Drucksache - 0307/VIII  

 
 
Betreff: Integrationshemmnis für Flüchtlinge beseitigen
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion der AfDFraktion der AfD
Verfasser:Nedderhut, Joachim 
Drucksache-Art:AntragAntrag
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Entscheidung
18.05.2017 
Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Marzahn-Hellersdorf in der BVV abgelehnt   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlagen:
1. Antrag PDF-Dokument
2. Wortprotokoll PDF-Dokument

Die BVV möge beschließen:

 

Dem Bezirksamt wird empfohlen, bei den zuständigen Behörden Informationen einzuholen, ob sich unter den Flüchtlingen in MaHe Gefährderinnen und Gefährder, Taliban, Salafisten und Gewaltverbrecher anderer Art befinden und falls ja, die Bevölkerung umfassend über den Wohnort dieser Personen zu informieren.


Vorsteherin:

Dann kommen wir zur nächsten Priorität – die Drucksache 307. Das ist die Priorität der Fraktion der AfD – ein Antrag – „Integrationshemmnis für Flüchtlinge beseitigen“. Die Fraktion hat das Wort. Herr Nedderhut, bitte schön.

 

Herr Nedderhut:

Sehr geehrte Frau Vorsteherin, werte Bezirksverordnete, sehr geehrte Gäste,
ein sehr wichtiges Merkmal unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens ist Vertrauen. Ohne Vertrauen wäre ein friedliches, auf gegenseitige Achtung basierendes Zusammenleben nicht möglich. Wir erinnern uns an die Kolonnen von Flüchtlingen, die über die Autobahnen liefen, an den treuherzigen Blick der Kanzlerin und ihre Worte: „Wir schaffen das!“.
Viele Mitbürger engagierten sich daraufhin in der Flüchtlingshilfe. Mahnende Stimmen fanden kaum Gehör bzw. wurden niedergebrüllt.
Leider kamen mit den Flüchtlingen auch Verbrecher, natürlich nur in Einzelfällen, in unser Land. IS-Kämpfer, Taliban und andere ideologisch Verblendete hatten ihre Pässe verloren, wussten ihren Namen, ihr Alter und ihre Herkunft nicht. Trotzdem bekamen sie als syrische Flüchtlinge Asyl in unserem Land. Sogar ein deutscher Offizier wurde als syrischer Flüchtling anerkannt. Ganz viele nahmen verschiedene Identitäten an und kassierten mehrfach Leistungen. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Flüchtlingspolitik und in die Flüchtlinge ist dadurch nachhaltig gestört.
Nach wie vor ist das Ziel unserer Politik die Integration der zahlreichen Flüchtlinge. Dazu sollen sie Wohnungen auch in den Großsiedlungen beziehen. Bei einer unkontrollierten Wohnungszuweisung besteht nun die Gefahr, dass neben ehrlichen Flüchtlingen auch die zuvor genannten Verbrecher Wohnungen in Marzahn-Hellersdorf beziehen. Keinem Einwohner von Marzahn-Hellersdorf ist es zuzumuten, Tür an Tür mit diesen Verbrechern in ständiger Gefahr für die eigene Gesundheit und das Leben zu wohnen. Nur durch die energische und beharrliche Nachfrage bei den zuständigen Behörden über das mögliche Gefahrenpotenzial und vollkommene Transparenz wird es gelingen, Vorbehalte in der Bevölkerung gegenüber Flüchtlingen abzubauen und eine auf Vertrauen basierende Integration erfolgreich zu gestalten.

Ich bitte um Zustimmung für diesen Antrag. Danke.

 

Vorsteherin:

Herr Geidel, bitte schön.
 

