Drucksache - IX-0728  

 
 
Betreff: Benennungsabsicht einer öffentlichen Straße im Ortsteil Heinersdorf in „Beate-Hahn-Straße“
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:BezirksamtBezirksamt
   
Drucksache-Art:Vorlage zur Kenntnisnahme § 15 BezVGVorlage zur Kenntnisnahme § 15 BezVG
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Pankow von Berlin
20.09.2023 
17. ordentliche Tagung der Bezirksverordnetenversammlung Pankow von Berlin mit Abschlussbericht zur Kenntnis genommen     

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlagen:
VzK §15 BezVG BA 17.BVV am 20.09.2023

Siehe Anlage


Bezirksamt Pankow von Berlin

2023

An die
Bezirksverordnetenversammlung

Drucksache-Nr.:

Vorlage zur Kenntnisnahme
r die Bezirksverordnetenversammlung gemäß § 15 BezVG

Benennungsabsicht einer öffentlichen Straße im Ortsteil Heinersdorf in „Beate-Hahn-Straße“

Wir bitten zur Kenntnis zu nehmen:

Gemäß § 15 Bezirksverwaltungsgesetz (BezVG) wird berichtet:

Das Bezirksamt hat in seiner Sitzung am 29.08.2023 folgenden Beschluss gefasst:

Es ist beabsichtigt, die neu entstehende öffentliche Erschließungsstraße im Ortsteil Heinersdorf an der Idunastraße/Neukirchstraße in „Beate-Hahn-Straße“ zu benennen. Die Lage der Straße ist auf dem beiliegenden Lageplan zu erkennen.

Begründung

Nach Aufhebung des Bezirksamtsbeschlusses vom 01.11.2022, Drucksache IX-0351, Benennung einer öffentlichen Straße im Ortsteil Heinersdorf in Herta-Hammerbacher-Straße", durch die Bezirksverordnetenversammlung Pankow mit BVV-Drucksache IX-0517 vom 14.06.2023 wurde das Bezirksamt Pankow darin ersucht, seine Benennungsabsicht der Bezirksverordnetenversammlung vorzulegen und weitere alternative Benennungsvorschläge zu unterbreiten.

Der Frauenbeirat Pankow regt in seiner Stellungnahme vom 12.05.2023 an, als alternativen Benennungsvorschlag zu Herta Hammerbacher die neu entstehende Straße nach der jüdischen Gartenpädagogin Beate Hahn (1894-1970) in „Beate-Hahn-Straße“ zu benennen. Beate Hahn wurde durch Vorträge und Fortbildungen, aber auch verschiedene Publikationen zum Thema Gartenbau und Gartenpädagogik international bekannt. Da es sich bei dem Bebauungsgebiet um ehemalige Gärtnereiflächen handelt, ist ein thematischer Bezug zum Benennungsvorschlag gegeben.

Die Zustimmung der Enkelin von Beate Hahn für eine Benennung liegt vor.

Der Vorschlag des Frauenbeirates Pankow entspricht der Absicht, das Wirken von Frauen zu würdigen, die zu ihren Lebzeiten Bedeutsames geleistet haben.

Dem Anliegen des Bezirksamtes Pankow, den Anteil an nach Frauen benannten Straßen, Plätzen und Orten zu erhöhen (Drs. VI-1032 vom 05.05.2010), wird damit Rechnung getragen.

Die Benennung der Erschließungsstraße an der Idunastraße/Neukirchstraße im Ortsteil Heinersdorf erfolgt auf Antrag der GESOBAU AG. Der Bauträger errichtet gemäß Bebauungsplan 3-41 auf dem 33.990 m² großen Gelände einer ehemaligen Gärtnerei eine geplante Neubebauung mit ca. 334 Wohneinheiten sowie die Unterbringung von Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche oder sportliche Zwecke nebst Gewerbeflächen. Der Baubeginn mit vorbereitenden Maßnahmen war im März 2022.

Zur Erschließung der Wohnanlage wird eine öffentliche Erschließungsstraße errichtet.

Für eine eindeutige und ausreichende Orientierung in der Örtlichkeit ist es i. S. des § 5 Abs. 1 Satz 1 des Berliner Straßengesetzes notwendig, die Erschließungsstraße eigenständig zu benennen. Die neu zu bildenden Grundstücke sollen über diese Erschließungsstraße nummeriert werden.

