Drucksache - DS/0686/VII  

 
 
Betreff: Bekämpfung der Raupen des Eichenprozessionsspinners zum Schutz der Bevölkerung vor allergenen Reaktionen
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:BezirksamtBezirksamt
Verfasser:BzStR Stadt 
Drucksache-Art:Dringliche Vorlage zur KenntnisnahmeDringliche Vorlage zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg von Berlin Entscheidung
21.03.2013 
18. Sitzung in der VII. Wahlperiode der Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg von Berlin zur Kenntnis genommen (Beratungsfolge beendet)   

Sachverhalt
Anlagen:
Dringl. VzK PDF-Dokument

Das Bezirksamt bittet die Bezirksverordnetenversammlung umseitige Vorlage zur Kenntnis zu nehmen:

Das Bezirksamt bittet die BVV, Folgendes zur Kenntnis zu nehmen:

 

Aufgrund der zunehmenden Verbreitung des Eichenprozessionsspinners (EPS) in Berlin und einem möglichen damit einhergehenden Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung wurde sowohl durch den Senat als auch den Rat der Bürgermeister eine erneute Bekämpfung des EPS für 2013 beschlossen (Beschluss-Nr. R-190/2012 vom 06.12.2012). Auf dieser Grundlage wurde von der Senatsverwaltung für Gesundheit ein Entwurf für ein Konzept zur Berlinweiten Bekämpfung des EPS erarbeitet. Da der Entwurf des Konzeptes vom Bezirksamt Lichtenberg abgelehnt wird, sollen für den Bezirk Lichtenberg eigene Maßnahmen festgelegt werden.

 

Im Folgenden werden die Handlungsmöglichkeiten beschrieben:

 

Biozideinsatz

 

Zur präventiven Abwehr der mit Brennhaaren versehenen Raupen des EPS soll das Biozid NeemProtect (Azadirachtin A / Margosa-Extrakt) eingesetzt werden, dass gegen alle Raupen von saugenden und beißenden Insekten wirkt. Da der Einsatz des Biozids in Naturschutz-gebieten und Trinkwasserschutzgebieten durch die Naturschutzbehörden und Wasserbehörden genehmigungspflichtig ist, wandte sich Sen Ges schon im Januar 2013 an das Bezirksamt mit der Bitte um Zustimmung. Das Bezirksamt Lichtenberg (Tiefbau- und Landschaftsplanungsamt, Umwelt- und Naturschutzamt) hat den Einsatz von Bioziden und Insektiziden auf bezirkseigenen Flächen grundsätzlich abgelehnt. Aus diesem Grund gab es am 05.02.2013 ein Gespräch bei der Senatsverwaltung für Gesundheit, in dem das Konzept noch einmal erläutert wurde. Das Gespräch hat aber eher dazu beigetragen, die ablehnende Position des Bezirkes zu bekräftigen.

 

Dafür gibt es mehrere Gründe:

 

Obwohl es bisher keine Risikobewertung für Biozid-Produkte mit dem Wirkstoff Margosa-Extrakt und damit auch keine abschließende Beurteilung bezüglich ihrer Vertretbarkeit für Mensch und Umwelt gibt, sind sie aufgrund von Übergangsregelungen in Deutschland zulässig. Wie sich das Einbringen von solchen Biozid-Produkten auf die vorhandene Flora und Fauna auswirkt, ist somit ebenso ungeklärt wie daraus erwachsende mögliche Langzeitfolgen. Das betrifft vor allem Zielarten des Naturschutzes, wie Amphibien und Reptilien, die besonders empfindlich reagieren. Das Bundesumweltamt hat vor einem Jahr Untersuchungen der Toxizität von Herbiziden auf Amphibien durchgeführt. Das Ergebnis der Untersuchungen hat bestätigt was Zoologen bereits vermutet hatten. In der zulässigen Aufwandmenge verwendete Herbizide haben zum direkten Tod von Amphibien geführt. Bisher wurden bei der Zulassung von Mitteln Zielarten des Naturschutzes nicht untersucht. Laut Information des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit wird im Zuge des Zulassungsverfahrens die Ökotoxikologie an einer Reihe von Stellvertretern, die die Flora und Fauna der Agrarlandschaft repräsentieren, durchgeführt. Vorgeschrieben sind hierbei Versuche mit Vögeln, Honigbienen und anderen Insekten, Regenwürmern und weiteren Bodenlebewesen, Fischen, Wasserflöhen und Wasserpflanzen, jedoch nicht mit Reptilien und Amphibien.

Auch bei der Zulassung des Biozids Margosa–Extrakt gab es keine Untersuchungen von Amphibien und Reptilien. Es muss darüber hinaus davon ausgegangen werden, dass besonders geschützte Insektenarten, wie der Heldbock (Cerambyx cerdo) oder der Eremit (Osmoderma eremita), betroffen sein könnten. Diese beiden Arten wurden im Süden des Bezirkes mehrfach nachgewiesen, die tatsächliche Verbreitung ist jedoch unbekannt. Es ist wahrscheinlich, dass beide Arten auch auf Eichen auf privaten Grundstücken vorkommen und diese Vorkommen nicht bekannt sind.

