Drucksache - VIII-1313  

 
 
Betreff: Installation einer Klima-Uhr auf der Website des Bezirksamts
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion Bündnis 90/Die GrünenFraktion Bündnis 90/Die Grünen
   
Drucksache-Art:AntragAntrag
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Pankow von Berlin
11.11.2020 
36. ordentliche Tagung der Bezirksverordnetenversammlung Pankow von Berlin in der BVV abgelehnt   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlagen:
Antrag Fraktion Bü90/Grüne 36. BVV am 11.11.2020

Das Bezirksamt wird ersucht, eine Klima-Uhr auf der Start-Website des Bezirksamts Pankow (https://www.berlin.de/ba-pankow/) einzubetten. Damit soll die Dringlichkeit effektiven Klimaschutzes aufgezeigt werden. Die Klima-Uhr kann kostenfrei, mithilfe eines frei zugänglichen HTML-Codes von der Website des wissenschaftlichen Thinktank „Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change“ (MCC), in die Website des Bezirksamts Pankow eingebettet werden.

Zusätzlich soll eine Unterseite auf der Website des Bezirksamts Pankow erstellt werden, die Informationen zur Umweltbildung/Bildung für nachhaltige Entwicklung und Fakten zum Treibhausgaseffekt, den unterschiedlichen Treibhausgasen sowie den Ursachen und Auswirkungen der Klimakrise weltweit und in Pankow bereitstellt.

Die Klima-Uhr zeigt in Anlehnung an die Uhr des MCC (https://www.mcc-berlin.net/de/forschung/co2-budget.html) zwei Dinge:

-          das verbleibende weltweite CO2eq-Budget. Basis dafür sind CO2quivalente (CO2eq), die neben CO2 selbst u.a. auch Treibhausgase wie Methan oder „Lachgas“ einbeziehen.[1]

-          die verbleibende Zeit (in Jahren, Monaten, Tagen, etc.) zur Einhaltung des 1,5°C-Ziels entsprechend des Pariser Klimaabkommens beim derzeitigen Emissionsniveau.


[1] Vgl.: ROGELI, JOERI et al. (2019): Estimating and tracking the remaining carbon budget for stringent climate targets, Nature Vol. 571, pp. 335342, https://doi.org/10.1038/s41586-019-1368-z


Begründung:

Um auf die Klimakrise zu reagieren, hat Pankow den Klimanotstand ausgerufen (Drucksachen-Nr. VIII-0916) und strebt deutliche Emissionsreduktionen an. Das Berliner Energiewendegesetz strebt eine Emissionsreduktion von mindestens 85 % bis 2050 gegenüber 1990 an. Das Berliner Energie - und Klimaschutzprogramms (BEK) zielt auf eine Emissionsreduktion von 95% gegenüber 1990 bis 2050. Um diese Ziele zu erreichen, sollte die gesamte Bevölkerung für das Thema sensibilisiert werden. Hierfür braucht es geeignete, barrierefreie, wissenschaftlich und leicht zugängliche Informationsangebote (bspw. mit Infotafeln bzw. QR-Codes). Neben ambitionierten politischen und wirtschaftlichen Initiativen ist auch eine nachhaltige Form des Konsums nötig, um die Treibhausgasemissionen deutlich zu reduzieren. Aufgrund unseres Konsums gehört der umfassende Blick auf alle klimawirksamen Gase dazu, daher die Messung in CO2quivalenten. Beispielsweise beträgt das CO2eqr Methan (z.B. aus der Viehzucht) laut fünften Sachstandsbericht der Vereinten Nationen (IPCC AR5) bei einem Zeithorizont von 100 Jahren das 28-fache, und bezogen auf 20 Jahre sogar das 84-fache. Das bedeutet, dass ein Kilogramm Methan innerhalb der jeweiligen Zeitspanne um ein Vielfaches mehr zum Treibhauseffekt beiträgt als ein Kilogramm CO2.

