Auszug - Position des Jugendamtes zu den Presseberichterstattungen zum Rassismus   

 
 
Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Kinder- und Jugendhilfeausschusses
TOP: Ö 3
Gremium: Kinder- und Jugendhilfeausschuss Beschlussart: erledigt
Datum: Do, 27.04.2023 Status: öffentlich/nichtöffentlich
Zeit: 17:15 - 19:14 Anlass: reguläre Ausschusssitzung
Raum: Haus 7, BVV-Saal
Ort: Bezirksamt Pankow von Berlin, 10405 Berlin, Fröbelstraße 17
 
Wortprotokoll

Herr BzStR Bechtler leitet in den TOP ein und erklärt den Anlass des TOPs. Dies war die Berichterstattung des Neuen Deutschlands über eine Veranstaltung in der Internationalen Wochen gegen Rassismus. Dabei wurde Jugendämtern pauschal rassistisches Handeln unterstellt. Das Jugendamt hat über diese Berichterstattung reflektiert.

Fr. Matthe erläutert die Maßnahme der Inobhutnahme von Kindern. In eine solche Inobhutnahme werden immer der JugDir, der zuständige BzStR und der Kinderschutzkoordinator mit einbezogen. Sie weist darauf hin, dass alleinerziehend zu sein oder mehr als ein Kind zu haben, kein „Makel“ sei, allerdings als Risikofaktor gelte ebenso wie die sozialen Umstände u.v.m. Ein Risikofaktor bedingt keine Inobhutnahme. Eine Inobhutnahme erfolgt immer nach dem Mehraugenprinzip. Es gibt auch Notsituationen, wie bspw. die stationäre Behandlung einer alleinerziehenden Mutter, in denen eine Inobhutnahme der Kinder erforderlich sein kann, um sicherzustellen, dass sich jemand um die Kinder kümmert.

Hr. Bandlow erläutert, dass über 80% der Inobhutnahmen mit dem Einverständnis der Eltern erfolgten oder ohne dass das Einverständnis bspw. wegen einer akuten Erkrankung eingeholt werden kann. Nur ca. 15-20% erfolgen gegen den Willen der Eltern. Das geschehe nur, wenn Kinder existenziell gefährdet seien. Eine Anhäufung von Risikofaktoren stellt keinen Grund für eine Inobhutnahme dar. Des Weiteren gebe es Fälle, in denen die betroffenen Kinder und Jugendlichen selbst um eine Inobhutnahme bitten. Bei einem Dissens zwischen Eltern und Jungendamt über die Inobhutnahme fällt nach 3 Tagen das Familiengericht eine Entscheidung über die Maßnahme.

Fr. Schneider erläutert den Hintergrund des Panels bei den Internationalen Wochen gegen Rassismus, auf dem die Berichterstattung des Neuen Deutschlands fußt. Sie habe Kontakt mit dem Verein, der das Panel organisiert hat, hergestellt, um die Kritikpunkte aufnehmen und reflektieren zu können. Das Jugendamt Pankow wurde beim Panel nicht selbst erwähnt, aber vom organisierenden Verein gab es die Rückmeldung, dass rassistische Erfahrungen auch mit dem Jugendamt Pankow gesammelt worden seien. Der Verein sieht Rassismus als Kindeswohlgefährdung. Vom Verein wurde betont, dass zur Verbesserung des Umgangs mit Familien mit Migrationserfahrung in der Beratung Sprachbarrieren abgebaut werden müssten und auf die Ombudsstelle hingewiesen werden sollte. Außerdem bilde das Jugendamt Pankow bisher nicht die vielfältige Zusammensetzung der Pankower Bevölkerung ab, was sich ändern müsse.

Das Jugendamt sieht sich trotz der anzuerkennenden Kritik bereits auf dem richtigen Weg. Es gibt bspw. seit längerer Zeit ein Gesprächsformat mit Migrantenselbstorganisationen, bei dem Beschwerdefälle anonymisiert angesprochen werden können. Die Beteiligung des Jugendamts an dem Format kann jedoch noch gestärkt werden. Daneben sei es wichtig, sich als Amt zu öffnen und selbst zu reflektieren, um Verhalten und Strukturen, wo notwendig, verbessern zu können.

Auf Nachfrage:

Es wird gelobt, dass das Amt selbst bereist Maßnahmen wie bspw. Fortbildungen unternimmt. Freie Träger machen das auch. Könnten solche Fortbildungen von Jugendamt und freien Trägern gemeinsam unternommen werden? Welche externen Möglichkeiten zur Fortbildung könnten genutzt werden?

In der Unter-AG Migration wurde darüber gesprochen, welche (externe) Expertise man heranziehen kann. Außerdem wird bereits seit längerem überlegt, ob man eine eigene AG nach §78 SGB VIII zu dem Thema gründen könnte. Des Weiteren sollte überlegt werden, ob man über Fallanalysen und Fallbesprechungen (Stichwort: Fallwerkstatt) Verbesserungsmöglichkeiten an den Einzelfällen, d.h. an konkreten Beispielen, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jugendamts herausarbeiten kann. Fortbildungen seien nicht alles, man brauche Kulturvermittlung. Dafür gäbe es im Jugendamt eine große Bereitschaft. Migrationssensibler Kinderschutz müsse aber auch über Fortbildungen vermittelt werden. Das Jugendamt verfolge diesen Ansatz bereits. Es ändere sich auch einiges über neues Personal, das teilweise zuvor für freie Träger gearbeitet hat, wo dieser Prozess teilweise schon etwas weiter ist.

Stimmt es, dass die Hälfte der Inobhutnahmen Menschen mit Migrationserfahrung betrifft? Wie viele Fälle aus Pankow wurden bei der Ombudsstelle angezeigt? Könnte man mehr Personal für das Jugendamt bspw. aus ehemaligen Family Guides gewinnen? Was sind die Hürden für Menschen mit Migrationserfahrung, im Jugendamt eine Arbeit aufzunehmen?

Die Kommunikation mit der Ombudsstelle läuft bisher noch schlecht, weil die Ombudsstelle unterbesetzt sei und sich auf Anfragen nicht melde. Für die Gewinnung von Personal mit Migrationserfahrung ist weniger die Qualifizierung hinderlich, die oft vorliegt, sondern Menschen mit Migrationserfahrungen müssen sich auch um Jobs im Jugendamt Pankow bewerben. Das geschehe bisher zu selten. Um das zu ändern, müsse das Jugendamt sein Image verbessern. Außerdem sollte die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen verbessert werden.

Es gibt leider keine genaue Statistik darüber, wie viele Menschen mit Migrationserfahrung von Inobhutnahmen betroffen sind, weil die Statistik nur erfasst, ob ein Kind ein ausländisches Elternteil hat. Tatsächlich hat etwa die Hälfte der in Obhut genommenen Kinder ein ausländisches Elternteil.


 
 

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