Tariftreue in der Pflege

Geldscheine, Münzen und nicht ausgefüllte Überweisungsformulare
Auf dieser Seite finden Sie Antworten auf häufig gestellte Fragen im Zusammenhang mit der der Tariftreueregelungen in der Pflege zum 1. September 2022. Die FAQs richten sich an zwei Zielgruppen:
  • (A) Pflegebedürftige Menschen und ihre An- und Zugehörigen und
  • (B) Pflege- und Betreuungskräfte

Pflegebedürftige Menschen und ihre An- und Zugehörigen

  • Warum steigen ab 1. September 2022 die Preise in der Pflege?
    Ab dem 1. September 2022 werden bundesweit nur noch Pflegeeinrichtungen und -dienste zur Versorgung zugelassen, die ihre Pflege- und Betreuungskräfte entweder
    • nach Tarif
    • analog der Höhe eines Tarifvertrags
    • mindestens dem Durchschnitt der regional geltenden Tariflöhne („regional übliches Entgeltniveau“ genannt)

    bezahlen. Das bestimmt das Bundesgesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG). Die gesetzliche Regelung wurde getroffen, um eine angemessene Bezahlung der bisher häufig schlecht bezahlten Pflegekräfte zu erreichen und dem bereits eingetretenen Pflegekräftemangel mit einer Erhöhung der Attraktivität des Pflegeberufes entgegenzutreten.

    Durch die Lohnanpassungen werden die Preise in der Pflege zum 1. September 2022 deutlich steigen, im Land Berlin um durchschnittlich 20 Prozent bei den nicht tarifgebundenen Einrichtungen und Diensten.

  • Was kann ich machen, wenn ich mir die neuen Preise nicht mehr leisten kann?

    Die Pflegeversicherung ist eine „Teilkostenversicherung“. Das bedeutet: Kosten, die die Pflegeversicherung nicht abdeckt, müssen pflegebedürftige Menschen selbst tragen. Da die Leistungsbeträge der Pflegeversicherung auch nach dem 1. September 2022 unverändert bleiben, sind die Kosten zur Umsetzung des Bundesgesetzes von Ihnen (den Versicherten) selbst zu tragen. Das wird sich in steigenden Eigenbeteiligungen widerspiegeln.

    Sofern Sie die notwendigen Pflegeleistungen nicht mehr selbst finanzieren können, besteht die Möglichkeit, beim zuständigen Sozialamt Ihren Bedarf zu melden und Leistungen der Hilfe zur Pflege prüfen zu lassen. Für notwendige Leistungen zur Bedarfsdeckung tritt der Sozialstaat ein, wenn die eigenen Mittel der Pflegebedürftigen (aus eigenem Einkommen oder Vermögen) dazu nicht ausreichen. Eine Kostenbeteiligung der Kinder für ihre Eltern greift erst ab einem Jahresbruttoeinkommen ab 100.000 Euro.

    Einen ersten Überblick, wohin Sie sich wenden können, finden bei den Sozialämtern:
    Sozialämter – Standorte – Service Berlin

    Sie können sich auch von den Berliner Pflegestützpunkten beraten lassen, ob für Sie auch weitere Entlastungsleistungen der Pflegeversicherung oder die Einbeziehung anderer Leistungserbringer in Frage kommen. Einen Überblick über die Pflegestützpunkte, die in allen Berliner Bezirken vertreten sind, finden Sie auf der Webseite der Plegestützpunkte.
    Pflegestützpunkte Berlin

  • Was tut das Land Berlin, um weitere finanzielle Belastungen der Pflegebedürftigen zu verhindern bzw. sie von den Mehrbelastungen ab dem 1. September 2022 zu entlasten?

    Das Land Berlin setzt sich auf Bundesebene vehement für eine schnelle Umsetzung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Reform der Pflegeversicherung ein. Konkret wird vorgeschlagen, die Pflegesachleistungsbeträge der Pflegeversicherung jährlich angemessen zu erhöhen. Außerdem sollen die bisher von den Pflegebedürftigen mit den Pflegeentgelten auch finanzierten Kosten der Ausbildung von Pflegefachkräften sowie in den Heimen die Kosten der Krankenpflege anderweitig finanziert werden, und so die Preise abgesenkt werden.