Herr Geidel:

Sehr verehrte Vorsteherin, verehrte Verordnete, liebe Gäste,
ich fand es erstmal sehr interessant, dass sich auch die AfD jetzt mit dem Thema innere Sicherheit und Extremismus und Islamismus beschäftigt. Ich finde, das ist ein wichtiges Thema. Ich finde, das treibt auch viele Menschen um.
Ich habe mir neulich das AfD-Parteiprogramm angeschaut und da steht drin, dass sich die Partei gegen jede Art von Extremismus ausspricht, explizit Islamismus, Linksextremismus und Rechtsextremismus. Dann habe ich mir mal die Extremismuszahlen oder die Terrorzahlen in Deutschland angeschaut und siehe da, wir haben seit 1990 in 23 Fällen Todesfälle durch islamistische Extremisten. Als ich mir dann die Zahlen für Linksextremismus angeschaut habe, waren es acht – auch eine ganze Menge – und bei Rechtsextremismus 158. 158 Menschen sind in den letzten 27 Jahren in Deutschland durch rechtsextreme Straftaten zu Tode gekommen. Das heißt, die Menschen haben zwar allen Grund, auch islamistische Extremisten zu fürchten, aber umso mehr natürlich Rechtsextremisten.
Sie sagen hier ganz klar, keinem Einwohner ist es zuzumuten, Tür an Tür mit solchen Verbrechern zu wohnen. Daher ist meine Frage an die AfD: Wie sehen Sie das eigentlich, sollte der deutsche Staat auch Adressen und Wohndaten von Menschen, die Mitglied in rechtsextremen Organisationen sind, freigeben, oder in der Öffentlichkeit rechtsextreme Personen lobhuldigen oder gar NS-Verbrechern huldigen? Sollten diese Zahlen auch veröffentlicht werden oder wie steht die AfD dazu?

 

Vorsteherin:

Herr Tielebein.

 

Herr Tielebein:

Sehr geehrte Frau Vorsteherin, meine sehr verehrten Damen und Herren,
die Fraktion DIE LINKE wird diesen Antrag heute ablehnen, und ich möchte Ihnen dafür zwei Gründe nennen:

Die Überschrift dieses Antrages suggeriert, es würde tatsächlich darum gehen, Integrationshemmnisse zu beseitigen. Aus unserer Sicht sind Integrationshemmnisse der mangelnde Zugang zu Arbeit, zu Wohnraum, zu Bildung, zu sozialen Angeboten, zu gemeinsamen Aktivitäten von Nachbarschaften und ähnlichem. Um eine Integration zu ermöglichen, sind das Punkte, die dringend realisiert werden müssen.
Im Antragstext selber geht es dann tatsächlich um Fragen der inneren Sicherheit. Wir sind der Auffassung, dass wir uns an Recht und Gesetz halten sollten. Und es fällt nicht in das Aufgabengebiet eines Bezirksamtes, im Land Berlin selber jetzt zum Sheriff zu werden und zu schauen, wo sind mögliche Verbrecher und darüber dann möglicher Weise noch Veröffentlichungen zu machen. Wir wollen die Sicherheitsorgane in diesem Land stärken und stützen. Die Polizei und die anderen Sicherheitseinrichtungen brauchen hier das Vertrauen und die Unterstützung auch der Politik. Sie sind zuständig für solche Fragen. Im Land Berlin ist das sehr deutlich in der Einheitsgemeinde geregelt. Für Sicherheitsbehörden ist auch das Land und der Senat zuständig und nicht die Bezirksämter.
Wir hätten eher Angst vor einer Situation, wo alle möglichen Bezirksämter, die nicht damit beauftragt sind, solche Sicherheitsfragen in irgendeiner Form anzugehen, selbständig anzupacken und zu bewältigen. Wir stehen an der Stelle ganz klar zu dem Grundgesetz und zu den Gesetzen, die in diesem Land gelten. Wir würden uns wünschen, dass Sie ernsthafte Vorschläge zur Beseitigung von Integrationshemmnissen in diesem Land machen. Ich habe drei Punkte genannt, wo das dringend notwendig ist. Sie haben nachher die Möglichkeit, beim Antrag, wo es darum geht, Zugang zu Wohnraum für geflüchtete Menschen zu schaffen, zu zeigen, dass Sie Integrationshemmnisse abbauen wollen.
Ansonsten, dahinten sitzt eine Kollegin der Berliner Polizei, wollen wir diese unterstützen, am liebsten übrigens, um den Schlenker zu machen, mit mehr Beamtinnen und Beamten auf der Straße und weniger mit Kameras, denn nur dadurch kann dann auch tatsächlich Sicherheit in irgendeiner Form gewährleistet werden.


