Drucksache - VIII-1232  

 
 
Betreff: Missbilligung des stellvertretenden Bürgermeisters und Bezirksstadtrates Vollrad Kuhn
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion der CDUFraktion der CDU
   
Drucksache-Art:AntragAntrag
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Pankow von Berlin
02.09.2020 
34. ordentliche Tagung der Bezirksverordnetenversammlung Pankow von Berlin ohne Änderungen in der BVV beschlossen   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlagen:
Antrag Fraktion der CDU, 34. BVV am 2.9.2020
Namentliche Abstimmung VIII_1232

Die Bezirksverordnetenversammlung Pankow von Berlin spricht dem Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn wegen fortgesetzter Missachtung der BVV und ihrer Gremien, ihrer Beschlüsse und Arbeitsaufträge gem. § 55 GO BVV die Missbilligung aus.


Begründung:

Mangelhafte Information der Bezirksverordnetenversammlung

Die Bezirksverordnetenversammlung bestimmt die Grundlinien der Verwaltungspolitik des Bezirks im Rahmen der Rechtsvorschriften und der vom Senat oder den einzelnen Mitgliedern des Senats erlassenen Verwaltungsvorschriften. Sie regt Verwaltungshandeln an durch Empfehlungen und Ersuchen, kontrolliert die Führung der Geschäfte des Bezirksamts, entscheidet in den ihr vorbehaltenen Angelegenheiten und nimmt die in diesem Gesetz vorgesehenen Wahlen, Abberufungen und Feststellungen vor. Sie kann über alle Angelegenheiten vom Bezirksamt jederzeit Auskunft verlangen.“ [1]

Um diesen Aufgaben, insbesondere der Kontrolle der Führung der Geschäfte des Bezirksamtes nachzukommen, bedarf es der Unterrichtung der BVV und ihrer Gremien, wie es §15 Bezirksverwaltungsgesetz (BezVG) regelt. Hier heißt es: „Das Bezirksamt unterrichtet die Bezirksverordnetenversammlung rechtzeitig und umfassend über die Führung der Geschäfte und die künftigen Vorhaben. Dazu gehören auch abzuschließende Ziel- und Servicevereinbarungen.“

Derartige Vereinbarungen hat der Ausschuss für Stadtentwicklung und Grünanlagen mit dem Bezirksamt, hier der Abteilung für Stadtentwicklung und Bürgerdienste abgeschlossen. Eines der wichtigsten bereits in der vergangenen Legislaturperiode etablierten Instrumente ist in Funktion eines „Frühwarnsystems“r stadtentwicklungspolitisch bedeutsame Vorhaben im Bezirk Pankow, die sog.  Bauliste. Diese Übersicht ist den Mitgliedern des Ausschusses für Stadtentwicklung und Grünanlagen monatlich zu übergeben.

In den vergangenen Monaten wurden die Baulisten häufig nicht fristgerecht übergeben. In mehreren Fällen waren die Listen nicht vollständig oder stellten Inhalte von Vorhaben missversndlich dar.

Die fortgesetzte Nichteinhaltung der getroffenen Vereinbarung durch das Bezirksamt widerspricht dem Bezirksverwaltungsgesetz und verhindert die Kontrolle desselben durch die BVV. Das wohl prominenteste Beispiel stellen die Vorgänge und das Kino Colosseum dar.

 

Verwaltungshandeln entgegen Beschlüssen und Voten der BVV und ihrer Gremien

Bauvorhaben von stadtentwicklungspolitischer Bedeutung sollen, so sieht es die oben genannte Vereinbarung vor, zu einem frühen Zeitpunkt in den dafür zuständigen Ausschüssen vorgestellt werden. Dies geschieht durch Anmeldung des Bezirksamtes oder, wenn es dieses vereinbarungswidrig unterlässt, durch Mitglieder der Ausschüsse oder Fraktionen.

Die Abteilung für Stadtentwicklung und Bürgerdienste hat in der Vergangenheit mehrfach entgegen Voten und Beschlüssen in Ausschüssen agiert, Planungen vorangetrieben, Maßnahmen umgesetzt und Verwaltungsakte erlassen, obwohl Maßnahmen, die dem angeregten Verwaltungshandeln nicht voll entsprechen, nicht vor Kenntnisnahme durch die Bezirksverordnetenversammlung zu vollziehen sind[2].