Deutschland liegt weit über dem weltweiten Durchschnitt von 4,4 Tonnen CO2eq/Kopf pro Jahr. Und auch dieser ist noch viel zu hoch, um die völkerrechtlich verbindlichen Pariser Klimaziele zu erreichen. Nach den Lockerungen der Kontaktbeschränkungen in der Corona-Krise werden die globalen CO2eq-Emissionen wieder schnell ansteigen und weit entfernt von einem nachhaltigen Niveau sein. Die notwendigen Veränderungen können nur gelingen, wenn alle mit anpacken und dazu gehört auch die Zivilgesellschaft. Da dies noch nicht ausreichend in der öffentlichen Wahrnehmung verankert ist, soll die Klima-Uhr das Thema stärker in die Öffentlichkeit rücken und auf die Dringlichkeit des Handelns aufmerksam machen.

Die Klima-Uhr zeigt das verbleibende weltweite Emissions-Budget an um das 1,5°C-Ziel, konform mit dem Paris-Abkommen, einzuhalten. Ein Regional-Budget für Berlin oder den Bezirk Pankow kann nicht durch die Uhr des MCC geliefert werden und somit keine rechnerische Aktualisierung der Uhr auf Grundlage des aktuellen wissenschaftlichen Standes erfolgen. Eine Berechnung des Regional-Budgets müsste dadurch von Seiten des Bezirksamts eigenständig getragen werden. Gleichzeitig wäre die Entscheidung für das Anzeigen eines Regional-Budgets nur unter bestimmten moralischen und politischen Annahmen zu treffen wie bspw. ob ein weltweit gleiches CO2eq-Budget pro Kopf angenommen wird oder ob historische Emissionen einberechnet werden sollen.

Wie viel Zeit bleibt bis das weltweite Budget bei derzeitigem Emissionsniveau weltweit aufgebraucht ist, verdeutlicht bspw. die Klima-Uhr der MCC-Forscherinnen und Forscher. Sie bildet damit den wissenschaftlich anerkannten Stand der Forschung ab.[1] Die Animation zählt auf Basis der Emissionswerte das verbleibende Budget und die Zeit herunter, die für die Einhaltung des Pariser Klimaziels bleiben. Eins ist klar: Um die globale Erwärmung/den globalen Temperaturanstieg auf deutlich unter 2°C und möglichst auf 1,5°C zu beschränken, muss die Menschheit ihre CO2eq-Emissionen drastisch senken und das möglichst schnell.


[1] Eine Meta-Studie zur wissenschaftlichen Literatur untersuchte 928 Artikel zum Klimawandel, die zwischen 1993 und 2003 in Fachzeitschriften veröffentlicht wurden. Sie ergab, dass keiner dieser Artikel den wichtigsten Schlussfolgerungen des Weltklimarates (IPCC) widersprach. D.h. die These der menschenverursachten Klimaerhitzung ist bisher nicht falsifiziert (anders als die These, dass die Erde eine Scheibe sei).

Wir müssen nach derzeitigem Kenntnisstand also davon ausgehen, dass der anthropogene Klimawandel real ist. Die Meta-Studie kommt zu dem Schluss, dass ein wissenschaftlicher Konsens über die Realität des anthropogenen Klimawandels besteht. Der Konsens, dass Menschen die jüngste globale Erwärmung verursachen, wird von 90% bis 100% der veröffentlichten Studien laut sechs unabhängigen Meta-Studien geteilt.

Dieser wissenschaftliche Konsens ist epistemologisch nicht mit einer Mehrheitsentscheidung zu verwechseln. Klimaforscher und -forscherinnen haben wiederholt versucht, dies deutlich zu machen. Es ist Zeit für den Rest von uns zuzuhören.

Vgl.: COOK, JOHN et al. (2016): Consensus on consensus: a synthesis of consensus estimates on human-caused global warming, Environmental Research Letters Vol. 11 No. 4, https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/11/4/048002/pdf

& ORESKES, NAOMI (Dec. 03, 2004): Beyond the Ivory Tower: The Scientific Consensus on Climate Change, Science, 306, p. 1686, https://science.sciencemag.org/content/sci/306/5702/1686.full.pdf

& DORAN, PETER & ZIMMERMANN, MAGGIE (Jan. 20, 2009): Examining the Scientific Consensus on Climate Change, EOS, Vol. 90, No. 3, pp. 22-23.

 
 

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