastende Mittel wählen und darf nicht mit “Kanonen auf Spatzen” schießen. Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel kann erst dann in Betracht gezogen werden, wenn alle anderen Mittel erschöpft sind.

Die geheime Informationsbeschaffung erfolgt durch Personen – die so genannten Vertrauenspersonen (V-Personen) – und mit technischen Mitteln. Hierzu gehören z.B. Observationen und in besonderen Fällen unter engen rechtlichen Voraussetzungen auch die Brief- und Telefonüberwachung.

Die Informationsbeschaffung durch V-Personen ist ein Kernbereich nachrichtendienstlicher Arbeit: Sie gehören meist verfassungsfeindlichen Gruppierungen und ihrem ideologischen Umfeld an und sind aus unterschiedlichen Gründen bereit, den Verfassungsschutz über verfassungsfeindliche Aktivitäten zu informieren. V-Personen dürfen die Organisation nicht steuern. Die Informationen, die sie erhalten haben, geben sie aus freien Stücken weiter. Außer Prämien für Informationen erhalten sie keine weiteren Vergünstigungen. Auch dürfen V-Personen nicht zu Straftaten anstiften.

V-Personen sind keine Angehörigen des Verfassungsschutzes. Ihr Einsatz steht in einem außerordentlichen Spannungsfeld: Auf der einen Seite bedarf es des Schutzes unserer freiheitlichen Demokratie, auf der anderen Seite der Beschaffung von Informationen durch Mitglieder extremistischer Organisationen. Der Einsatz von V-Personen ist deshalb stets eine Gratwanderung und ihm sind enge rechtsstaatliche Grenzen gesetzt.

5. Wer kontrolliert, dass der Verfassungsschutz diese Regeln auch befolgt?

Neben der Senatorin / dem Senator für Inneres als politisch verantwortliche Person, die / der durch eine besondere Revision für den Verfassungsschutz unterstützt wird, besteht für die Tätigkeit des Verfassungsschutzes eine Vielzahl weiterer Kontrollinstanzen. Dazu gehört u. a. der Ausschuss des Abgeordnetenhauses, die G10-Kommission und die gerichtliche Kontrolle. Darüber hinaus wird der Verfassungsschutz auch durch die Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit sowie den Rechnungshof Berlin kontrolliert.

6. Wie informiert der Verfassungsschutz über seine Arbeit?

Die Verfassungsschutzbehörde unterrichtet neben dem Senat, dem Abgeordnetenhaus und Behörden auch die Öffentlichkeit über Gefahren für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung. Denn nur eine über Zielrichtungen und Erscheinungformen extremistischer Bestrebungen informierte Zivilgesellschaft hat die Voraussetzungen zu ihrer Abwehr und zum Erhalt einer freiheitlichen Ordnung. Für den Verfassungsschutz ist daher der Dialog mit gesellschaftlichen Gruppen ein wichtiger Teil seiner Arbeit.

Deutlich wird dies an einer umfassenden Öffentlichkeitsarbeit: Der Berliner Verfassungsschutz veröffentlicht den jährlichen Verfassungsschutzbericht und Informationen zu Einzelthemen aus den Aufgabenfeldern. Hinzu kommen Vorträge zum Verfassungsschutz und den Extremismusbereichen, die ein dauerhaftes Angebot darstellen und jedes Jahr vielfach abgefordert werden. Darüberhinaus werden Fachkonferenzen zu ausgewählten Schwerpunktthemen unter überregionaler Beteiligung von Experten aus Behörden, freien Trägern und der Wissenschaft veranstaltet.