Aufgrund der bereits zügig voranschreitenden Baumaßnahmen auf dem Baugelände und des nahenden Einzugs der ersten Mieter ist es hier von besonderem Interesse, das Benennungsverfahren schnellstmöglich abzuschließen und den zukünftigen Anwohnern eine meldefähige und für Versorgungsbetriebe, Polizei, Rettungskräfte etc. auffindbare Adresse zu gewährleisten.

Die Benennung der Straße erfüllt die Voraussetzungen zur Umsetzung der Ausführungsvorschriften zu § 5 des Berliner Straßengesetzes (AV Benennung) und liegt gemäß § 2 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 Satz 1 Berliner Straßengesetz im öffentlichen Interesse.

Die Abfrage bei den übrigen Straßen- und Grünflächenämtern Berlins und beim Amt für Statistik Berlin-Brandenburg hat ergeben, dass keine gleichen Benennungsabsichten bestehen und keine gleichen oder gleichlautenden Straßenbezeichnungen in Berlin vorhanden sind. Die statistische Schlüsselnummer lautet: 11357

Das Benennungsverfahren soll entsprechend § 5 Abs. 1 Satz 1 Berliner Straßengesetz i. V. m. der AV Benennung durchgeführt werden.

 

Haushaltsmäßige Auswirkungen

Die Kosten für die Ausstattung der Straßennamenschilder werden im laufenden Verfahren ermittelt. Die Finanzierung wird aus Kapitel 3800, Titel 52101 – Unterhaltung des Straßenlandes – im Rahmen des vorhandenen Haushaltsansatzes erfolgen.

Gleichstellungs- und gleichbehandlungsrelevante Auswirkungen

Mit der Benennung der öffentlichen Straße nach Beate Hahn leistet das Bezirksamt Pankow einen weiteren Beitrag, die Leistungen von Frauen, die bisher in Geschichtsschreibung und Politik nicht oder nur ungenügend Beachtung fanden, öffentlich zu machen und ihnen so eine Würdigung zuteilwerden zu lassen.

Auswirkungen auf die nachhaltige Entwicklung

keine

Kinder- und Familienverträglichkeit

entfällt

 

Dr. Cordelia Koch
Bezirksbürgermeisterin
 

Manuela Anders-Granitzki
Bezirksstadträtinr Ordnung und Öffentlicher Raum



Anlage
Lageplan (Anlage 1)

Kurzbiografie eingereicht vom Frauenbeirat (Anlage 2)

Gutachten Fachbereich Museum und bezirkliche Geschichtsarbeit (Anlage 3)


Anlage 1


Anlage 2

Frauenbeirat Pankow/12.05.2023

 

Kurzbiographie Beate Hahn

 

Sophie Charlotte Beate Jastrow wurde am 21.04.1894 in Berlin geboren. Die Familie Jastrowwohnte in einem Haus mit Garten in Berlin Charlottenburg. Schon früh interessierte sich Beate für die Gartenarbeit, legte ein eigenes Beet an und beschloss mit 8 Jahren, Gärtnerin zu werden. 1907 begegnete sie Karl Foerster, dem Gründer des Bornimer Kreises zum ersten Mal und hielt ein Leben lang Kontakt mit ihm.

Nach dem Abitur im Jahr 1915 besuchte sie die Gartenbauschule für Frauen gehobener Stände in Marienfelde und trat schon 1916 eine erste Anstellung als Gutsgärtnerin in einem Rittergut bei Hildburghausen, später in Hirschfelde und in Villengärten in Berlin an.

Regelmäßig schrieb sie Artikel zum Thema Gemüsezucht und im Jahr 1916 entstand ein erstes Manuskript, das sich mit Gartenbau und Gartenpädagogik beschäftigte.

