Drucksache - 0515/VI  

 
 
Betreff: Zur Förderung geschlechtsspezifischer und frauenspezifischer Projektarbeit
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion DIE LINKE.PDSBzStRin JugFam
Verfasser:Dr. Schmidt, Manuela 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
   Beteiligt:Fraktion DIE LINKE
   BzStRin JugFam
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Beantwortung
30.08.2007 
Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Marzahn-Hellersdorf schriftlich beantwortet   

Sachverhalt
Anlagen:
1. Große Anfrage PDF-Dokument
2. Schriftliche Beantwortung PDF-Dokument

Begründung:

1. Wie schätzt das Bezirksamt die Wirksamkeit der Arbeit der sich vorwiegend in freier

Trägerschaft befindenden Projekte bezogen auf die fachliche Unterstützung bei der

Realisierung der kommunalen Aufgaben ein? (z.B. geschlechterdifferenzierte Kinder und

Jugendarbeit – Jugendamt, Frauenprojektarbeit – Gleichstellung)

 

 

Die Gleichberechtigung und Gleichstellung von Mädchen und Jungen sind zentrale Anliegen in der Jugendarbeit. Gleichberechtigung heißt dabei nicht Gleichbehandlung, sondern Chancengleichheit und eine individuelle Förderung von Mädchen und Jungen in ihrer jeweiligen Identität. Geschlechterbewusste Bildung bedeutet, dass eine geschlechterbewusste Sichtweise Bestandteil einer jeden Konzeption einer Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtung sein muss, um so gleiche Entwicklungsbedingungen für Mädchen und Jungen zu ermöglichen und eine zielgruppengenaue Angebotsstruktur mit Blick auf beide Geschlechter entwickeln zu können. Im Rahmen der außerschulischen Jugendbildung soll nach § 6 AGKJHG die Jugendarbeit dazu beitragen, überkommene Geschlechterrollen infrage zu stellen und die gesellschaftliche Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern. In den Zielvereinbarungen mit den kommunalen JFE und den zuwendungsgeförderten Projekten freier Träger ist die geschlechterbewusste Arbeit einer jeden Einrichtung auf der Grundlage der geschlechterdifferenzierten Leitlinien (Berliner Leitlinien) festgeschrieben. Dies kann in den Freizeiteinrichtungen einerseits durch geschlechterspezifische Angebote (separate Mädchen- und Jungenangebote) aber auch zunehmend durch ein individuelles geschlechterdifferenziertes Eingehen auf die unterschiedlichen Problemlagen umgesetzt werden.

 

Sowohl geschlechterspezifische Angebote als auch geschlechterdifferenzierte Angebote - im Allgemeinen Geschlechterbewusste Bildung genannt - sind kommunale Aufgaben der Jugendarbeit. Die Wirksamkeit der Arbeit der einzelnen Projekte ist nicht unmittelbar an den Angeboten selbst sondern an dem Verhalten der Mädchen und Jungen danach sichtbar. Dazu zählen, wie Angebote in welcher Regelmäßigkeit angenommen werden, wie sich Mädchen und Jungen beteiligen und einbringen können, welchen Zuwachs an Wissen und Fähigkeiten sie verzeichnen können, der Spaßfaktor spielt eine Rolle und die Authentizität der Mitarbeiter/innen, die dieses Angebot unterbreiten.

Bei den geschlechterspezifischen Angebote für Mädchen und jungen Frauen gibt es mehrere besonders wirksame Projekte. Hier ist immer wichtig, dass sich Mädchen unbeobachtet ausprobieren können, sowohl wenn es sich um mädchenuntypische Tätigkeiten handelt als auch wenn mädchenspezifische Themen mit Freundinnen und/oder Erwachsenen angesprochen und ausdiskutiert werden sollen.

Wirksame Projekte sind z.B.:

·          Angebote von MiM e.V. im Kiez-Haus Marzahn und im Container in Marzahn West; hier gibt es einen Mädchentreff mit vielen unterschiedlichen Gruppenangeboten, wo sich Mädchen austesten können

·          Projekt „Mädchenmobil“ vom Kietz für Kids Freizeitsport e.V. im Hafen mit vielen sportlich und gesundheitsförderlichen Projekten für Mädchen; aber auch erlebnispädagogische Aktivitäten zum Austesten der eigenen Stärken

·          Mädchen-Computerwerkstatt im Hafen; hier können Mädchen unabhängig von der Jungendominanz sich Kenntnisse am Computer aneignen, surfen, sich mit dem Innenleben des PC vertraut machen, sich also technische Fähigkeiten aneignen