 

Applikation von Bioziden und die Folgen

 

Bereits zum Zeitpunkt der Auftragung des Biozids mittels Sprühkanone kann ein gewisser Teil durch den Wind verweht und somit in Bereiche getragen werden, wo nachteilige Wirkungen (z. B. Gewässer) entstehen. Da das Azadirachtin A auf den besprühten Blättern verbleibt wird es im weiteren Verlauf des Stoffkreislaufs auch mit diesen auf den Boden und letztendlich in das Grundwasser gelangen. Inwiefern es hier auf die diversen Organismen wirkt ist völlig unklar. Auch eine Beeinflussung der Nahrungskette ist denkbar bzw. wahrscheinlich, da das Mittel nicht selektiv auf den EPS sondern auch auf alle weiteren Larven von ansässigen saugenden und beißenden Insekten wirkt. Dabei sind es grade Eichen, die einer Vielzahl von unterschiedlichsten Tieren Lebensraum bieten und sich durch eine besonders hohe Artenvielfalt auszeichnen. Auf keiner anderen einheimischen Baumart leben mehr spezialisierte Insektenarten. Geschütze Tiere wie der Heldbock oder auch der Eremit sind auf die Existenz von Alt- und Totholzbeständen von Eichen angewiesen. Durch die Bekämpfung des EPS mit Margosa-Extrakt würde der behandelte Baum um viele Insektenarten ärmer, was nicht nur Folgen für die sich von den Insekten ernährenden Tiere (Höhlenbrüter, Fledermäuse, etc.) hätte, sondernglicherweise auch für die Wiederbesiedlung des Baums durch den EPS. Da die Konkurrenz nach einer Behandlung weitgehend fehlt, fällt es einer sich rasant ausbreitenden Art wie dem EPS sehr leicht, einen bereits behandelten Baum erneut zu besiedeln. Auch die Auswirkung auf den Menschen ist bisher unklar, so dass Gebiete in denen eine Biozid-Bekämpfung des EPS stattgefunden hat über einen gewissen Zeitraum gesperrt werden müssen.

 

Mechanische Beseitigung und die Kosten

 

Im Gegensatz zur Bekämpfung mit Bioziden / Insektiziden wirkt die mechanische Beseitigung der Nester selektiv nur auf den EPS. Zwar ist nicht auszuschließen, dass auch andere Insekten abgesaugt werden; diese Schädigung ist in der Abwägung jedoch in Kauf zu nehmen. Im Bezirk Lichtenberg haben sowohl das Tiefbau- und Landschaftsplanungsamt (FB Grünflächen) als auch der Tierpark Berlin gute Erfahrungen mit dieser Methode gesammelt. Im Konzept wird dargestellt, dass diese Methode teurer sein soll als die Anwendung des Margosa-Extrakts, wobei innerhalb der Beratung bei SenGes am 05.02.2013 nicht deutlich wurde warum. Nachfragen und Recherchen des Umwelt- und Naturschutzamtes haben ergeben, dass sich der günstige Preis aus dem Einsatz von Spritzkanonen ergibt. Dieser Einsatz erfordert jedoch eine weiträumige Absperrung des Geländes während der Applikation, was nur in wenigen Fällen möglich sein dürfte. Die Applikation von Bioziden / Insektiziden zur selektiven Bekämpfung ist preislich mit der mechanischen Bekämpfung vergleichbar.

Für beide Einsätze müssen sowohl Personal als auch Maschinen gestellt werden, wobei der Einsatz eines Hubwagens für die mechanische Beseitigung durch Absaugen nicht immer notwendig ist. Im Fall der Bekämpfung mit Margosa-Extrakt muss zusätzlich mechanisch nachgearbeitet werden, so dass sich die Frage stellt, welche Methode letztendlich wirklich die kostenintensivere ist.

Die Frage wird nur dann beantwortet werden können, wenn die Kosten aus dem Jahr 2012 für beide Verfahren gegenüber gestellt werden würden. Ein solcher Vergleich liegt nicht vor und deshalb sind hier auch keine abschließenden Aussagen möglich. Erfahrungsgemäß schwanken die Preise jahreszeitlich sehr stark und hängen auch von den jeweiligen Umständen des Einsatzortes ab.