Am 11. September 1920 heiratete sie Franz Hahn und zog mit ihm ins Ruhrgebiet, wo ihr Mann im Familienbetrieb „Hahnsche Werke“ arbeitete. Drei Töchter – Cornelia (1921-2021), Marianne (1923-1939) und Charlotte (1926-2011) – wurden geboren. Die Liebe zum Gartenbau war auch Motiv für den Aufbau eines Modellgartens für die Kinder der Arbeiter

der Fabrik der Schwiegereltern in Duisburg-Großenbaum. Dazu gehörten auch ein Kindergarten und das Gartenbauamt.

1928 zog die Familie zurück nach Berlin und bezog ein Haus mit Garten in Steinstücken. Es entstanden erste Artikel über Kinder und Gartenschönheit. Sie plädierte für die Öffnung der Rasenflächen als Spielflächen. Als ihr Mann Franz Hahn im Jahr 1933 bei einem Lawinenunglück starb, verstärkte sie ihre Veröffentlichungstätigkeit zum Thema Kinder und Gartenbau.

1935 „Hurra wir säen und ernten“

1936 „Der Kindergarten – ein Garten der Kinder“

Auch ihre Kartenspiele zum Thema „Das Gartenquartett“ und „Das Gartenlotto“ waren sehr erfolgreich.

1938 zwang ihre jüdische Herkunft die Familie Hahn zur Flucht aus Deutschland. Lange suchte sie in den Vereinigten Staaten den richtigen Ort für sich und die Kinder und fand ihn in Wolfeboro, New Hampshire. Dort blieb der Gartenbau weiterhin ihr Lebensinhalt und auch ihre Erwerbsquelle. Der Gemüseanbau, aber auch ein Ferienlager verbunden mit Kursen für den Gartenbau wurden gut angenommen.

Nach 1946 lehnt sie ein Angebot United Nations Relief und Rehabilitation Administration (UNRRA) ab, in Deutschland eine Musteranstalt zur Ausbildung von Lehrer*innen zu gründen. Sie lehnte ab, weil sie ihre Kinder nicht allein lassen wollte, publizierte aber weiter in Europa und den Vereinigten Staaten zum Thema Gemeinschaftsgärten, in denen sie ein Ideal für gemeinschaftlichen Wiederaufbau sah.

1950 kam sie das erste Mal wieder nach Europa, gab im Kinderdorf Trogen in der Schweiz Kurse und an der Volkshochschule Ulm Kurse.

Danach reiste sie viele Jahre jeden Winter durch Europa und bot Vorträge und Fortbildung zu ihrem Thema Gartenbau und Gartenpädagogik an. In dieser Zeit schrieb sie auch weiter in internationalen Publikationen. Das Thema Kinder, Pädagogik, Gartenbau begleitete sie durch die Jahre.


Veröffentlichungen

 

1952 „Dein Garten wächst mit dir“, Otto Maier Ravensburg

 

1956 Rede auf dem Europäischen Gemeindetag, als Spielplatzexpertin der UN über Gemeindegärten der Zukunft

 

1956 „Hurra, wir Kochen und Backen“, (unveröffentlicht)

 

1959 „Experimentierkasten Wundergarten ohne Erde“, Otto Maier Ravensburg

 

1960 „Gärten für die Jugend mit der Jugend“, Rascher Zürich

 

1960 „Ruf unserer Zeit – Gärten für Blinde“, (unveröffentlicht)

 

1961 „Das Kleinkind im Garten“, Vortrag auf der Tagung der Deutschen Gartenbaugesellschaft auf der Insel Mainau

 

1963 Amerikanische Pressekorrespondentin für die IGA in Hamburg

 

Ab 1960 war sie weiter tätig im Gartenclub Wolfeboro, dessen Präsidentin sie von 1964-1967 war und verstärkte ihr Engagement im Bereich „World Gardening“. Sie sammelte Geld- und Sachspenden für bedürftige Länder. Sie reiste nach Lesbos und Israel, um dort Schulgartenprojekte zu betreuen. Beate Hahn starb am 09. Juni 1970.

 

Eine ihrer drei Töchter Cornelia Hahn Oberlander (1921-2021) wurde in Kanada eine weltweit renommierte Landschaftsarchitektin. Sie entwarf auch den Dachgarten auf der Kanadischen Botschaft am Potsdamer Platz, für sie ein besonders wichtiges Projekt.

