Drucksache - IX-0198  

 
 
Betreff: Keine Ehrung für Demokratiefeinde – Ernst-Thälmann-Denkmal abbauen!
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion der CDUFraktion der CDU
   
Drucksache-Art:AntragAntrag
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Pankow von Berlin
23.03.2022 
5. ordentliche Tagung der Bezirksverordnetenversammlung Pankow von Berlin vertagt   
04.05.2022 
6. ordentliche Tagung der Bezirksverordnetenversammlung Pankow von Berlin in der BVV abgelehnt   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlagen:
Antrag Fraktion der CDU, 5. BVV am 23.3.2022
Antrag Fraktion der CDU 6. BVV am 04.05.2022

Das Bezirksamt wird ersucht, sich bei den geeigneten Stellen dafür einzusetzen, dass das Ernst-Thälmann-Denkmal [1] von der Denkmalliste gestrichen und abgebaut wird. Die ergänzenden Informationen zum historischen Kontext gemäß der Drucksache VIII-1050 soll an der Mauer mit dem Schriftzug “Ernst-Thälmann-Park” erfolgen. Das Bezirksamt wird ferner ersucht zu prüfen, inwiefern der Materialgegenwert den Opfern des russischen Überfalls auf die Ukraine zugutekommen kann.

 

David Paul und die weiteren Mitglieder der CDU-Fraktion


Begründung:

Thälmann war ein Funktionär der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) der ersten Stunde; schon unmittelbar nach der Gründung der Partei wurde er in den Zentralausschuss gewählt. „Knapp drei Jahre später beteiligte er sich am sogenannten Hamburger Aufstand, einem gewaltsamen Putschversuch der KPD gegen die junge Weimarer Republik. 1925 übernahm er den Vorsitz der KPD und kandidierte bei der Reichspräsidentenwahl. Mit seiner Kandidatur im zweiten Wahlgang verhinderte er einen Wahlsieg des demokratischen Zentrumpolitikers Wilhelm Marx und verhalf Hindenburg zum Sieg. In den nachfolgenden Jahren bekämpften Thälmann und die KPD die Demokratie, wo immer sie eine Möglichkeit hierfür sahen. Dabei scheute Thälmann auch nicht die Zusammenarbeit mit den erstarkenden Nationalsozialisten. Im August 1931 versuchten NSDAP und KPD gemeinsam, durch einen Volksentscheid die sozialdemokratische Landesregierung Preußens zu stürzen. Ein Jahr später organisierten die beiden antidemokratischen Parteien gemeinsam einen BVG-Streik. Thälmann sah kein Problem in der Zusammenarbeit von Kommunisten und Nationalsozialisten in Streikkomitees. Sein vorrangiges Ziel war die Zerschlagung des bürgerlichen Staates. Für Thälmann waren nicht Nationalsozialisten die Hauptfeinde, sondern Sozialdemokraten, die er als Sozialfaschisten bezeichnete. Die SPD würde die Arbeiter vom Klassenkampf abhalten und an das bestehende System binden. ‚Faschismus und Sozialfaschismus stehen in einer Klassenfront und arbeiten beide an der Durchführung der faschistischen Diktatur mit so Thälmann, der 1931 forderte: ‚Man kann den Kapitalismus nicht schlagen, ohne die Sozialdemokratie zu vernichten.‘“[1]

Die KPD, für die Thälmann so vehement einstand, wurde am 17. August 1956 als erst zweite Partei in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland verboten. Das Gericht begründete damals ausführlich die Rechtmäßigkeit eines Parteiverbots nach dem Grundgesetz. Hierfür zog es auch besonders die historische Intention des Gesetzgebers nach dem Sturz des „totalitären Staatssystems“ heran:

Der Einbau wirksamer rechtlicher Sicherungen dagegen, daß solche politischen Richtungen jemals wieder Einfluß auf den Staat gewinnen könnten, beherrschte das Denken des Verfassungsgebers.

Eine Partei müsse, um als verfassungswidrig zu gelten, „die obersten Werte der Verfassungsordnung verwerfen, die elementaren Verfassungsgrundsätze, die die Verfassungsordnung zu einer freiheitlichen demokratischen machen […].“ Dazu muss allerdings

eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung hinzukommen; sie muß planvoll das Funktionieren dieser Ordnung beeinträchtigen, im weiteren Verlauf diese Ordnung selbst beseitigen wollen.