  • An wen kann ich mich wenden, wenn ich die Vermutung habe, dass das Pflegeheim ungerechtfertigt hohe Preise geltend macht?

    Ihr erster Ansprechpartner für die Richtigkeit der von der Pflegeeinrichtung geltend gemachten Preise ist Ihre Pflegekasse. Die Pflegekassen und der Sozialhilfeträger müssen bei den Preisvereinbarungen die gesetzlichen Grundlagen beachten und die geltend gemachten Kosten der Einrichtungen entsprechend prüfen. Die Pflegekassen veröffentlichen die mit den Pflegeeinrichtungen vereinbarten Preise. Sie finden diese zum Beispiel beim Pflegelotsen des vdek oder beim AOK-Pflegenavigator.

    Um die Kostensteigerung von Pflegeeinrichtungen überprüfen zu können, verschafft § 9 Abs. 2 S. 5 WBVG (Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz) den Pflegebedürftigen gegenüber der Einrichtung aber auch das Recht, Einsicht in die Kalkulationsunterlagen zu nehmen. Sollten Sie Klärungsbedarf zur Vergütungshöhe, den Vergütungsbestandteilen oder der Abrechnung haben, sollten Sie sich daher in erster Linie direkt an die Pflegeeinrichtung wenden. Benötigen Sie weitere Unterstützung, können Sie sich, neben der Beratung durch einen Rechtsanwalt bzw. eine Rechtsanwältin, als weitere Anlaufstellen an die Verbraucherzentrale Berlin und an die Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen e.V. (BIVA-Pflegeschutzbund) wenden. Der BIVA-Pflegeschutzbund wirbt auf seiner Internetseite unter der Telefonnummer: 0228-909048-44 mit einer Rechtsberatung zum Thema Pflege und Heimrecht.

Pflege- und Betreuungskräfte

Die Senatsverwaltung begrüßt die Lohnverbesserungen in der Pflege. Sie machen den Pflegeberuf attraktiver, verbessern die Arbeitsbedingungen in der Pflege und motivieren hoffentlich viele Menschen, eine Ausbildung in der Pflege zu beginnen oder im Pflegeberuf zu verbleiben. Das brauchen wir dringend.

  • Ich arbeite als Pflege- bzw. Betreuungskraft in einer Pflegeeinrichtung nach dem SGB XI, die bislang nicht nach Tarif bezahlt. Was ändert sich für mich ab 1. September 2022?

    Ist Ihr Arbeitgeber nicht tarifgebunden, hat er mehrere Möglichkeiten, die Vorgabe des Gesetzgebers umzusetzen. Er kann sich einem Tarifvertrag oder einer kirchlichen Arbeitsrechtsregelung anschließen oder analog der Höhe eines Tarifvertrages oder einer kirchlichen Arbeitsrechtsregelung entlohnen. Ein dritter Weg ist, ab 1. September 2022 eine Vergütung mindestens in Höhe des sogenannten regional üblichen Entgeltniveaus zu bezahlen. Für welche Option sich ein tarifungebundener Pflegeanbieter entscheidet, musste einrichtungsindividuell an die Pflegekasse gemeldet werden. Für Berlin ist bekannt, dass sich über 80 Prozent der tarifungebundenen Einrichtungen und Dienste für das „regional übliche Entgeltniveau“ entschieden haben. Eine veröffentlichte Übersicht zur Höhe kann Ihnen die AOK geben.

    Regional übliches Entgelt (AOK).

    Für Sie bedeutet dies in der Regel, dass Ihr Arbeitgeber Ihnen ab dem 1. September 2022 deutlich mehr Lohn zahlen muss. Im Landesdurchschnitt sind es 20 Prozent mehr. Der Durchschnitt der Löhne je Beschäftigtengruppe
    • Hilfspersonal
    • Assistenzpersonal
    • Fachpersonal

    ist in der Übersicht ausgewiesen.

  • Wie sieht die Verteilung von tarifgebundenen und tarifungebundenen Einrichtungen bzw. Diensten in Berlin aus?