 

Quellen: Beate Hahn (1960): Lebenslauf und Beate Hahn, (23.3.1965 in Konstanz): Mein Leben mit Gärten und Menschen, ein Gärtnerleben auf 2 Kontinenten; Vortragsmanuskript. Beide im Nachlass Beate Hahn/Deutsche Gartenbaubibliothek


Anlage 3

 

Kult Gesch L/

Kult Gesch 3

 

 

Abt. Ordnung und Öffentlicher Raum

Straßen- und Grünflächenamt

SGA 1118

 

Betr.: Benennung von 2 neuen Straßen im „Quartier Idunastraße“, OT Heinersdorf

 

Hier: Benennung einer öffentlichen Straße in „Beate-Hahn-Straße“

 

 

Vorbemerkung:

  1.                Der Bebauungsplan 3-41 r die Grundstücke Idunastraße 11, Romain-Rolland-Straße 141 und Neukirchstraße 62-66 im Ortsteil Heinersdorf sieht für das ca. 4,57 ha große Gebiet eine Wohnbebauung vor. Davor wurde das Gelände teils bis Anfang der 1990er Jahre als Gärtnereifläche genutzt, teils gab es eine Bebauung mit einzelnen Einfamilienhäusern und seit dem 20. Jahrhundert wurde ein Teil des Geländes gewerblich genutzt. Das Areal wird nördlich durch die Idunastraße, östlich durch die Romain-Rolland-Straße und südlich von der Neukirchstraße begrenzt.
  2.                Senkrecht zwischen Idunastraße und Neukirchstraße verlaufend sind zwei ca. 275 Meter lange Straßen durch das „Quartier Idunastraße“ der GESOBAU geplant. Die weiter westlich liegende Straße ist als öffentliche Straße, die weiter östlich gelegene Straße ist als Privatstraße geplant.[1]

 

  1. Ausgangslage

Dem FB Geschichte liegt seit dem 06.05.2021 ein Antrag der Gesobau AG vom 15.12.2020 vor, die beiden oben erwähnten neuen Straßen zu benennen. Von der Gesobau AG vorgeschlagen wurden seinerzeit Straßennamen mit Bezug auf die nordische Mythologie, in Verbindung mit einem gärtnerischen Thema. Hierzu liegt eine ablehnende Stellungnahme des Frauenbeirats Pankow vom 01.02.2021 sowie ein ergänzendes Schreiben des Frauenbeirats Pankow vom April 2021 vor.[2] Im ergänzenden Schreiben schlug der Frauenbeirat für die öffentliche Straße den Namen Herta Hammerbacher vor. Per E-Mail wurde der FB Geschichte am 06.05.2021 vom Straßen- und Grünflächenamt gebeten, diesen Namensvorschlag aus fachlicher Perspektive zu prüfen. Das Gutachten wurde am 22.06.2022 fertig gestellt. Die im Gutachten geäußerten Zweifel des Fachbereichs[3], wurden im Weiteren durch die BVV aufgegriffen, die am 10.05.2023 den Bezirksamtsbeschluss zur Benennung aufgehoben hatte. Als alternativer Benennungsvorschlag ist im Antrag des Frauenbeirats vom 12.05.2023 die Gartenpädagogin Beate Hahn genannt. Per E-Mail wurde der FB Geschichte am 22.05.2023 vom Straßen- und Grünflächenamt gebeten, diesen Namensvorschlag für die öffentliche Straße aus fachlicher Perspektive zu prüfen.

 

  1. Historischer Sachverhalt

Die Gärtnerin und Gartenpädagogin Beate Hahn, geb. Jastrow (1894-1970) wuchs in Berlin als Tochter des Historikers und Sozialwissenschaftlers Ignaz Jastrow und der Sozialarbeiterin Anna Jastrow (geb. Seligmann) auf. Sie hatte eine ältere Schwester, die spätere Archäologin Elisabeth Jastrow[4] (1890-1981). Die Familie war jüdischen Glaubens. Ob sie jedoch zum Christentum konvertiert sind, wie von Beate Hahns Tochter Charlotte Hahn Arner in einem Interview[5] behauptet, ließ sich nicht herausfinden.

