Die Rolle der »Wiedergutmachungsjuden« (Daniel Arkadij Gerzenberg) im deutschen Gedächtnistheater (Max Czollek): Christina Brüning, Lorie Quint, Künstlerin von Lorie
In den meisten Veranstaltungen sowohl an Schulen wie auch an Orten politischer Bildung fällt auf, dass Lernen über jüdisches Leben Heute und Damals eher ein Sprechen ÜBER statt ein Sprechen MIT oder gar ein Sprechen SEITENS Jüdinnen und Juden ist. Vermittlungsarbeit zu Antisemitismus aber auch Gedenkveranstaltungen meinen immer noch ohne Innenperspektiven auszukommen. Jüdische Wissenschaftler:innen werden immer noch als Betroffene wahrgenommen, denen die nötige ‚Objektitvität‘ fehle, um sich wissenschaftliche mit Antisemitismus und Erinnerungskultur zu beschäftigen. Dass dieser Zustand zu einem Hierarchie- und Empathiegefälle führt, liegt nahe. Die vorliegende Workshopreihe will versuchen, einen Gegenakzent zu setzen, indem in einem interaktiven Setting authentische, erfahrungsbasierte Angebote für Perspektivkoordinationen gemacht werden, die bei den Teilnehmenden Aha-Momente und Irritationen auslösen. Über das Ins-Gespräch-Kommen miteinander erhoffen wir uns ein vertieftes emotionales und empathisches Verstehen von Themen, Perspektiven und Alltagskämpfen, die unseres Erachtens viel zu selten auf individuell-emotionaler Ebene behandelt werden, sondern meist abstrakt und kognitiv bleiben.
Jüdisches Leben jetzt in Deutschland wird vor allem dann gewollt, unterstützt und diskutiert, wenn die Mehrheitsgesellschaft eine bestimmte Absicht verfolgt. Da kann sich dann gesonnt werden im Gefühl ‚Weltmeister der Erinnerung‘ zu sein, jüdische Menschen können in Diskursen um vermeintlich ‚zugewanderte Antisemitismen‘ herangezogen werden um antimuslimischen Rassismus zu befördern usw. Gleichzeitig interessieren sich die meisten in ihrem ‚Erinnerungswahn‘ wie Henryk M. Broder pointiert formulierte, allzu oft nur für ‚die toten Juden‘ und wenig für die Lebenden. Dieses komplexe Changieren zwischen Gedächtnistheater, Philosemitismus, Antisemitismus und Rassismus sowie die vorhandenen Schnittmengen wollen wir innenperspektivisch ausloten, indem wir zuhören, wie sich der israelische Caterer fühlt, der nur angefragt wird, wenn es eine Veranstaltung zu NS und Shoah gibt; wie es ist, eine Identitätszuweisung als ‚die jüdische Stimme‘ in einer kuratierten Ausstellung oder einem Museum zu bekommen oder wie zugewanderte Jüdinnen:Juden ihre Instrumentalisierung wahrnehmen, wenn sie als Wiedergutmachungsjuden den Erfolg der Erinnerungskultur bezeugen sollen.
Methode: Im Workshop werden wir gemeinsam Situationen und Fallbeispiele diskutieren, um Perspektivkoordinationen zu ermöglichen. Die Teilnehmenden werden in Kleingruppen oder Partnerarbeit eigene Fragen und Fallbeispiele entwickeln und gegebene diskutieren und mit den Refereierenden darüber ins Gespräch kommen. Arbeitsphasen werden dabei versetzt mit kurzen Inputs, die als Food for Thought ein einsteigender Überblick und Einladung zum Weiterlesen und -lernen gleichermaßen sein werden.