Der Hauptteil des Rathauses ist ein breit gelagerter dreigeschossiger Verblendbau aus roten Klinkersteinen und rotem Sandstein mit einem Sockel aus schlesischem Granit. Der Bau wird dem Eklektizismus zugerechnet, einer Mischung von historischen Stilelementen. Ursprünglich war das Rathausdach mit Kupfer gedeckt, es wurde allerdings im Ersten Weltkrieg zur Gewinnung von Material für die Rüstung wieder entfernt. Die Mitte des Gebäudes ist risalitartig vorgezogen und durch einen dreibogigen Eingang mit Säulen und Freitreppe besonders betont. Plastiken des Pankower Bildhauers Sponar schmücken die turmartigen Vorsprünge und stellen die Bürgertugenden dar. Sie werden in der Reihenfolge von Ost nach West so interpretiert:
- Gerechtigkeit,
- Bürgerfleiß,
- Bürgerehre,
- Mildtätigkeit.
Den auf quadratischem Grundriss stehenden 50 Meter hohen Eckturm zieren im 1. Obergeschoss zwei Balkonerker, die zur ursprünglichen Wohnung des Bürgermeisters gehörten. Eine Turmuhr zeigt nach allen Himmelsrichtungen die Zeit an. Darüber befindet sich eine umlaufende Balustrade mit vier Ecktürmchen. Den Abschluss bildet ein zylindrischer Turm mit Helm und Laterne. Die Spitze auf der Laterne musste bereits wenige Tage nach der Einweihung gekürzt werden, sie hatte dem Sturm nicht standgehalten. Besonders eindrucksvoll ist der von zwei Türmen flankierte Haupteingang, durch den man in ein geräumiges, vornehm gehaltenes Vestibül tritt. Sehenswert sind die aufwendig gestaltete Eingangshalle mit Stuckornamentik und Lampen in Jugendstilformen, die repräsentative doppelläufige Treppe und der Große Ratssaal mit der Holztäfelung. Die schon beschriebenen Sinnbilder in den hohen Fenstern des Ratssaales und das Standbild ?Bürgerehre? wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört. Die Glasmalerei wurde mit anderer Symbolik zweimal erneuert, 1990 das DDR-Emblem entfernt.
Die Baukosten für das neue Rathaus betrugen mehr als eine halbe Million Reichsmark. Alles in allem ein repräsentativer Bau, den die Sozialdemokraten seinerzeit für viel zu “prunkvoll” hielten.
Der Architekt
Wilhelm Johow wurde am 25. Januar 1874 in Minden geboren. Nach einer Ausbildung ging er 24jährig nach Berlin zu seinem Bruder, der Architekt war. Um 1900 beteiligte er sich an dem Wettbewerb zum Bau des Pankower Rathauses, gewann und heiratete. In den nächsten Jahren werden drei Söhne und zwei Töchter geboren, die Familie lebte in Pankow in der Breiten Straße in einem eigenen Haus. Das Architekturbüro befand sich gleich nebenan im Haus Nr. 24. Johow entwarf weiter Krankenhäuser, auch das Pankower, und viele Schulen. Dann kam der Erste Weltkrieg, der Architekt wurde zum Militärdienst eingezogen. Er hatte 1916 ein furchtbares Erlebnis in Frankreich, das zu einem Nervenzusammenbruch führte. Nach Berlin zurückgekehrt, war er gesundheitlich nicht mehr in der Lage, sein Büro zu leiten. Ein Bruder vermittelte ihm deshalb eine Tätigkeit im Bergbau in Buer, 1919 kam die Familie nach. Johow arbeitete bis zu seiner Pensionierung in Buer. Bemerkenswert waren seine Aktivitäten auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg. Mit einer Bausteinart, die er entwickelte und sich patentieren ließ, baute er sich in Gahlen, einem Dorf am Niederrhein, seinen Alterssitz. In den 50er Jahren entwarf er für diese Gemeinde ehrenamtlich eine Siedlung, die später seinen Namen erhielt. Es war sein letzter Auftrag. Am 27. Oktober 1960 starb Wilhelm Johow.
(Aus: Rathaus Pankow 1903-1993, Arwed Steinhausen, Dieter Geisthardt, Hans Klockmann. Herausgegeben vom Freundeskreis der Chronik Pankow e.V., 1993. Aktualisierte Fassung. Für das Internet überarbeitet und gekürzt. Foto: Wolfgang Wündsch)