Beate Hahn hat sich nach eigenen Angaben schon als Kind für Pflanzen und Gärten interessiert. Über die Eltern lernt sie bereits als Jugendliche den Gärtner und Staudenzüchter Karl Foerster kennen, beide verband laut Clemens Alexander Wimmer eine „lebenslange Freundschaft“.[6]

Nach Abschluss des Gymnasiums beginnt Beate Jastrow mit 19 Jahren, im Einverständnis mit ihren Eltern, eine Ausbildung als Gärtnerin in der „Obst- und Gartenbauschule für Frauen“ von Elvira Castner in Berlin-Marienfelde. In ihrer Erinnerung erlebte sie diese Zeit als befreiend und verteidigt die relativ neue, geschlechtsspezifische Ausbildung bereits 1916 in einem Leserinnenbrief an „Die Gartenwelt“.

Nach der Ausbildung arbeitet Beate Jastrow zunächst auf einem Rittergut im thüringischen Hildburghausen und auf dem Gut Hirschfelde im Barnim. Nach eigenen Angaben schrieb sie hier bereits ihr erstes Buch „Hurra, wie säen und ernten“, ohne es zu veröffentlichen:

Dieses Buch wurde nicht verstanden. Es hat Jahre, ich muß leider sagen Jahrzehnte gedauert, bis es seinen Erfolg hatte und veröffentlicht wurde. Meine Entscheidung stand fest. Ich habe nur die Wahl, entweder Gärtnerin zu werden, die es den Männern gleichtut an Leistungen, oder den Weg zum erzieherischen, sozialen Gärtnern zu wählen. Ich wählte letzteres.“[7]

Bei ihrer nächsten Anstellung als Gärtnerin im Besitz der jüdischen Familie Hahn in Berlin-Wannsee lernt sie Franz Hahn (1891-1933) kennen. Das Paar heiratet im September 1920 und zieht ins Ruhrgebiet, wo Franz Hahn als Ingenieur in den familieneigenen „Hahnschen Werken“[8] arbeitet. Beide haben drei Töchter: Cornelia Hahn Oberlander (1921-2021), Marianne Hahn (1923-~1938/39) und Charlotte Hahn Arner. Marianne Hahn wird mit einer Behinderung geboren und von der Familie 1928 in ein Pflegeheim[9] gegeben, obwohl es, nach Erinnerung von Charlotte Hahn Arner, ärztliche Therapievorschläge gab.

hrend der Zeit im Ruhrgebiet baut Beate Hahn einen ersten Jugend- und Gemüsegarten für die Kinder der Werksangestellten auf. Nachdem Franz Hahn für ein Jahr Betriebswirtschaftslehre in den USA studiert hat, zieht die Familie 1928 nach Neubabelsberg bei Berlin. In der Kolonie „Steinstücken“ bewohnen sie eine Villa des Architekten Bruno Buch in der Bernhard-Beyer-Straße 3. In den nächsten Jahren lebt die Freundschaft zu Karl Förster wieder auf, gemeinsam gestalten sie den Garten von Beate Hahn. Sie reist viel, sieht Gärten in England und Frankreich und schreibt 1929 einen Artikel für die Zeitschrift „Gartenschönheit“ in dem sie dafür plädiert, den Berliner Tiergarten kinderfreundlicher zu gestalten:

Der Tiergarten steht mit seinen dichten Bäumen und seinen schmalen Wegen schweigend und freudlos für unsere Kinder da. In einer Zeit, wo alles nach Befreiung der Kinderseele schreit, wo unter Aufwendung höchster Kosten Montessorischulen und Landerziehungsheime gegründet werden, wo alles getan wird, um den Kindern freiheitliche Entwicklung, Bewegung und Spiel in heller Sonne zu ermöglichen, wo Berlin selbst nicht ruht, neue moderne Parkanlagen mit Planschwiesen und Tummelplätzen zu schaffen, wirkt dieser Stadtpark doppelt befremdend.“[10]

Die gartenpädagogische Arbeit weitet sie auch praktisch aus unterrichtet Kinder im Gartenbau und arbeitet an einem Kindergarten mit. 1934 fließen diese Erfahrungen in die Veröffentlichung ihres ersten Buches ein, unter dem bereits erwähnten Titel „Hurra, wie säen und ernten!“. Zwei weitere Bücher folgen 1935 und 1936[11], in denen sich Beate Hahn auch auf die Ideen des Pädagogen Friedrich Fröbel zum Kindergarten beruft. Aufgrund der nationalsozialistischen Gesetzgebung ist ihr die Veröffentlichung in deutschen Verlagen bereits verwehrt, sie erscheinen bei Verlagen aus Breslau und Zürich.

