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Drucksache - VII-1126
Siehe Anlage
Vorlage zur Kenntnisnahme Betr.: Benennung eines öffentlichen Platzes im Ortsteil Niederschönhausen in „Selma- und Paul-Latte-Platz“
Wir bitten zur Kenntnis zu nehmen: Gemäß § 15 Bezirksverwaltungsgesetz (BezVG) wird berichtet: Das Bezirksamt hat in seiner Sitzung am folgenden Beschluss gefasst:
Die platzartige öffentliche Fläche im Bereich der Beuthstraße, Buchholzer Straße, Charlottenstraße wird in „Selma- und Paul-Latte-Platz“ benannt. Die Lage der Straße ist auf dem beiliegenden Plan erkennbar. Begründung Die Benennungsabsicht wurde der Bezirksverordnetenversammlung gemäß § 15 BezVG als Vorlage zur Kenntnisnahme übergeben. Die Vorlage wurde am 02. März 2016 in der 38. ordentlichen Tagung der Bezirksverordnetenversammlung mit Abschlussbericht zur Kenntnis genommen.
Die Mitglieder der Stolpersteingruppe, Frau Dr. Gudrun Schottmann und Christof Kurz, beantragten die Benennung des Platzes. Paul Latte wurde am 2. Oktober 1878 in Bromberg (heute: Bydgoszcz/Polen) in der Provinz Posen geboren, seine Frau Selma kam am 21. Juni 1878 in Moschin, ebenfalls in der Provinz Posen, als Tochter der Eheleute Nathan und Flora Noah zur Welt. Paul Latte war Flaschenhändler in Berlin-Pankow in der Buchholzer Str. 23–31. Hier stellte er Anfang 1934 dem Jugendpflegedezernat der Jüdischen Gemeinde Berlin einen Teil seines Fabrikgeländes für eine Ausbildungswerkstätte für junge jüdische Menschen zur Verfügung. Es handelte sich um eine Umschichtungsstelle, ein so genanntes Hachschara-Lager mit Lehrwerkstätten, einem großen Garten und Wohnbaracken für junge Frauen und Männer, die sich für die Emigration (Hachschara: Tauglichmachung) vorbereiten sollten. 49 junge Männer und Frauen begannen 1934 eine Ausbildung in der Tischlerei, Schlosserei, Schmiede und in der Hauswirtschaft, um sich als Handwerker für eine Auswanderung nach Palästina oder den USA vorzubereiten. 1936 wurde auf dem Gelände zusätzlich für ca. 200 Jungen und Mädchen im Alter von 14-16 Jahre, denen es mittlerweile verboten war eine Lehre zu beginnen, eine einjährige „Tagesschule für Berufsvorlehre“ eingerichtet. Neben der Ausbildung stellte die Umschichtungsstelle für die ausgegrenzten und verfolgten Jugendlichen für einen kurzen Zeitraum auch einen gewissen geschützten Raum dar. Durch die erworbenen handwerklichen Fähigkeiten konnten etliche der dort ausgebildeten jungen Menschen ein Arbeitszertifikat für Palästina und andere Länder erlangen und so der später erfolgenden Deportationen und Ermordung entkommen. Beide Einrichtungen haben bis ca. 1938 bestanden. Paul Latte wurde enteignet und musste mit seiner Frau Selma nach Hermsdorf in ein so genanntes „Judenhaus“ ziehen. Die Familie Latte – das waren Paul, seine Schwester Henriette Willhelm, seine Frau Selma, deren Schwestern Regina und Rosa Noah und die Ehemänner der Schwestern sowie die Brüder Ephraim und Adolf Broh lebten dort im Falkentaler Steig 16. Von hier aus wurden Paul und Selma Latte am 13. Januar 1943 mit weiteren 98 Personen nach Theresienstadt deportiert. Über 60.000 Mark musste Paul Latte für die Deportation dorthin zahlen. Er verstarb dort am 24. Januar 1943, Selma Latte am 16. Juli 1943. Die Geschichte des ehemaligen Hachscharah-Lagers an der Buchholzer Straße 23-31 im heutigen Ortsteil Niederschönhausen steht beispielhaft für die Selbstbehauptung der von Diskriminierung und Ausgrenzung bedrohten jüdischen Bevölkerung. Dieser historische Ort ist sowohl für seine damalige Größe als auch seine innerstädtische Lage von besonderer Bedeutung. Die bislang erfolgte Quellenrecherche belegt die Existenz des Lagers auf dem ehemaligen Fabrikgelände des Flaschenhändlers Paul Latte zwischen 1934 bis 1938 und verweist durch die überlieferte Verfolgungsgeschichte von Paul und Selma Latte auf die Ausgrenzung und Enteignung jüdischer Gewerbetreibender bis zu deren Ermordung. Mit der Benennung des bislang namenlosen Platzes in unmittelbarer Lage zu dem historischen Gelände besteht die Möglichkeit, an die obige Geschichte und deren Opfer im Stadtraum zu erinnern und damit zugleich über die bislang weitgehend verschüttete und lediglich dem ländlichen Raum zugeordneten Geschichte der Hachscharahlager inmitten des Ortsteils Niederschönhausen zu informieren. Das Benennungsvorhaben wird vom Amt für Weiterbildung und Kultur, Fachbereich Museum/Bezirkliche Geschichtsarbeit ausdrücklich befürwortet. In ihrer Sitzung am 9. Juli hat die Gedenktafelkommission die Aufnahme des Vorschlages zur Würdigung des Schicksals von Selma und Paul Latte und der Geschichte des ehemaligen Fabrikgeländes zwischen 1933 und 1945 parallel zur Platzbenennung durch die Aufstellung einer Gedenk- und Erinnerungstafel beschlossen.
Da es keine Anlieger an diesem Platz gibt, entfällt ein Informationsschreiben. Die Abfrage bei den übrigen Straßen- und Grünflächenämtern Berlins und beim Amt für Statistik Berlin-Brandenburg hat ergeben, dass keine gleichen Benennungsabsichten bestehen sowie gleiche oder gleichlautende Straßenbezeichnungen in Berlin nicht vorhanden sind.
Das Benennungsverfahren soll entsprechend § 5 Abs. 1 Satz 1 Berliner Straßengesetz durchgeführt werden. Haushaltsmäßige Auswirkungen Die Kosten für die Aufstellung von Straßennamenschildern betragen 201,02 € und werden aus dem Kapitel 3800, Titel 52101 – Unterhaltung des Straßenlandes – finanziert. Gleichstellungs- und gleichbehandlungsrelevante Auswirkungen keine Auswirkungen auf die nachhaltige Entwicklung keine Kinder- und Familienverträglichkeit entfällt Anlage Lageplan
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