Interessen fremder Nachrichtendienste

Bildercollage bestehend aus Reagenzgläsern mit verschiedenen Flüssigkeiten, einem Mikroskop, Viren und einem Laborversuch

Fast zwanzig Jahre nach dem Ende des „Kalten Krieges“ bildet die Bundesrepublik Deutschland für ausländische Geheimdienste nach wie vor ein herausragendes Operationsgebiet. Die gewachsene politische Bedeutung des wiedervereinigten Deutschlands, seine wirtschaftliche Leistungskraft sowie das hohe Niveau der hiesigen Forschung und Entwicklung erklären das anhaltende intensive Aufklärungsinteresse fremder Staaten. Im Mittelpunkt der Ausspähungsbemühungen stehen die Bereiche Wirtschaft, Wissenschaft und Technik. Neben ausländischen Geheimdiensten interessieren sich aber auch konkurrierende Firmen aus dem In-und Ausland für das Know-how der deutschen Wirtschaft. Überschreiten sie bei ihren Umfeld-, Konkurrenz-und Produktanalysen die vom „Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)“ gezogenen Grenzen, spricht man von Konkurrenzausspähung oder Industriespionage. Wirtschaftsspionage und Konkurrenzausspähung vollziehen sich nicht nach einheitlichen Regeln. Staaten und Unternehmen betreiben sie in Abhängigkeit von ihren spezifischen Bedürfnissen und unter Berücksichtigung der ihnen zur Verfügung stehenden (operativen) Möglichkeiten. Staaten mit Technologierückstand sehen es eher auf wirtschaftsnahe Forschungsergebnisse und konkrete Produkte ab, während hoch industrialisierte Länder in erster Linie an wirtschaftlichen oder wirtschaftspolitischen Strategien interessiert sind. Auch bei der in aller Regel kurzfristiger angelegten Konkurrenzausspähung gibt es spezifische Interessen.

Interessen fremder Nachrichtendienste

Technisch und wirtschaftlich hoch entwickelte Staaten Staaten mit Technologierückstand Interessen bei der Konkurrenzausspähung
  • Wirtschaftspolitische Strategien
  • Sozialökonomische und politische Trends
  • Unternehmens-, Markt-und Absatzstrategien, Zielrichtungen und Methoden der Forschung
  • Wettbewerbsstrategien, Preisgestaltung und Konditionen
  • Zusammenschlüsse und Absprachen von Unternehmen
  • Beschaffung von technischem Knowhow, um Kosten für eigene Entwicklungen und Lizenzgebühren zu sparen
  • Beschaffung von Informationen über Fertigungstechniken, um auf dem Markt mit kostengünstiger gefertigten Nachbauten wettbewerbsfähig zu sein
  • Informationen über Wettbewerb, Märkte, Technologien, Kunden
  • Aktuelles Know-how zur Produktentwicklung und Produktionstechnik
  • Preisinformationen
  • Kalkulationen
  • Designstudien

Einige Auslandsaufklärungsdienste haben die Aufgabe, die Wirtschaft ihres Landes unmittelbar zu unterstützen, indem sie für die Unternehmen ihres Heimatlandes Informationen beschaffen, die diesen sonst nicht oder nur mit erheblichem finanziellen Aufwand zugänglich wären. In einigen Ländern sind neben den Auslandsaufklärungsdiensten auch die Inlandsdienste – also die klassischen Abwehrdienste – mit dieser Aufgabe betraut.

Methoden der Wirtschaftsspionage

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Zu den Arbeitsmethoden der Aufklärungsdienste gehören sowohl die offene Informationsgewinnung als auch die konspirative, verdeckte Nachrichtenbeschaffung. Heute lassen sich aus den weltweit zur Verfügung stehenden Quellen Informationen beschaffen, die früher nur über Agenten zu erlangen waren.
In unserer offenen Gesellschaft ist eine große Fülle auch sensibler Informationen frei zugänglich: in Fachzeitschriften, Dissertationen oder Produktbeschreibungen; man findet sie in öffentlichen Bibliotheken, in Datenbanken, auf Industriemessen oder im Internet. Oft schon versetzt eine gründliche Auswertung informativer Veröffentlichungen die Nachrichtensammler jeglicher Couleur in die Lage, Gesamtbilder ihrer Ausforschungsziele zu erstellen.
Bei ihren konspirativen Beschaffungsaktivitäten verschleiern die Geheimdienste ihre wahren Absichten und versuchen, z. B. unter der Tarnung ihrer Mitarbeiter als Diplomaten, Geschäftsleute oder Journalisten, an nachrichtendienstlich interessantes Material zu gelangen. Zusätzlich erfolgt die verdeckte Informationsbeschaffung in Deutschland durch geheime Mitarbeiter, die als Agenten für eine Verrats-oder Aufklärungstätigkeit angeworben wurden, oder es werden Nachrichtendienstmitarbeiter eingesetzt, die unter einer falschen Identität als so genannte Illegale in Deutschland eingeschleust wurden. Die Informationsbeschaffung mit menschlichen Quellen wird ergänzt durch moderne Nachrichtentechnik, die bei der Fernmelde- und elektronischen Aufklärung sowie als Kommunikationsinstrument bei der Agentenführung eingesetzt wird.