 

Anfang 1933 stirbt Franz Hahn bei einem Lawinenunglück in der Schweiz. Beate Hahn berichtet von den zunehmenden Einschränkungen und der wachsenden Anspannung, die ihre Familie im nationalsozialistischen Deutschland hinnehmen musste. Ein einschneidendes Erlebnis scheint die Rückkehr aus dem Urlaub im Januar 1938 gewesen zu sein. An der schweizerisch-deutschen Grenze werden Beate Hahn und ihren Töchtern ohne Begründung die Pässe eingezogen. Zurück in Berlin erhält sie die Pässe als „ungültig“ zurück. Sie schreibt: „An diesem Tage wußte ich, daß wir auswandern mußten.“[12] Hinzu kommt, dass 1938 die Hahnschen Werke „arisiert“, also durch die Nationalsozialisten enteignet, und an den Mannesmann-Konzern verkauft werden. Beate Hahn bemüht sich in den folgenden Monaten immer wieder, neue Pässe zu erhalten, muss die Töchter von der Schule nehmen und wird mehrmals zu Verhören vorgeladen. Über verschiedene Umwege, einen Anwalt und eine „Spende“ an den Berliner Polizeipräsidenten Wolf-Heinrich von Helldorf, gelingt es ihr im November 1938 neue Pässe zu erhalten.

Der Reformpädagoge Kurt Hahn, Bruder des verstorbenen Franz Hahn, bittet daraufhin den befreundeten britischen Politiker Sir Alexander Lawrence nach Berlin zu reisen und Beate Hahn bei der geplanten Ausreise zu unterstützen. Ihrer privilegierten Position war sie sich dabei durchaus bewusst: „Nie habe ich vergessen, wie beschämt ich war, daß ich diesen Fürsprecher hatte, der mir in wenigen Minuten das englische Visum verschaffte, während die anderen hilfeflehend standen und es nicht bekommen konnten und in der Gefahr zurückblieben.“[13]

Per Zug verlässt Beate Hahn Ende November 1938 mit ihren Töchtern Cornelia und Charlotte Berlin. Ihre Eltern bleiben in der Stadt, die Mutter erhielt erst später ein Visum und kam 1942 über Kuba in die USA. Auch ihre Tochter Marianne lässt Beate Hahn in dem Pflegeheim zurück. Offiziell verstirbt sie im März 1939 an einer Lungenentzündung, doch Charlotte Hahn Arner fand später heraus, dass ihre Schwester bereits Ende 1938 Opfer der nationalsozialistischen Krankenmorde wurde.

Die USA erreicht Beate Hahn im Februar 1939 und mietet ein Haus im New Yorker Vorort New Rochelle. Im Oktober 1939 stellt sie den Antrag auf Einbürgerung, die Ende 1944 erfolgt. Den ersten Wohnort verlässt Beate Hahn relativ schnell und kauft nach einer längeren Rundreise 1940 die Heathview Farm in Wolfeboro, New Hampshire. Über mehrere Jahre unterstützt sie dort die Summercamps ihrer Partnerin Claire Sawyer[14] mit Gartenbaukursen für Kinder. Beate Hahn bietet auch Gartenbaukurse für Leiter und Betreuer von Summercamps an, hält Vorträge und baut auf ihrem Land Gemüse und Obst für den Verkauf an.[15]

 