 

Vorsteherin:

Herr Dr. Pfeifer.

 

Herr Dr. Pfeifer:

Frau Vorsteherin, werte Bezirksverordnete, Herr Nedderhut,
es ist tatsächlich so, dass die Überschrift des Antrags, der Antragstext und die Begründung nicht unbedingt in einer Erwartungslinie liegen. Ich kann mir vorstellen, dass Sie beim Verfassen des Textes schon ein bisschen gefeixt haben. Das sei Ihnen auch herzlich gegönnt. Nichts desto weniger ist dieses Thema ernst. Und es ist ernst in einer wesentlichen, umfassenderen Weise, als Sie es hier in dem Antrag formulieren.
Herr Tielebein hat es gesagt, zur Integration gehört mehr. Es gehört aber auch dazu, dass wir uns nicht in Missverständnisse hinein manövrieren, zum Beispiel verschiedene Extremismus-Arten gegeneinander ausspielen. Da stimme ich Ihnen, Herr Geidel, nicht so ganz zu. Also jedes Opfer, ob es nun tot ist oder anderweitig zu Schaden gekommen ist, ist ein Opfer zu viel. Durch welche Extremismus-Art ist - ehrlich gesagt - scheißegal.
Ich denke, und dafür plädieren wir als CDU-Fraktion, dass das Thema ausführlicher, mit Ernsthaftigkeit und umfassend im dem Ausschuss diskutiert wird, wo es hingehört, in den Integrationsausschuss.

 

Vorsteherin:

Danke, Herr Dr. Pfeifer. Es ist der Antrag gestellt worden, die Drucksache 0307/VIII in den Ausschuss für Integration zu überweisen.
Herr Keßler.

 

Herr Keßler:

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Vorsteherin, Herr Dr. Pfeifer,
ich möchte Ihnen zupflichten. Sie haben sehr viel Wahres und Richtiges gesagt. Herr Geidel, wir sind gegen jegliche Form von Gewalt und Extremismus. Wir sind für die Einhaltung der Gesetze.
Wenn Sie sagen, was passiert mit einem Straftäter, der seine Haftstrafe verbüßt hat, weil er eine Tat begangen hat, die nicht der Rechtsordnung unseres Landes entsprach, dann muss man differenzieren und deutsche Staatsbürger haben dann natürlich auch die Möglichkeit, wieder in ihr Leben in Deutschland zurück zu kommen. Aber wir müssen natürlich auch uns Gedanken darüber machen, wie gehen wir mit den Menschen um, die hier her kommen, die unsere Rechtsordnung nicht achten, die unsere Gesellschaft missachten und die uns als Gastgeber nicht wohlgesonnen sind. Und da sind die Fragen, die Herr Nedderhut aufgeworfen hat, schon durchaus berechtigt.
Es ist ja wirklich so, wenn ich jetzt irgendwo wohne und in der Nachbarwohnung ziehen drei junge Männer ein aus dem arabischsprachigen Raum, dann mache ich mir erstmal Gedanken. Das ist ja auch ganz normal. Das wird vielen anderen Menschen auch so gehen. Da würde es natürlich sehr zuträglich sein, wenn dann die Mieter sicher sein könnten, dass diese Nachbarn auf dem Boden unseres Gesetzes stehen und unsere Ordnung achten.
Das heißt aber auch im Umkehrschluss, dass solche Menschen, die als Extremisten, die als Gefährder schon bekannt sind bzw. die zum Beispiel eine Duldung bekommen, weil sie als Taliban nicht nach Afghanistan abgeschoben werden können, weil ihnen dort die Folter droht, dass solche Menschen eben nicht zu unseren Nachbarn werden.
Da können Sie jetzt alle aufschreien und können sagen, um Gottes Willen, wie fremdenfeindlich ist das dann, aber stellen Sie sich doch mal vor, eine Familie wohnt Wand an Wand mit solch einem Straftäter, der vielleicht als Taliban einen Sohn der Familie, der bei der Bundeswehr in Afghanistan gedient hat, bekämpft hat, ihn vielleicht sogar getötet hat – das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.
Ja, Sie verdrehen jetzt die Augen, Herr Geidel. Das sind Dinge, die man sich einfach überlegt, wenn man sich mit diesem Problem beschäftigt. Und wenn uns dann solche Dinge bekannt werden, wie vor zwei Tagen das Versagen des Berliner Landeskriminalamtes im Fall Anis Amri, stellen Sie sich mal vor, wie die Opfer dieses Menschen bzw. die Hinterbliebenen die Arbeit unseres Staates und unserer Behörden einschätzen. Ihre Angehörigen könnten noch leben, wenn das Landeskriminalamt reagiert und dieses Anis Amri als Drogenhändler, als Intensiv-Drogenhändler festgenommen hätte.
Man muss sich mit diesen Themen einfach beschäftigen. Das hat nichts mit Fremdenfeindlichkeit zu tun. Ich unterstütze den Antrag von Herrn Pfeifer und ich denke, wir sollten im Ausschuss, im zuständigen Ausschuss darüber noch mal debattieren.