Auf die geringen Erfolgsaussichten dieser Ziele komme es nicht an, was in Anbetracht der Isolierung der KPD anzunehmen war, denn:

Eine Partei kann nach dem Gesagten auch dann verfassungswidrig im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG sein, wenn nach menschlichem Ermessen keine Aussicht darauf besteht, daß sie ihre verfassungswidrige Absicht in absehbarer Zukunft werde verwirklichen können.“

Dasselbe gelte auch für den Fall, dass sie ihre verfassungswidrigen Ziele zeitweise zurückstellt.

Die für die KPD aus dem Marxismus-Leninismus folgende Politik deutete das Gericht so:

In eine Formel zusammengefaßt würde also die aus der Lehre des Marxismus-Leninismus zu erschließende gesellschaftliche Entwicklung sein: Errichtung einer sozialistisch-kommunistischen Gesellschaftsordnung auf dem Wege über die proletarische Revolution und die Diktatur des Proletariats.“

Diese Ziele seien unvereinbar mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Die KPD verhalte sich als „marxistisch-leninistische Kampfpartei und lehne somit

also Prinzipien und Institutionen ab, deren Geltung und Bestehen Voraussetzung für das Funktionieren einer freiheitlichen demokratischen Ordnung ist.

Sie benutze jene Institutionen und berufe sich auf diese sowie auf das Grundgesetz nur als Hilfsmittel zur Herbeiführung einer revolutionären Situation. Bei der Behandlung des Marxismus-Leninismus ging das Gericht auch weiter auf die proletarische Revolution und die Diktatur des Proletariats als Ziel ein. Es führte an, dass nach Marx, Engels, Stalin und Lenin die Revolution fast ausschließlich als gewaltsamer Umsturz erfolgen kann. Hierfür zitiert das Gericht einige Dokumente der KPD, in denen diese einräumt, dass es […] keinen friedlichen Weg zum Sozialismus gibt. Zur Unvereinbarkeit von freiheitlicher Demokratie und der Diktatur des Proletariats meint das Gericht:

Damit tritt an die Stelle der Gleichheit aller Staatsbürger die Scheidung in „hrende“, d. h. herrschende, mittels eines „ndnisses“geführte“, d. h. beherrschte, und „unterdrückte“ Klassen und die Förderung oder Unterdrückung des Individuums je nach seiner Klassenzugehörigkeit oder allenfalls nach dem Maße seiner Nützlichkeit für das allgemeine gesellschaftliche Ziel. Grundrechte im Sinne der freiheitlichen Demokratie können hier dem Einzelnen als solchem nicht zustehen.“

Dies führt das Gericht später näher aus:

So müssen notwendig gerade die wichtigsten politischen Grundrechte, insbesondere das Recht zu freier Meinungsbildung und Meinungsäerung, auch im politischen Bereich, ihren Wert verlieren. Die Presse- und Vereinigungsfreiheit ist ohnehin durch die eindeutige Vorrangstellung der kommunistischen Partei und ihrer Hilfsorganisationen praktisch erheblich eingeschränkt.

r die damals aktuelle Politik der KPD wurde hauptsächlich das Programm zur nationalen Wiedervereinigung herangezogen. Dieses wurde schon im Voraus von anderen Gerichten als Hochverrat bezeichnet, denn in jenem rief die Partei zum „Sturz des Adenauer-Regimes auf. Daraus folgte für das Gericht:

Mit dem Angriff gegen das ‚Adenauer-Regime beabsichtigt die KPD zugleich einen Angriff gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung.“

Die Verfassungswidrigkeit der KPD wurde schließlich auch mit ihrem politischem Gesamtstil begründet, wofür das Bundesverfassungsgericht besonders aggressive Äerungen anführte. Diese Äerungen seien

Ausdruck einer planmäßigen Hetze, die auf die Herabsetzung und Verächtlichmachung der Verfassungsordnung der Bundesrepublik abzielt. Ihr Ansehen soll geschmälert, das Vertrauen des Volkes auf die von ihr aufgerichtete Wertordnung soll erschüttert werden.[2]

Es handle sich hierbei nicht um einzelne Entgleisungen, sondern lasse geplantes Vorgehen erkennen. Die im Gerichtsurteil häufig angewandte Bezeichnung „Freiheitliche demokratische Grundordnung“ definierte das Gericht im Verfahren gegen die SRP 1952 u. a. so:

Freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Art. 21 II GG ist eine Ordnung, die unter Ausschluß jeglicher Gewalt und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt.