Ab 1950 kehrt sie regelmäßig für Vorträge, Seminare und Kurse nach Deutschland zurück. Meist verbringt sie die Wintermonate in Deutschland und Europa und den Rest des Jahres auf ihrer Farm in Wolfeboro. Außerdem schreibt Beate Hahn weiter Artikel, veröffentlicht weitere gartenpädagogische Bücher[16] und ist „Mitarbeiterin der Schriftleitung“ der Zeitschrift „Pflanze und Garten“. Zwei Bücher, an denen sie gearbeitet hat ein Kinderkochbuch und ein Gartenbuch für blinde Menschen bleiben unveröffentlicht. Wiederholt betont sie in den Nachkriegsjahren ihr Verständnis vom Gartenbau als Weg, Menschen zusammenzubringen und ein friedliches Miteinander zu fördern. Über die Internationale Gartenausstellung (IGA) 1963 in Hamburg, bei der Beate Hahn als Pressekorrespondentin teilnimmt, schreibt sie später beispielsweise:

Die IGA, wie sie genannt wurde, war das Symbol für die Zusammenarbeit der Völker auf friedlichem Wege, verbunden durch die Gärten. Das ist ein so großes Erlebnis, daß wir es festhalten sollten für alle Zeiten. Es hat in dieser kriegerischen Zeit, es hat in dieser Zeit der Not, der Kämpfe, der Befehdungen einen Versuch gegeben, durch Gartenbau die Völker miteinander zu vereinen.“[17]

Ihre Arbeit wird auch in den USA gewürdigt. Beate Hahn ist Ehrenmitglied der „American Horticultural Society“ und ihr Wirken in den USA wird beschrieben als Aufbau einer „Art gartenpädagogischer Agentur [...]. Nachbarschafts-, Gartenliebhaber- und Frauenvereine, in die sie aufgrund ihrer publizistischen Aktivität auch über Funk und Fernsehen Eingang fand, halfen ihr dabei.“[18] Mit Karl und Eva Foerster bleibt Beate Hahn weiterhin in Kontakt und besucht ihn 1967 in Potsdam. In der 1965 gegründeten „Kael-Foerster-Stiftung“ sitzt sie im Kuratorium. Beate Hahn stirbt am 9. Juni 1970.

 

  1. Zustimmung zur beabsichtigten Benennung

Judy Oberlander, Enkelin von Beate Hahn und Tochter von Cornelia Hahn-Oberlander, hat sich per Mail am 19.06.2023r eine Benennung ausgesprochen.

 

  1. Bewertung

Die bewegte Biografie und die Arbeit der Gärtnerin Beate Hahn ist heute nahezu unbekannt. Auch ihre Beziehung zum Personenkreis um Karl Foerster und dem sog. „Bornimer Kreis“ ist bisher unbekannt. Hier hat die Forschung gerade erst begonnen.[19] Zweifellos wichtig und über Jahre einflussreich waren die gartenpädagogischen Arbeiten und Kindergarten-Konzepte von Beate Hahn. Dies sollte auf jeden Fall öffentlich über eine Straßenbenennung gewürdigt und sichtbar gemacht werden. Da es sich bei dem Bebauungsgebiet um teilweise ehemalige Gärtnereiflächen handelt und in dem Areal bereits eine Straße nach der Gärtnerin Marianne Foerster benannt ist, ist ein thematischer Bezug zum Benennungsvorschlag vorhanden. Zwar liegt ein lokaler Bezug nicht direkt vor. Trotzdem ist aus den oben genannten Gründen die Benennung der Straße in „Beahn-Hahn-Straße“ zu befürworten. Wir empfehlen zudem ein Erläuterungsschild, mit dem die Person Beate Hahn kurz vorgestellt wird.

 

  1. Literatur
  1.                Hahn, Beate: Noch einmal die Gärtnerin, in: Die Gartenwelt 34/1916, S. 406–407.
  2.                Hahn, Beate: Der Tiergarten der Jugend. Ein Vorschlag, in: Gartenschönheit 10/1929, S. 178–179.
  3.                Hahn, Beate: Der Kindergarten ein Garten der Kinder. Ein Gartenbuch für Eltern, Kindergärtnerinnen und alle, die Kinder liebhaben, Zürich/Leipzig 1936.
  4.                Hahn, Beate: Mein Leben mit Gärten und Menschen. Ein Gärtnerleben auf zwei Kontinenten, Manuskript (33 S.) für einen Vortrag am 23. 03. 1965 in Konstanz, aus: Nachlass Beate Hahn in der Deutschen Gartenbaubibliothek, unpag.
  5.                Hahn, Beate: Als wir gingen, Aufzeichnungen vom Februar 1968 (26 S.), aus: Nachlass Beate Hahn in der Deutschen Gartenbaubibliothek, unpag.
  6.                Hahn Arner, Charlotte: Interview mit Ina Gordon am 09. 04. 1996, aus: USC Shoah Foundation, Visual History Archive, IntCode 11578.