 

Vorsteherin:

Herr Dahler hat sich gemeldet und dann nochmal Herr Dr. Pfeifer.

 

Herr Dahler:

Frau Vorsteherin, meine Damen und Herren,
ist ja eine interessante Debatte. Ich hab mir den Antrag mehrfach durchgelesen und bin ein bisschen jetzt schon verwundert auch über die verschiedenen Ausführungen. Wir können über alles im Ausschuss für Integration diskutieren, das ist natürlich klar, aber wenn hier dargestellt wird und das bereits zum wiederholten Male, dass in der Öffentlichkeit irgendwelche Angaben über andere Menschen verbreitet werden sollen, dann verweise ich mal auf das Grundgesetz unseres Landes. Das Grundgesetz regelt 1., dass alle Menschen, die in unserem Land sich aufhalten, gleichermaßen behandelt werden. Wenn hier unterschieden wird von Bio-Deutschen und zugewanderten Menschen und Straftätern deutscher Art oder ausländischer Art, dann verstößt das gegen mein Rechtsverständnis. Das will ich in aller Deutlichkeit sagen.
Sie haben mit dem Antrag den Eindruck erweckt, dass die Flüchtlinge, Sie haben das ja eben noch erläutert, da wohnt der Taliban gegenüber dem Anderen, so besonders die Aufmerksamkeit von uns verlangt. Herr Geidel hat richtiger Weise gesagt, was ist eigentlich mit den Straftätern, die rechtsextrem, rassistisch und anders sind. Wollen wir das auch veröffentlichen? Nein, wir wollen das nicht veröffentlichen. Wir wollen keine Angaben über Personen veröffentlichen, weil wir das Grundgesetz unseres Landes achten, deshalb wollen wir das nicht. Ich finde, so ein Rechtsverständnis als Bezirksverordnetenversammlung von Marzahn-Hellersdorf – wir sind ein Verfassungsorgan. Wir sind nicht hier mal eine Ansammlung von Menschen, die sich mal hier treffen und mal über irgendetwas reden, wie wir das in einer Kneipe oder irgendwo anders machen können. Wir sind ein Verfassungsorgan. Wir können doch nicht im Ernst über einen Antrag diskutieren, der sagt, dass irgendwelche Angaben öffentlich gemacht werden sollen für die Bewohnerinnen und Bewohner. Wir haben solche Diskussionen schon gehabt übe Sexualstraftäter, über Straftäter anderer Art usw. und das ist zu Recht von den Gerichten der Bundesrepublik Deutschland immer abgewiesen und zurückgewiesen worden, weil das nach unserem Grundgesetz nicht möglich ist.
Das will ich hier nur in der Deutlichkeit sagen, weil, mich ärgert das, dass hier so ein Rechtsverständnis ist, das entgegen dieser Haltung des Grundgesetzes besteht, und dass dem hier keiner widerspricht und sagt, nee, das können wir doch gar nicht machen, weil das rechtswidrig ist, grundgesetzwidrig.