Der Schöpfer dieser heroisierenden Monumental-Bronzeplastik Ernst Thälmanns, Lew Jefimowitsch Kerbel erhielt von der Roten Armee und auch von der DDR mehrfach Aufträge und war vollständig regimetreu, auch verband er eine persönliche Freundschaft zu Erich Honecker.

Die Darstellung von Hammer und Sichel am Denkmal ist höchst kritisch zu bewerten, aufgrund der symbolischen Bedeutung für den Kommunismus. Auch war dies auf der Flagge der Sowjetunion abgebildet. Dies ist von besonderer Relevanz, da der russische Präsident Wladimir Putin in seiner Rede zur Lage der Nation im April 2005 den Zerfall der Sowjetunion 1991 „die größte geopolitische Katastrophe“ des 20. Jahrhunderts“ bezeichnete. Dass Putin diesen Zerfall persönlich nicht verwunden hat, zeigt sich nicht erst seit dem russischen Überfall auf die Ukraine vom 24. Februar 2021, sondern in diesem Fall schon 2014 mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim. „Putin will Russland wieder zu einer Weltmacht wie zu sowjetischen Zeiten machen, eine Macht, die den USA und China ebenbürtig ist. Das ist das zentrale Ziel seiner Außenpolitik. Die Bedeutung dieses post imperialen Traumas für Russland hat der Westen lange unterschätzt. Ex-US-Präsident Barack Obama hat ja einmal gesagt, Russland sei bloß eine Regionalmacht. Das hat nicht nur Putin, sondern viele Russen gekränkt. Heute strebt man danach, wieder gefürchtet zu werden. Und das ist ihm mit dem gewaltigen Truppenaufmarsch jetzt gelungen.“[3]

Eine kritische Kommentierung dieses Denkmals ist nicht ausreichend und ist Hohn und Spott für alle Opfer von sowjetischen und kommunistischen Diktaturen sowie für alle ukrainischen Menschen, die gerade vor dem russischen Überfall ihres eigenen Landes fliehen. Tausende Menschen in Russland und hunderttausende Menschen in demokratischen Nationen, nicht zuletzt in Berlin, gehen auf die Straße und protestieren friedlich für ein Ende des Krieges in der Ukraine und für eine freie und offene Gesellschaft parteiübergreifend. Es bedarf eines klaren Zeichens durch den Abriss dieses „Denkmals", denn alle beteiligten Parteien waren Feinde der freiheitlichen Grundordnung und der Demokratie. Die Materialgegenwerte können monetarisiert werden und den Menschen in der hoffentlich auch zukünftig freien Ukraine zu Gute kommen.

Hinzu kommt, dass auch jüngst mehrfach das Denkmal als Projektionsfläche für antidemokratische Tendenzen mittels illegaler Graffitis genutzt wird. Ferner hat eine Kommission des Berliner Senats 1993 den Abriss der Statue empfohlen und auch die Bezirksverordneten von Prenzlauer Berg beschlossen dies.


[1] https://www.tagesspiegel.de/meinung/gastbeitrag-warum-wir-thaelmann-nicht-ehren-sollten/6581656.html, abgerufen am 8. März 2022, 20:00 Uhr

[2] https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv005085.html#Rn246ff, abgerufen am 8. März 2022, 20:10 Uhr

[3] https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/europa/2137588-Putin-will-zur-Sowjetunion-zurueck.html, abgerufen am 8. März 2022, 20:30 Uhr


[1] Denkmalliste Berlin, Stand 26.11.2021, S. 518, #09090191 | Greifswalder Straße, Ernst-Thälmann-Denkmal, Freiplastik, 1985-86 von Lew Kerbel (D) (PAN/PRENZ-D)

 
 

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