·          Im KJHZ MN von JAO e.V. gibt es mädchenspezifische Projekte wie  Babyboom und Babybauch sowie den Schwerpunkt Schwangerschaftsberatung für Minderjährige

·          In der JFE Mehrweg gibt es das Selbstlernzentrum für junge Mütter, ein Projekt der ABU, wo sich diese selbständig betätigen können

·          In der JFE Hella-Klub für Mädchen und junge Frauen gibt es ein Mädchencafe, Tanz- u.a. kreative Angebote, einen Teenymüttertreff und regelmäßige Berufeworkshops speziell für Mädchen, bei denen auch mädchenuntypische Berufe eine Rolle spielen

 

Leider ist die Kontinuität bei vielen Projekten freier Träger nicht durchgehend gegeben, da sich Finanzierungsformen und damit auch immer Angebote und Personal verändern. Damit wird die positive Wirkung zumeist wieder aufgehoben.

 

Bei den geschlechterspezifischen Angeboten für Jungen und jungen Männern sind die Projekte sehr rar, es gibt keine jungenspezifische Einrichtung, obwohl auch die Jungen spezifische Wünsche, Vorstellungen haben, die sie mit männlichen Sozialarbeitern diskutieren wollen/sollten. Dies ist ein Mangel und führt zur weiteren Verschärfung der Problemlagen der Jungen im Bezirk. Es gibt punktuelle Jungenprojekte in Einrichtungen, die sich aber zumeist in sportlichen Aktivitäten erschöpfen. Jungen benötigen Zuwendungen und müssen soziale und emotionale Kompetenzen erlernen. Da das männliche Rollenbild im Wandel begriffen ist und in vielen Studien die Jungen als das auffällige Geschlecht (Jugendgerichtshilfe, Gewaltdelikte, schulische Leistungen u.a.) beschrieben werden, muss darauf reagiert werden. Für Ende 2007 sind umfangreiche Weiterbildungen mit der Spezifik Jungenarbeit für die Mitarbeiter/innen der kommunalen JFE und der Mitarbeiter/innen der Projekte freier Träger in Zusammenarbeit mit dem Träger Dissens e.V. (federführend auf dem Gebiet der Jungenarbeit im Bezirk) geplant.

 

Gemeinsame Projekte bzw. geschlechterdifferenzierte Projekte:

·      innerhalb einer jeden Freizeiteinrichtung gibt es Projekte, die punktuell nur mit dem einen oder anderen Geschlecht durchgeführt werden; dies richtet sich zumeist nach den Wünschen des Nutzer oder den Erkenntnissen der Sozialarbeiter/innen

·      in den Freizeiteinrichtungen aber auch in den KJHZ gibt es aber auch regelmäßige thematische Mädchen- bzw. Jugendgruppen oder separate Mädchenräume

·      es gibt auch Varianten, wo Mädchen und Jungen sich zeitlich oder räumlich in Angebote teilen (1 PC für die Mädchen und 1 PC für die Jungen bzw. Mädchen dürfen montags in die Sporthalle und Jungen dienstags); zumeist geschieht auch dass aus einem konkreten bedarf, einer Aushandlung oder einer Beobachtung heraus

·      viele o.g. Träger bieten Projekte für Schulklassen an (z.B. „Wie kommt das Kind in Mamas Bauch?“, „Himmelhochjauchzend - zu Tode betrübt! - die Zeit der Pubertät“, „Er liebt mich, er liebt mich nicht! Er liebt mich....“, „Eine Reise durch den Verhütungskoffer“, „...weil ich ein Mädchen bin! Was ist weiblich und männlich?“,  „Barbie sucht Ken“, „Man/frau ist, was man/frau isst“, „Coolnesstraining“, „Liebe, Sex und Zärtlichkeit“ u.ä.), die überwiegend von MIM, Hella, JAO und Dissens u.a. umgesetzt werden

·      besonders zu erwähnen ist der Sportplatz „Unser Platz“ an der Schwarzburger Str.; er wurde mit einem geschlechterdifferenzierten Ansatz errichtet, so dass hier sowohl Angebote für Mädchen als auch für Jungen stattfinden können; hier arbeiten besonders effektiv Projekte wie das Mädchenmobil und Dissens e.V.

 

 

2. Wie beurteilt das Bezirksamt den Stand und die Qualität der politischen und

organisatorischen Kooperation mit den Projekten der Frauen- und Mädchenarbeit und

ihres Netzwerkes? Welche Vorschläge hat es für die Intensivierung und

Effektivierung der frauenpolitischen Zusammenarbeit?