    Rund 10 Prozent aller Berliner Pflegeeinrichtungen sind tarifgebunden, weitere 10 Prozent zahlen schon länger tarifanalog. Rund 80 Prozent aller Pflegeeinrichtungen, private und freigemeinnützige, sind bislang tarifungebunden. Sie zahlen bisher deutlich niedrigere Löhne.

  • Wie wird überprüft, dass mein Arbeitgeber die höheren Löhne auch tatsächlich an mich auszahlt?
    Die Pflegeeinrichtungen haben den Landesverbänden der Pflegekassen jeweils mitzuteilen, ob sie ihre Pflege- und Betreuungskräfte ab dem 1. September 2022
    • nach Tarif
    • analog der Höhe eines konkreten Tarifvertrags
    • mindestens dem Durchschnitt der regional geltenden Tariflöhne („regional übliches Entgeltniveau“ genannt)

    entsprechend bezahlen.

    Entsprechend müssen die Pflegeeinrichtungen, die analog Tarif oder mindestens nach dem Durchschnitt der regional geltenden Tariflöhne („regional übliches Entgeltniveau“ genannt) bezahlen, ihre Arbeitsverträge mit den Pflegekräften umstellen.

    Im Rahmen der Pflegesatzverhandlungen – also im Nachhinein – wird seitens der Kostenträger im Land Berlin (Pflegekassen und Sozialhilfeträger) regelmäßig eine genaue Prüfung der tatsächlich gezahlten angemessenen Entgelte nach Mitarbeitergruppen vorgenommen. Für die Prüfung der Zahlung der jeweiligen Tarife bzw. des regional üblichen Entgeltniveaus ab dem 1. September 2022 kommen dann noch Prüfrichtlinien des GKV-Spitzenverbandes hinzu.

  • An wen kann ich mich wenden, wenn ich vermute, dass mir mein Arbeitgeber nicht den gesetzlich angemessenen Lohn bezahlt?

    Ihre erste Ansprechperson ist Ihr Arbeitgeber oder auch die Mitarbeitendenvertretung an die Sie sich wenden können, wenn Ihr Lohn nicht mit dem in der veröffentlichten Übersicht zur Höhe Ihrer Beschäftigtengruppe passt.

    Übersicht Regional übliches Entgelt (AOK)

    Da die ausgewiesene Höhe der Löhne für den Durchschnitt der Beschäftigtengruppe gilt, kann eine vollständige Übereinstimmung nicht in jedem Einzelfall beim Arbeitgeber eingefordert werden. Sie können aber Ihren Arbeitgeber nach der Begründung für eine ggf. unterdurchschnittliche Bezahlung fragen.

    Gewerkschaftsmitglieder werden von der Gewerkschaft unterstützt.

  • Was sind die Voraussetzungen, dass ich als Beschäftige oder Beschäftigter einen Anspruch auf Lohnverbesserung gemäß der Tariftreueregelung habe?

    Die Tariftreueregelung ist auf alle Mitarbeitenden anzuwenden, die zu mindestens 50 Prozent in der Pflege und Betreuung tätig sind. Ebenso gehören dazu in der ambulanten Versorgung Pflegeleistungen nach dem SGB V (z. B. häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V), soweit die Mitarbeitenden nicht ausschließlich Pflegeleistungen außerhalb des SGB XI (z. B. nach dem SGB V) erbringen und dies arbeitsvertraglich auch ausdrücklich so vorgesehen ist. Ebenfalls sind Betreuungskräfte, die Leistungen nach § 43b SGB XI erbringen, zu berücksichtigen.

  • Ich bin als Verwaltungsfachkraft oder im hauswirtschaftlichen/ technischen Bereich in einem Pflegeheim angestellt. Gelten die gesetzlichen Tariflöhne auch für mich?

    Maßgeblich für die Anwendung der Tariftreueregelung ist, dass Sie mindestens zu 50 Prozent in der Pflege und Betreuung eingesetzt werden. Sofern Sie diese Voraussetzungen nicht erfüllen, findet diese Regelung keine Anwendung auf Sie.