Herr Prof. Dr. Bryant, seit 2015 sind Sie der Integrationsbeauftragte von Marzahn-Hellersdorf. Wie sind Sie dazu gekommen? Worin besteht Ihr beruflicher und privater Hintergrund?
Ich habe bereits 2010 die Bezirkliche Koordinierungsstelle für Demokratieentwicklung geleitet und war in dieser Funktion der damaligen Integrationsbeauftragten zugeordnet. Wir haben fachlich sehr eng zusammengearbeitet, da es zahlreiche Überschneidungen zwischen integrations- und demokratiepolitischen Themen gibt. Man denke nur etwa an Vielfalt und Beteiligung. Ansonsten habe ich mich schon während meines Studiums der Neueren und Neuesten Geschichte, Politikwissenschaft und Soziologie intensiv mit solchen Themen beschäftigt (z.B. Einbürgerungs- und Staatsbürgerschaftsfragen, Bevölkerungsentwicklung, bürgerschaftliches Engagement).
Mein eigener Migrationshintergrund – Mutter deutsch, Vater US-amerikanisch – sowie die Tatsache, dass fast meine gesamte deutsch-amerikanische Verwandtschaft in den USA lebt, hat mich schon seit meiner frühen Kindheit dazu gebracht, viel über Integration und Migration nachzudenken und mich für alles zu interessieren, was damit irgendwie in Verbindung steht. Es passiert mir ständig, dass Leute, die mich nicht kennen, meinen Nachnamen fälschlicherweise französisch, polnisch oder türkisch aussprechen wollen. Häufig erläutere ich ihnen dann, dass ich väterlicherseits nicht nur amerikanische, sondern sogar indianische Wurzeln habe. Für einige scheint es fast schon etwas irritierend zu sein, dass ich keine rote Haut habe, keine Feder auf dem Kopf trage und nicht im Tipi wohne. Abgesehen von meinem Nachnamen ist mein Migrationshintergrund eben nicht sehr vordergründig.
Wie verstehen Sie Ihre Rolle als Integrationsbeauftragter von Marzahn-Hellersdorf? Was sind Ihre Aufgaben?
Ganz allgemein gesprochen bin ich dafür zuständig, die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens voranzutreiben und dafür zu sorgen, dass die Belange von Menschen mit Migrationshintergrund bei allen bezirklichen Entscheidungen berücksichtigt werden. Das gelingt z.B. durch Anregungen und Vorschläge gegenüber dem Bezirksamt, der Bezirksverordnetenversammlung und den Senatsverwaltungen. Es geht also darum, Zugangsbarrieren zu Diensten und Leistungen der öffentlichen Hand, Integrationshemmnisse oder sonstige strukturelle Benachteiligungen abzubauen bzw. sich dafür einzusetzen, dass diese bestenfalls gar nicht erst entstehen. Als Hauptansprechpartner für alle Fragen, die mit Migration, Integration, Antidiskriminierung, Vielfalt, Toleranz und interkultureller Öffnung des Verwaltungshandelns zusammenhängen, möchte ich meinen Beitrag dazu leisten, Marzahn-Hellersdorf als „Ort der Vielfalt“ zu bewahren und weiterzuentwickeln. Dazu zählt nicht nur die Beratung verschiedener Akteure der soziokulturellen Infrastruktur bei der Erstellung und Umsetzung von Konzepten zur Verbesserung der Lage der Menschen mit Migrationshintergrund, sondern auch die strategische Weiterentwicklung der bezirklichen Integrationsarbeit, die sich insbesondere im „Bezirklichen Integrationsprogramm“ niederschlägt.
Ihre Aufgaben sind sehr vielfältig. Das kann niemand alleine bewältigen. Welche Unterstützung haben Sie?
In der Tat ist Integration ein Gemeinschaftsprozess und kann auch gar nicht anders umgesetzt werden. Es gibt erfreulicherweise zahlreiche Akteure, die tagtäglich ihre verschiedenen Kompetenzen einsetzen, um an verschiedenen Stellen Integration mitzugestalten. Um nur ein paar Beispiele zu nennen: Neben den hiesigen Migrantenorganisationen, dem Migrationssozialdienst, den Integrationslotsinnen und Integrationslotsen sowie den Kolleginnen und Kollegen in den Unterkünften für geflüchtete Menschen gehören dazu auch viele Einrichtungen der soziokulturellen Infrastruktur im Bezirk. Damit sind die Stadtteilzentren, Jugendfreizeiteinrichtungen oder Beratungsstellen zu verschiedenen Themen gemeint. Für den fachlichen Austausch gibt es darüber hinaus jede Menge Gremien, wie etwa den Integrationsbeirat (inkl. mehrerer Arbeitsgruppen), die Vernetzungsrunde Integrationspolitik oder die regelmäßigen Beratungen mit meinen Amtskolleginnen und Amtskollegen aus den anderen elf Bezirken in der Landesarbeitsgemeinschaft der Integrationsbeauftragten.
Was liegt Ihnen besonders am Herzen?
Am meisten liegen mir Projekte am Herzen, bei denen man integrationspolitisch tatsächlich etwas bewegen und für seine Mitmenschen Gutes bewirken kann. Manchmal sind es vergleichsweise kleine und bescheidene Dinge, die praktisch zum „Alltagsgeschäft“ gehören. Das kann die Unterstützung von Vereinen bei ihrer integrationspolitischen Arbeit sein. Es gibt manchmal aber auch Umstände, die eine bundesweite oder gar internationale Dimension annehmen: Insbesondere der Zuzug von geflüchteten Menschen, der bei uns im Bezirk seit 2013 alle Beteiligten vor Herausforderungen stellte und teilweise noch immer stellt – z.B. durch die Suche nach Wohnraum, gesundheitlicher Versorgung oder Integration in den Arbeitsmarkt – war und ist nach meinem Dafürhalten ein geradezu historisches Projekt. Daran mitarbeiten zu dürfen und zu sehen, wie es trotz aller Schwierigkeiten auch immer wieder Erfolgserlebnisse zu verzeichnen gibt, beflügelt mein Team und mich bei unserer Arbeit immer wieder aufs Neue. Das muss es auch, denn bekanntlich ist „Integration“ niemals ganz abgeschlossen, sondern ein fortwährender Prozess.