Humbert, Monique: Beate Hahn. Ein Leben für die Gärten, in: Die Weltwoche vom 02. 04. 1953, aus: Nachlass Beate Hahn in der Deutschen Gartenbaubibliothek, unpag.

Wimmer, Clemens Alexander: Gärtnerin zwischen beiden Welten, in: Grüner Anzeiger 5/2020, S. 3032.

 

Berlin, den 20.07.2023

 

 

gez.

 

H:\Kult\Mus\07_personalisierte Ordner\Witte\Vorlagen\Unterschrift.jpg 

i.V.

 

Bernt Roder (i.V. Kristin Witte)

 


[2] Der ablehnenden Stellungnahme des Frauenbeirats Pankow schließt sich der FB Geschichte an. Siehe dazu Bewertung im Gutachten zur Umbenennung der Nummernstraßen im „Nordischen Viertel“ vom 23.07.2021.

[3]Zwar liegt ein lokaler Bezug nicht direkt vor und mit Blick auf ihre ambivalente Arbeitsperiode im NS gibt es aus fachlicher Perspektive auch Argumente gegen eine Benennung.“

[5] Vgl. Charlotte Hahn Arner: Interview mit Ina Gordon am 09. 04. 1996, aus: USC Shoah Foundation, Visual History Archive, IntCode 11578.

[6] Vgl. Wimmer, S. 30.

[7] Beate Hahn: Mein Leben mit Gärten und Menschen, S. 10.

[9] Nach Erinnerung von Charlotte Hahn Arner lag dieses Pflegeheim in der Nähe von Weimar. Bei Clemens Alexander Wimmer ist zu lesen, dass es das anthroposophische Heil- und Erziehungsinstitut Lauenstein in Altefeld bei Herleshausen/Werra war.

[10] Beate Hahn: Der Tiergarten der Jugend, S. 179.

[11] Beate Hahn: Die Gartenfibel für Kinder und Mütter. Ein ermunternder Führer durch die 12 Monate des Gärtnerjahres im Freiland, in der Zimmer- und Balkongärtnerei, Zürich/Stuttgart/Leipzig 1935 und Beate Hahn: Der Kindergarten ein Garten der Kinder. Ein Gartenbuch für Eltern, Kindergärtnerinnen und alle, die Kinder liebhaben, Zürich/Leipzig 1936.

[12] Vgl. Beate Hahn: Als wir gingen, S. 2f.

[13] Beate Hahn: Als wir gingen, S. 17f.

[14] Nach Erinnerung von Charlotte Hahn Arner führt Beate Hahn nach dem Tod Ihres Mannes nur noch Liebesbeziehungen zu Frauen.

[15] Vgl. Beate Hahn: Mein Leben mit Gärten und Menschen, S. 16-19.

[16] Beate Hahn: Dein Garten wächst mit dir. Vom Kinderbeet zum Wohngarten. Das Gartenbuch für die Familie, Ravensburg 1952 und Beate Hahn: Garten für die Jugend mit der Jugend. Ein Handbuch für Erzieher und Lehrer zur Neugestaltung des Gartenbauunterrichts in Kindergärten und Schulen, Zürich/Stuttgart 1960.

[17] Beate Hahn: Mein Leben mit Gärten und Menschen, S. 31.

[18] Beate und Hermann Mattern zitiert aus: Wimmer, S. 32.

[19] Aktuell ist eine Master-Arbeit von Anneken Fröhling (TU Berlin) zum Leben und Werk von Beate Hahn in Arbeit. Die Arbeit wird betreut von PD Dr.-Ing. habil. Sylvia Butenschön.

 
 

Legende

Ausschuss Tagesordnung Drucksache
Bezirksverordnetenversammlung Aktenmappe Drucksachenlebenslauf
Fraktion Niederschrift Beschlüsse
Kommunalpolitiker/in Auszug Realisierung
   Anwesenheit Kleine Anfragen