Das Zweite, was mich hier wirklich ärgert, ist, na selbstverständlich gibt es Straftäter unter Flüchtlingen und selbstverständlich gibt es Straftaten, die wir in aller Form auch verurteilen. Und es gibt Vorgänge, die wir uns bis heute nicht erklären können - das Berliner Abgeordnetenhaus hat über solche Vorgänge heute diskutiert und dazu auch beraten -, aber da gibt es auch Zuständige. Unser Verfassungsorgan hat das geregelt. Das Grundgesetz hat geregelt, wer da zuständig ist. Da ist nicht zuständig die Bezirksverordnetenversammlung von Marzahn-Hellersdorf. Zuständig ist die Polizei. Zuständig sind die Schutz- und Sicherheitsorgane der Bundesrepublik Deutschland, die das entsprechend einschätzen müssen. Das Parlament, das Abgeordnetenhaus von Berlin, als Verfassungsorgan kann das kontrollieren. Das ist die Tatsache. Und nicht, dass wir hier den Eindruck in der Öffentlichkeit sozusagen
machen, wir als BVV regen jetzt mal an, dass wir hier grundgesetzwidrig handeln. Das weise ich in aller Form zurück. Danke.

 

Vorsteherin:

Danke, Herr Dahler. Jetzt haben wir auf der Rednerliste Herrn Dr. Pfeifer, dann Herrn
Ostertag und dann Herrn Keßler und Herrn Nedderhut und dann würde ich gerne über die Überweisung in den Ausschuss abstimmen.

 

Herr Dr. Pfeifer:

Frau Vorsteherin, werte Bezirksabgeordnete, ich bin nicht von geburtswegen ein Integrationspolitiker, aber von berufswegen befasse ich mich mit psychisch Kranken und da gibt es
Parallelen, deswegen verstehe ich das besser. Natürlich gibt es einige psychisch Kranke, die gewalttätig sind, aber ich kann nicht über dieses Problem einiger das Thema der Integration psychisch Kranker diskutieren. Wir dürfen uns das Thema Integration nicht atomisieren lassen in einzelne kleine Aspekte, sondern es muss mit Ganzheitlichkeit diskutiert werden. Und dem dient tatsächlich die Überweisung in den Ausschuss. Insofern freue ich mich, dass Herr Keßler dem zugestimmt hat.

 

Vorsteherin:

Herr Ostertag.

 

Herr Ostertag:

Sehr geehrte Frau Vorsteherin, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebes Bezirksamt, liebe Gäste,
neben dem rechtlichen Aspekt, den Herr Dahler gerade eben ausgeführt hat, würde ich ganz gerne noch einmal den menschlichen Aspekt hervorheben, weswegen ich mit diesem Antrag nicht nur das Problem, dass er auch aus meiner Sicht grundgesetzwidrig ist, sondern dass sich darin – und Herr Keßler hat es ja schon gesagt – wir können es jetzt tausend Mal sagen, warum – ich möchte es jetzt wenigstens einmal gesagt haben, warum: Weil in den Ausführungen, die Sie gerade gemacht haben, auch wieder gezeigt hat, dass Sie grundsätzlich ein Problem mit Individualismus zu haben scheinen.
Das Sein bestimmt das Bewusstsein, das mag bei Herrn Dr. Pfeifer genauso sein, wie bei mir. Ich habe drei ¼ Jahre meines Lebens in Neukölln-Nord in einem Haus gelebt, in dem, ich glaube, sieben oder acht verschiedene Nationalitäten Wohnungen angemietet hatten – Menschen aus der Türkei, aus Ägypten, aus Korea, einige andere, die mir jetzt gerade nicht einfallen und Menschen, die in Deutschland geboren waren. Einige von denen, die in diesem Haus lebten, waren sogar in diesem Haus geboren worden. Und wenn eine neue Mietpartei eingezogen ist, haben wir uns allesamt wenig gefragt, ob sie aus der Türkei oder aus Ägypten oder einem sonstigen arabischen Land gekommen sind, sondern wir haben an der Tür geklingelt und uns vorgestellt, was, soweit ich weiß, gute Nachbarschaftspflege ist und in Deutschland eigentlich schon immer so üblich war.
Wenn ich zu allererst frage, woher kommt der Mensch, bevor ich frage, was ist mein Nachbar überhaupt für ein Mensch als Individuum, dann ist das etwas, was wir soziologisch bezeichnen als gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und das steht hinter diesem Antrag und das erschüttert mich zutiefst.
Denn wenn ich immer wieder darüber nachdenken muss, woher jemand kommt, kann ich nicht den einzelnen Menschen sehen und kann im Zweifelsfall auch Schwankende nicht davon überzeugen, dass eine freiheitliche Gesellschaft, wie wir sie hier nun schon seit etlichen Jahrzehnten in Deutschland leben, doch die Lebensform ist, mit der Menschen am besten miteinander zu Recht kommen. Das möchte ich gerne in diesem Land erhalten und dieser Intention leistet der Antrag außerdem noch einen Bärendienst und deswegen bin ich sehr dafür, ihn abzulehnen.