Als jüngstes Beispiel kann hier die Erteilung einer Baugenehmigung für das Grundstück Storkower Straße 142-146 dienen. Im Jahr 2019 hat der Ausschuss für Stadtentwicklung und Grünanlagen dem Bezirksamt die Aufstellung eines Bebauungsplanes für das Gelände zwischen Storkower Straße, der Straße in Verlängerung des Syringenwegs, S-Bahnhof Landsberger Allee, S- und Fernbahntrasse der Ringbahn und dem Grundstück Storkower Straße 118 A im Bezirk Pankow, Ortsteil Prenzlauer Berg mit dem Ziel einer geordneten städtebaulichen Entwicklung und einer Sicherung der äeren verkehrlichen Erschließung empfohlen. Den Aufstellungsbeschluss hat die BVV am 14. August 2019 mit Drucksache VIII-0885 zur Kenntnis genommen. Im Verlauf der Diskussionen zu diesem Vorgang haben sowohl der Ausschuss für Verkehr und öffentliche Ordnung als auch der Ausschuss für Stadtentwicklung und Grünanlagen aufgrund der unzureichenden und nicht plausiblen Darstellungen durch das Bezirksamt die Übergabe einer verkehrlichen Untersuchung mehrfach gefordert und die Abwickelbarkeit der durch die Bauvorhaben induzierten Verkehre zur Voraussetzung für die Erteilung einer Baugenehmigung gemacht und explizit auf die Möglichkeit der Zurückstellung von Baugesuchen hingewiesen[3]. Am 20. August 2020 wurde dieses Gutachten den Mitgliedern des Ausschusses für Verkehr und öffentliche Ordnung vorgestellt. Im Ergebnis wurde deutlich, dass sowohl der induzierte fließende als auch der ruhende Verkehr im Bestand nicht abzuwickeln ist. Erst auf mehrfache Nachfrage erklärte das Bezirksamt, dass es entgegen der Forderungen der beiden Ausschüsse bereits am 14. Juli 2020 eine Baugenehmigung erteilt hat.

Auch die Vorgänge um den Bebauungsplan 3-69 „Ehemalige Industriebahntrasser die Grundstücke südlich des Schmöckpfuhlgrabens auf der ehemaligen Industriebahntrasse bis zur Hödurstraße, Sleipnerplatz sowie Abschnitte der Wiesenstraße, der Frithjofstraße und der Mimestraße im Bezirk Pankow, Ortsteile Blankenburg und Heinersdorf, das Vorhaben Pankower Tor oder das Bauvorhaben Gartenstraße 32/33 fallen in diese Kategorie.

 

Fehlende Umsetzung von Beschlüssen der BVV Pankow

Das Bezirksverwaltungsgesetz regelt in §13 Abs. 1, dass Maßnahmen des Bezirksamtes aufgrund von Empfehlungen und Ersuchen der Bezirksverordnetenversammlung dieser unverzüglich zur Kenntnis zu bringen sind.

Die Geschäftsordnung der Bezirksverordnetenversammlung Pankow von Berlin gibt dem Bezirksamt für Beschlüsse ohne Fristsetzung mit §67 GO BVV vor, dass über Maßnahmen des Bezirksamtes aufgrund von Beschlüssen der BVV bis zur zweiten der Beschlussfassung folgenden Tagung zu berichten ist.

In Zuständigkeit der Abteilung Stadtentwicklung und Bürgerdienste, die der stellvertretende Bürgermeister, Herr Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn, leitet, befinden sich ausweislich des Ratsinformationssystems Allris[4] mit Stand vom 25.August 2020 seit dem 3. Oktober 2016 353 (davon 309 fällige) Beschlüsse der BVV. Von diesen 309 fälligen Beschlüssen wurden 46 innerhalb der Frist bearbeitet (14,8%). 133 weitere Beschlüsse wurden durch Schlussberichte außerhalb der Frist erledigt (43%). Nach wie vor trotz verstrichener Frist nicht erledigt sind 131 Beschlüsse der BVV. In Summe wurden von der Abteilung Stadtentwicklung und Bürgerdienste trotz verschiedentlicher Interventionen durch Bezirksverordnete, Ausschüsse und Fraktionen in der aktuellen Wahlperiode 74,8% der ihr zugeteilten Drucksachen der BVV entweder nicht oder nicht fristgerecht bearbeitet.


[1] §12 Abs. 1 BezVG „Zuständigkeit der Bezirksverordnetenversammlung“

 

[2] §13 Abs. 2 BezVG „Empfehlungen und Ersuchen der Bezirksverordnetenversammlung“

[3] § 15 BauGB

 
 

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