Blickwechsel: Erinnerungen und Ankommen syrischer Geflüchteter in Deutschland

Szene aus einem Animationsfilm: Mann in U-Bahn erinnert sich an eine unangenehme Erfahrung in einer syrischen Behörde

In den vergangenen zehn Jahren sind rund 800.000 Menschen aus Syrien nach Deutschland geflohen, mehr als 40.000 von ihnen leben in Berlin. Sie alle haben ihre eigene Geschichte. Darunter gibt es Regimegegner und -unterstützer, Gebildete und Ungelernte, Opfer und Täter, Kosmopoliten und solche, die ihr Land zum ersten Mal verlassen haben. Wie leben ihre Erfahrungen und Erinnerungen in Deutschland weiter? Wie prägen sie Ankommen und Neuanfang? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Online-Ausstellung „Anfänge und Erinnerungen – Verbindungen und Begegnungen zwischen Syrien und Deutschland“.

In den letzten Jahren haben Syrerinnen und Syrer in Berlin Deutsch gelernt und fanden Wege durch den Behördendschungel. Sie mussten Papiere vorlegen oder eine eigene Wohnung finden. Dabei konnten sie auf frühere Erfahrungen, Kenntnisse und Fähigkeiten aus Syrien zurückgreifen und vor diesem Hintergrund ihr “Ankommen” in Deutschland beurteilen und einordnen. Gleichzeitig fühlen sich viele nach wie vor mit den Ereignissen in Syrien eng verbunden, machen sich Sorgen um zurückgelassene Verwandte und Freund:innen oder beobachten die politische, wirtschaftliche und militärische Entwicklung in ihren Heimatorten. In der deutschen Öffentlichkeit ist allerdings fast nichts über die mitgebrachten Vorerfahrungen und über den Alltag in Syrien, gerade in der Zeit vor 2011, bekannt. Hier erscheinen die Menschen vor allem als “Flüchtlinge”, deren Leben vor der Einreise nach Europa unsichtbar bleibt, ja oft scheinbar keine Rolle spielt. Um diese Lücke zu schließen, bietet die Online-Ausstellung Gelegenheit, mit den neuen Nachbarn, Kolleginnen und Mitschülern ins Gespräch zu kommen.
Entstanden ist die Ausstellung aus dem BMBF-geförderten Forschungsprojekt „Normalität und Krise: Die Erinnerung an den Alltag in Syrien als Chance für den Neuanfang in Deutschland“ am Leibniz-Zentrum Moderner Orient, das seit 2018 Alltagserfahrungen Geflüchteter in Syrien sowie ihr „Weiterleben“ in Deutschland untersucht hat. Die virtuelle Ausstellung und ein zugehöriger kurzer Animationsfilm führen auf unterhaltsame und spannende Art und Weise in das Thema ein und bieten vor allem einen Anstoß zum Erfahrungsaustausch und Gespräch. Thematisiert werden beispielsweise, wie bürokratische Prozesse in Deutschland syrischen staatlichen Dokumenten neues Leben einhauchen; wie die politischen Umwälzungen in Syrien seit 2011 sich bis in die Familie auswirken, und warum sich manche syrische Geflüchtete nicht als „arm“ bezeichnen, selbst wenn sie Hartz IV beziehen.

Hier geht es zur Ausstellung.