Danke für die Aufmerksamkeit.

 

Vorsteherin:

Herr Keßler bitte.

 

Herr Keßler:

Ich habe noch zwei Antworten auf die Bemerkungen von Herrn Dahler und von Herrn
Ostertag.

Herr Dahler, das Grundgesetz unterscheidet sehr wohl zwischen verschiedenen Gruppen von Menschen, die sich in diesem Lande aufhalten – nämlich auf der eine Seite zwischen den deutschen Staatsbürgern – das heißt, den Menschen, die die Staatsbürgerschaft der Bundesrepublik Deutschland haben, dem deutschen Staatsvolk, und da meine ich ausdrücklich jeden Menschen, der die deutsche Staatsbürgerschaft hat, egal, ob durch Geburt oder gerade erst vor einem Jahr zuerkannt, unter der Voraussetzung, dass er sich dann auch zu den Werten dieser Gesellschaft bekennt. Da muss man also schon durchaus unterscheiden und es ist durchaus legitim, von einer Regierung, von den verantwortlichen Menschen in diesem Staat zu verlangen, dass sie Möglichkeiten finden, mit Menschen, die unsere Gesellschaft missachten, die unsere Gesetze nicht achten, die wir aber nicht abschieben können, weil dort Abschiebehindernisse zum Beispiel vorhanden sind (der Taliban), dass sie dafür sorgen, dass diese Menschen eben nicht in unserer nachbarschaftlichen Nähe uns gefährden können. Das ist für mich überhaupt kein Widerspruch. Darüber möge man mal nachdenken. Sie vermengen immer alles und sagen immer, die Menschen, die hier leben, haben alle dieselben Rechte. Das ist eben nicht so. Ein deutscher Straftäter, und wenn er die schlimmsten Straftaten begangen hat, wenn er seine Haft verbüßt hat, hat er natürlich weiterhin das Recht, in unserem Land zu leben, aber bei Menschen, die nicht die deutsche Staatsbürgerschaft haben, ist das schon etwas anders. Das hat jetzt auch die SPD gemerkt, denn es gibt ja jetzt aus ihren Reihen den Umstand, dass sie eine Forderung aufgegriffen haben, die wir schon lange verfolgen, dass also schwer straffällige Menschen, die nicht die deutsche Staatsbürgerschaft haben, unser Land zu verlassen haben.

Und das andere, Herr Ostertag, was Sie gesagt haben, ja, das möchte ich mal auf der einen Seite bestätigen. Sicherlich muss man die Menschen sehen. Ich versuche das auch zu machen, egal, welche Hautfarbe. Das muss man schon und das soll man auch und das ist auch wichtig, aber auf der anderen Seite ist es eben nicht mehr realistisch, dass die Menschen, die in einem Hause leben jeden Nachbarn gleich freundschaftlich begrüßen, sondern sie gucken, weil, sie sehen die Nachrichten. Das steht vielleicht nicht im Neuen Deutschland, aber in anderen Zeitungen stehen genug Berichte über Straftaten, und damit muss man sich einfach auseinander setzen.
Und deswegen plädiere ich nochmal dafür - der Antrag ist mit Sicherheit noch verbesserungsbedürftig und verbesserungsfähig -, dass in dem zuständigen Ausschuss für Bürgerdienste und meinetwegen auch im Integrationsausschuss über diese Dinge nochmal gesprochen wird.