 

Daher ist es bedauerlich, dass nur die Bezirke finanzielle Unterstützung erhalten, die Biozide präventiv anwenden. Es ist durchaus denkbar, dass trotz präventiver Maßnahmen eine erneute Einwanderung des EPS stattfindet und damit eine nochmalige Bekämpfung erforderlich wird. Hier wird ohne ausreichenden Nachweis eine einzelne Methode, die auch noch erhebliche Nachteile mit sich bringt, bevorzugt. Da eine totale Bekämpfung des EPS nicht möglich ist, stößt der Einsatz von Spritzmitteln dort an seine Grenzen, wo eine kontinuierliche Einwanderung aus nichtbehandelten Gebieten erfolgt. Dann spielt es auch keine Rolle mehr, ob der Bekämpfungserfolg der Biozide womöglich höher ist als bei der mechanischen Bekämpfung.

 

Erfordernis

 

Bei Abwägung der Kosten-/Nutzen Frage sollte bedacht werden, dass das Auftreten des EPS, wie bei anderen Schmetterlingen auch, stark von den klimatischen Bedingungen im Winter / Frühjahr abhängt und somit die Entwicklung der Population Schwankungen unterworfen sein kann. Der Witterungsverlauf von der 8. – 16. Kalenderwoche wird mit entscheiden, in welchem Umfang sich der EPS weiter ausbreitet und ob bzw. wo eine Bekämpfung tatsächlich erforderlich ist.

 

Das Bezirksamt Lichtenberg wird daher im Frühjahr 2013 die schon 2012 befallenen Eichen beobachten und flexibel auf einen Befall reagieren. Im Bedarfsfall erfolgt eine mechanische Bekämpfung.

 

Alternativen

 

Die Bekämpfung der Raupen ist eine Möglichkeit. Es gibt aber auch Andere:

das können z. B. Absperrmaßnahmen sein. Aus anderen Städten (z. B. Nürnberg) liegen gute Erfahrungen bei der Bekämpfung des EPS mittels Duftstoffen (Pheromonen) vor. Auch die Bekämpfung des EPS mittels Nematoden wird im Bezirk geprüft.

 

Öffentlichkeitsarbeit

 

Der RdB hat in seiner Sitzung am 06.12.2012 auch beschlossen, dass die Öffentlichkeitsarbeit Gegenstand eines Berlinweiten Konzeptes sein solle. Die Senatsverwaltung für Gesundheit beschränkt sich auf Presseinformationen und die Herausgabe eines Flyers.

Im Bezirksamt Lichtenberg nehmen folgende Behörden die Aufgaben der Bürgerinformation / Öffentlichkeitsarbeit wahr:

 

Umwelt- und Naturschutzamt:

-          Anfragen zur Biologie und Ökologie des Eichenprozessionsspinners sowie Information zu den Bekämpfungsmöglichkeiten.

 

Tiefbau- und Landschaftsplanungsamt:

-          Annahme der Meldung befallener Bäume im öffentlichen Raum sowie Einleitung geeigneter Bekämpfungsmaßnahmen (Absaugen, Absperren)

 

Gesundheitsamt:

-          Information bei Gesundheitsschäden.

 

Im Bezirksamt Lichtenberg wird das in Frage kommende Personal der Anlaufstellen für Fragen der Bürger zum EPS umfangreich geschult. So soll erreicht werden, dass jede/r Mitarbeiter/in in der Lage ist, für den Fall der Nachfrage Informationen zum Umgang mit dem EPS herausgeben zu können.

 

Auswirkungen auf das Budget

 

Erfordernis und Umfang von Bekämpfungsmaßnahmen des EPS hängen stark vom Witterungsverlauf im Frühjahr ab. Das Tiefbau- und Landschaftsplanungsamt hat mögliche Bekämpfungsmaßnahmen (Absaugen) pauschal in Jahreszeitverträgen mit entsprechenden Fachfirmen gebunden. Die Finanzierung erfolgt somit aus der Grünflächenunterhaltung. Für die Öffentlichkeitsarbeit wird auf das vorhandene Personal zurückgegriffen.

 

 

Zusammenfassung

 

Das Bezirksamt Lichtenberg setzt aus Gründen des Naturschutzes und der Landschaftspflege keine Biozide ein. Insbesondere in Naturschutzgebieten, Landschaftsschutzgebieten, geschützten Landschaftsbestandteilen, an geschützten Biotopen und Gewässern erfolgt keine Bekämpfung.

 

Innerstädtisch werden vom EPS befallene Eichen flächendeckend mechanisch bekämpft. Im Außenbereich ist eine Bekämpfung im Einzelfall zu betrachten, da sie hier nur kurzzeitige Wirkung erzielt und die Kosten im Aufwand / Nutzen Verhältnis zu hoch sind.

 

Die zuständigen Ämter bereiten sich für den in Frage kommenden Zeitraum gezielt auf Anfragen / Meldungen der Bevölkerung vor.

 

Es sind zudem weitere, in anderen Städten bereits erprobte Verfahren zu prüfen.

 

 

 
 

Legende

Ausschuss Tagesordnung Drucksache
Bezirksparlament Aktenmappe Drucksachenlebenslauf
Fraktion Niederschrift Beschlüsse
Kommunalpolitiker Auszug Realisierung
   Anwesenheit Kleine Anfragen