 

Seit mehreren Jahren gibt es die AG „Geschlechterdifferenzierte Kinder- und Jugendarbeit Marzahn-Hellersdorf“. In ihr arbeiten Mitarbeiter/innen aus kommunalen Jugendfreizeiteinrichtungen und Projekten freier Träger und eine Vertreterin der Fachsteuerung des Jugendamtes thematisch zusammen. Jährlich finden Klausurtage statt, in denen eine Jahresauswertung erfolgt und Schwerpunkte für das Folgejahr festgelegt werden. Für 2007 wurde z.B. der Schwerpunkt „Geschlechtsspezifische Sexualpädagogik mit Mädchen und Jungen“ gewählt. Dazu wird es am 11.10.07 eine Fachtagung im Bezirk geben.

 

Die Qualität der Zusammenarbeit innerhalb der AG lebt von den Aktivitäten der einzelnen Mitglieder. Als im Jahr 2001 viele Projekte freier Träger keine Zuwendungsfinanzierung mehr erhielten bemerkte die AG sowohl einen massiven Rückgang der Anzahl der Mitglieder als auch einen qualitativen Rückgang, weil bestimmte Personen fehlten. Die zeitlichen (viele Einzelkämpfer, die in ihre eigenen Einrichtungen/Projekte intensiv eingebunden sind) und finanziellen (für gemeinsame inhaltliche Projekte) Möglichkeiten der einzelnen AG-Mitglieder sind geringer geworden.

 

Zwischen der AG „Geschlechterdifferenzierte Kinder- und Jugendarbeit Marzahn-Hellersdorf“ und dem im Bezirk existierenden Frauenbeirat gibt es keine Berührungspunkte. Hier gibt es sicherlich noch Reserven, was eine generationsübergreifende Zusammenarbeit zwischen Gremien der Mädchen- und der Frauenarbeit betrifft. Die AG „Geschlechterdifferenzierte Kinder- und Jugendarbeit Marzahn-Hellersdorf“ hatte sich jedoch im Jahr 2000 (bei der Fusion der entsprechenden Arbeitsgruppen aus den ehemaligen Bezirken Marzahn und Hellersdorf) bewusst für ein Gremium der geschlechterdifferenzierten Arbeit entschieden, um beide Geschlechter gleichermaßen zu berücksichtigen. Damit ist die AG nur zum Teil ein Kooperationspartner des Frauennetzwerkes; ein Männernetzwerk ist nicht bekannt.

 

3. Mit welchen finanziellen Mitteln und anderen Maßnahmen trägt das Bezirksamt

gegenwärtig zur Stärkung der frauen- und mädchenspezifischen Projektinfrastruktur

bei?

 

Im Rahmen der Verteilung der finanziellen Mittel für die kommunalen Jugendfreizeiteinrichtungen (Honorarmittel, Veranstaltungsmittel, Mittel politische Bildung, Stiftung Kreuzberg, u.ä.) wird auf Geschlechtergerechtigkeit geachtet. Auch bei den zuwendungsgeförderten Projekten freier Träger wird viel Wert auf eine gerechte bzw. bedarfsgerechte Verteilung der Mittel geachtet. Es gibt jedoch keine finanzielle Förderung für ein spezifisches Mädchenprojekt in freier Trägerschaft durch den Bezirkshaushalt. Bei den kommunalen JFE erfüllt die JFE Hella- Klub für Mädchen und junge Frauen diese besondere Funktion.

 

In 2006 wurden die Angebote in den Freizeiteinrichtungen von Mädchen und Jungen fast hälftig genutzt. Bei den kommunalen Jugendfreizeitenrichtungen wurden von den geleisteten Angebotsstunden  44,6 % durch Mädchen genutzt; bei den bezirklich  geförderten Projekten der Jugendarbeit wurden 54,1 % der Angebotsstunden durch Mädchen genutzt. Ähnlich sah dies bei den Erholungsmaßnahmen aus. Bei den kommunalen Jugendfreizeitenrichtungen wurden 46,2 % der Angebote durch Mädchen genutzt, bei den bezirklich geförderten Projekten waren es 52,5 %.

 

 

 

Dr. Schmidt

 

 
 

Legende

Ausschuss Tagesordnung Drucksache
Bezirk Aktenmappe Drucksachenlebenslauf
Fraktion Niederschrift Beschlüsse
Kommunalpolitiker Auszug Realisierung
   Anwesenheit Kleine Anfragen

Kontakt

Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf von Berlin

Büro der Bezirksverordnetenversammlung

Leiterin:
Anne Nentwich, BVV L

Postanschrift:
12591 Berlin