Danke sehr.

 

Vorsteherin:

Jetzt haben wir Herrn Nedderhut, Frau Dahler und Herrn Herrmann.

 

Herr Nedderhut:

Ich stelle jetzt einfach bloß mal eine Frage: Es möge sich mal jeder die Bilder durch den Kopf gehen lassen, die nicht im Fernsehen gezeigt werden, sondern teilweise im Internet sind, wo Menschen vor laufenden Kamera geköpft werden, wo Menschen als lebende Fackel durch die Wüste gejagt werden und johlende – und jetzt widerstrebt es mir, den Begriff Menschen damit zu formulieren – es sind Kreaturen, die so etwas machen und die sollen sich im Rahmen unseres Grundgesetzes bewegen können. Nein danke. Jeder soll sich das mal durch den Kopf gehen lassen.

 

Vorsteherin:

Frau Dahler, Herr Herrmann, Herr Geidel.

 

Frau Dahler:

Sehr geehrte Vorsteherin, sehr geehrte Bezirksverordnete, liebe Gäste,
dass, was Sie hier gerade hören, erschüttert mich zutiefst. Hier wird per se alles, was sich Flüchtling nennt, vor den Kadi gestellt und zu einem Kriminellen verurteilt. Ich meine, es gibt andere Bilder, die ich auch vor dem geistigen Auge sehe. Da gibt es johlende Rechtsradikale vor Flüchtlingsheimen, die auch dort Fackeln reinschmeißen. Das ist genauso grausam.
Ich denke, dass hier eindeutig geklärt worden ist, dass dieser Antrag, wie er hier vorliegt, erstens nicht – also auch aus meiner Auffassung her – rechtlich nicht sauber sein kann, weil, amerikanische Verhältnisse von Denunziantentum ist nun mal per Gesetz in Deutschland nicht gewollt und nicht vorgesehen.
Es gibt keine Zuständigkeit für ein Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf. Das, was Sie wünschen, gehört auf eine andere Eben und wird hoffentlich dort keine Mehrheiten finden. So wie dieser Antrag der AfD-Fraktion hier vorliegt, kann man definitiv weder im Ausschuss ein Podium geben, um über so etwas zu diskutieren. Die Linksfraktion wird sich gegen eine Überweisung in einen Ausschuss, welchen auch immer, dazu aussprechen, ihn dort nicht behandeln, weil wir ihn einfach hier heute ablehnen.
Es kann nicht sein, dass wir sozusagen geflüchtete Menschen mit verschiedenen Traumatisierungen, Krankheitsbildern per se hier sozusagen vorverurteilen.
Was bezwecken Sie auch damit? Sie möchten gerne, dass umfassend die Nachbarschaften über den Wohnort dieser Personen informiert werden.
Was erwarten Sie? Möchten Sie gerne, dass sich von jedem Menschen, der sich bei einem Vermieter um eine Wohnung bewirbt, am besten noch ein polizeiliches Führungszeugnis vorliegt? Möchten Sie gerne an jede Wohnungstür rangepappt haben: „Hier wohnt ein Hartz-IV-Empfänger.“; „Hier hat einer HIV.“; „Hier war einer mal pädophil oder hat irgendwie ein anderes Verbrechen begangen.“? Was hat das mit auch einer Herkunft zu tun? Es gibt genauso auch deutsche Verbrecher.
In Amerika weiß man, das ist ja bekannt, dass sozusagen Pädophile öffentlich an den Pranger gestellt werden. Was wollen Sie damit bezwecken in Marzahn-Hellersdorf? Möchten Sie gerne, dass hier der wütende Mob durch die Straßen zieht, vor diese Wohnung geht und am Ende halt dort Fackeln und Steine reinschmeißt? Das kann nicht Ziel der Bezirksverordnetenversammlung sein, solche Beschlüsse zu fassen. Gegen so eine Art der Diskussion – und Herr Nedderhut hat ja auch gerade nochmal sehr schön irgendwelche Bilder geistig vors Auge gemalt, was man natürlich nur verteufeln kann, aber dass sozusagen, wenn die Überschrift ist „Integrationshemmnisse für Flüchtlinge beseitigen“ – das, was im Detail hier drin steht, kann man nur mit Ablehnung bevoten und demzufolge weder im Ausschuss diskutiere ich so auf dieser Ebene, weil: Denunziantentum per Gesetz ist hier nicht vorgesehen. Das sagt das Grundgesetz, das sagen die Gerichte. Es ist ohne Grund nicht vorgesehen in Deutschland, dass sozusagen Strafakten öffentlich gemacht werden und das kann man nur ablehnen.

