"Kirschknochen" – Filmvorführung und Gespräch

Motiv Koffer aus dem Film Kirschknochen

Der Film “Kirschknochen”
Von 1990 bis 2005 migrierten ca. 230.000 Jüdinnen*Juden aus der (ehemaligen) Sowjetunion nach Deutschland. Sie bekamen den Status der sogenannten “Kontingentflüchtlinge”. Dieser erleichterte und beschleunigte die Ausreise aus der UdSSR und ihren Folgestaaten und hatte Vorteile wie einen kostenfreien Deutschkurs, finanzielle Hilfen und eine unbefristete Arbeitserlaubnis. Aber auch den Nachteil, dass – anders als bei Russlanddeutschen – alle in der Sowjetunion erarbeiteten Rentenansprüche verfielen.
So wie zehntausende andere Kontingentflüchtlinge haben die Eltern der Filmemacherin Evgenia Gostrer keine langen Berechnungen angestellt, bevor sie Russland verlassen hatten. Was sie bewegte, war die Zuversicht, dass ihre Kinder es einmal besser haben würden. Ihre Hoffnung hat sich erfüllt. Die Sozialwissenschaftlerin Julia Bernstein zeigt, dass “diejenigen, die als Kinder oder Jugendliche nach Deutschland gekommen oder hier geboren sind, selbstverständlicher Teil der Gesellschaft, akademisch gebildet und politisch sowie kulturell engagiert [sind].” Die Eltern-Generation, diejenigen, die den Kraftakt der Migration geschultert haben – sind weitgehend unsichtbar (und in Armut?) geblieben.
Diese Frage treibt Evgenia Gostrer an, als sie ein Gespräch mit ihren Eltern sucht. Gostrer selbst ist fast vierzig Jahre alt, etwa so alt wie ihre Eltern bei deren Ausreise. Auch sie packt ihre Sachen, um berufsbedingt nach England zu ziehen. Das Gespräch stellt die Leerstellen der Migration in den Raum: Das Erlernen einer neuen Sprache. Die Frage, was Jüdischsein in Russland oder Deutschland bedeutet. Die Bedeutung des Verlusts von sozialem Status und Freund*innen für eine erwachsene Person. Oder die Weigerung der deutschen Mehrheitsgesellschaft sich als das zu sehen, was sie längst ist: eine Einwanderungsgesellschaft.
Mit dem Film “Kirschknochen” (Animadok, 18 Minuten) sucht Evgenia Gostrer auch einen Weg, sich von den Schuldgefühlen gegenüber ihren Eltern zu lösen und Danke zu sagen.

Anschließend: Gespräch zum Thema “Jüdische Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion in Deutschland”
  • Evgenia Gostrer (Regisseurin)
  • Prof. Dr. Jannis Panagiotidis (Professor am Forschungszentrum für die Geschichte von Transformationen an der Universität Wien)
  • Moderation: Anna Schapiro (Künstlerin, Autorin, Mitherausgeberin der Zeitschrift Jalta-Positionen zur Jüdischen Gegenwart)
  • Datum:

    Sonntag, 3. April 2022

  • Zeit:

    11.00 bis 12.30 Uhr

  • Ort:

    Kino Krokodil, Greifenhagener Straße 32, 10437 Berlin / ##icon:stadtplan## Stadtplan

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    Vorverkauf/Reservierungen direkt im Kino bzw. unter kino-krokodil.de oder per Mail an kinokrokodil@email.de.

  • Kooperation:

    Eine Kooperationsveranstaltung der Berliner Landeszentrale für politische Bildung, Jalta – Positionen zur Jüdischen Gegenwart und DAGESH. Jüdische Kunst im Kontext, gefördert durch die Leo Baeck Foundation.

  • Ansprechperson:

    Thomas Gill, E-Mail, Telefon (030) 90227 4961