 

Vorsteherin:

Danke, Frau Dahler. Wir haben jetzt Herrn Herrmann, Herrn Geidel, Frau Behrens und ich würde jetzt fragen: Gibt es Widerspruch dazu, dass wir die Rednerliste dann schließen? Das ist nicht der Fall. Dann haben die Drei jetzt das Wort.

 

Unverständlicher männlicher Zwischenruf.

 

Vorsteherin:

Alles klar.

 

Herr Dr. Pfeifer:

Bis vor zehn Minuten hab ich ehrlich gedacht, man kann die Debatte in eine sachliche Richtung führen, in dem man es in den Ausschuss führt und dort in einer gewissen Ausführlichkeit fortsetzt. Jetzt werden Gewaltszenarien mit Geköpften und dergleichen. Ich glaube, es geht nicht mehr in eine sachliche Debatte.
Ich bin deshalb, auch im Namen meiner Fraktion, nicht dafür, dass wir den Antrag in den Ausschuss überweisen, sondern so ablehnen. Ich hoffe, dass es eine andere Gelegenheit gibt, im Ausschuss in diesem Haus die Debatte wieder sachlich aufzunehmen, und zwar so, wie es sich gehört, ganzheitlich und für einen ganzheitlichen integrativen Ansatz im Bezirk.

 

Vorsteherin:

Herr Geidel.

 

Herr Geidel:

Also eigentlich ist inhaltlich hier schon so ziemlich alles gesagt worden, aber gerade vor kurzem kam von der AfD-Fraktion einfach so ein rechtlicher Unsinn, deswegen gibt es hier nochmal einen Crash-Kurs in freiheitlich-demokratischer Grundordnung.

Erstens, es gibt durchaus Grundrechte, die stehen nur Deutschen zu – das sind zum Beispiel die Versammlungsfreiheit oder die Berufsfreiheit. Alle anderen oder die meisten Grundrechte, einschließlich Gleichheitsgrundsatz, einschließlich informationelle Selbstbestimmung und Menschenwürde, die stehen allen Menschen in Deutschland zu, vollkommen egal, ob die hier Staatsbürger sind, ob die hier Strafgefangene sind, ob sie hier anerkannte Flüchtlinge sind oder ob sie sich illegal hier aufhalten. Alle diese Grundrechte stehen Menschen in Deutschland zu, egal, wie ihr Status ist. Das ist das Erste.

Und hier irgendwelche Äußerungen von sich zu geben, als ob man da differenzieren müsste, ob Flüchtlinge keine Grundrechte haben dürfen, das ist einfach nur falsch. Sie machen hier eindeutig falsche Aussagen und versuchen damit, bei Ihrem Wählerklientel auf Fang zu gehen, in dem Sie hier einfach Lügen verbreiten. Tut mir leid.

 

Vorsteherin:

Frau Behrens.

 

Frau Behrens:

Vielen Dank, Frau Vorsteherin. Zum Abschluss der Debatte fordern wir das Wortprotokoll.

 

Vorsteherin:

Wir haben den Antrag auf Ausschussüberweisung.
Herr Keßler hat den ja bekräftigt. Insofern werden wir darüber abstimmen und zwar nach Geschäftsordnung als erstes.

Wer die Drucksache 307 in den Migrationsausschuss überweisen wmöchte, den bitte ich um das Handzeichen. Die Gegenprobe. Damit ist die Ausschussüberweisung abgelehnt.

Dann stimmen wir über den Antrag ab. Wer dem Antrag DS 307 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ums Handzeichen. Die Gegenprobe. Enthaltungen.
Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Ausdruck vom: 24.07.2017

Seite: 1/7

 
 

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