Redebeitrag von Dana Wetzel, BiBerlin e.V.:
“Herzlichen Dank für die Einladung zur Flaggenhissung anlässlich des Bi+ Visibility Day.
(Der 23. September ist zugleich auch der Internationale Tag der Gebärdensprachen. Lasst uns zusammen sichtbar sein!)
Inspiriert von der US-amerikan. Bi+ Aktivistin Bailey Merlin, möchte ich heute nicht über Sichtbarkeit sprechen, sondern über Anerkennung und Teilhabe.
Mein Name ist Dana Wetzel, ich spreche heute für BiBerlin e.V. und die Fachstelle Bi+, die von der Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung, kurz LADS, gefördert wird.
Die Fachstelle Bi+ ist gerade ein Jahr alt und schon steht ihre Zukunft auf dem Spiel. Sie ist die erste und einzige spezialisierte Einrichtung für die Bi+ Community und ihre Angehörigen in Berlin. Wir bieten psychosoziale Beratung, Empowerment-Angebote sowie Schulungen für Verwaltung, Politik und Institutionen.
Bi+ Personen stellen mit rund 60 % die Mehrheit der queeren Community. Es gibt ein einziges Bi+ Projekt. Dabei umfasst unsere Zielgruppe allein in Berlin potenziell schon ca. 800.000 Menschen.
Wir haben Haushaltsverhandlungen. Die Fachstelle Bi+ soll ab 2026 nur noch mit einem reduzierten Sockelbetrag finanziert werden, der um 1/3 geringer ist.
1,2 % für Bi+ Projekte! Denn 1,2 % ist der Anteil am Gesamtbudget 2026, das für LSBTI-Projekte in Berlin geplant ist. 1,2 % für die größte Gruppe der queeren Community. 1,2 % für 60 % der queeren Community.
Das ist ein Schlag ins Gesicht und zeigt deutlich, dass das B in LSBTIQ nicht
das gleiche Maß an Finanzierung oder Anerkennung erhält, wie andere queere Organisationen.
Die aktuelle qualitative Befragung der Fachstelle Bi+ zeigt:
Bi+ Menschen erleben spezifische Ausschlüsse und Diskriminierungen, die von Politik, Verwaltung und Fachpraxis noch immer vernachlässigt werden.
Unsere Bedürfnisse werden konsequent minimiert und in den Hintergrund gedrängt.
Meine Kollegin Carolin Reiß und ich, spüren täglich wie groß der Bedarf an sicheren, fachlich qualifizierten Beratungsangeboten mit Peer-Perspektive ist. Unsere Erfahrungen zeigen klar, dass vorhandene Strukturen längst nicht ausreichen, um das Ausmaß an Unsichtbarkeit, Ängsten und Ausschlüssen aufzufangen.
Wenn Bi+ Menschen Teilhabe einfordern, wird uns oft signalisiert, wir sollten still sein, weil es Themen gibt, die wichtiger sind – etwa Trans* Themen, die absolut wichtig sind. Lange erkämpfte Trans* Rechte sind in Gefahr.
Über 40% der Trans* Menschen identifizieren sich als Bi+. Zählt nur der Trans* Teil dieser Identität und ist der Bi+ Teil nicht relevant? Trans* Themen sind Bi+ Themen und Bi+ Themen sind Trans* Themen. Identitäten sind intersektional. Es sind die unterschwelligen kleinen Nadelstiche, die sich summieren.
Wenn von Homo- und Transfeindlichkeit die Rede ist: Das blendet nicht nur Bi+, sondern auch intergeschlechtliche Menschen aus. Dabei ist Queerfeindlichkeit die kürzere und inklusive Alternative.
Wir spüren das innere Naserümpfen, wenn wir bei queeren Veranstaltungen
mit einem Infostand vor Ort sind und sich abgewendet wird, wenn klar ist,
dass wir die Bi+ Community repräsentieren. Manchmal noch mit einer abfälligen Handbewegung. Bi+ Probleme scheinen nicht existent zu sein, weil sie vermeintlich nicht ernst genug sind.
Aber Statistiken zeigen, dass Bi+ Menschen – im Vergleich zu den monosexuellen Angehörigen der queeren Community – die höchste Rate an Angstzuständen, Depressionen, Suizidalität und Substanzkonsum aufweisen. Bi+ Jugendliche haben ein noch höheres Risiko: Die Suizidgefahr ist hier noch größer.
Es geht aber nicht nur um Statistiken. Hier geht es um einen Mangel an Ressourcen.
Beratungsangebote spielen eine zentrale Rolle bei der Bewältigung von Diskriminierungserfahrungen und Unsicherheit. Diese Angebote können jedoch gleichzeitig Diskriminierung und Stereotype reproduzieren. Aus diesem Grund ist ein essenzielles Anliegen, dass die Angebote bi+ sensibel und intersektional sind.
Aktuell kann die Fachstelle Bi+ nur einen Teil dieser Bedarfe decken.
Wir brauchen gesicherte Strukturen, und eine klare politische Entscheidung für die Bi+ Community.
Uns ist in keiner Weise daran gelegen unrealistische Forderungen zu stellen.
Wir wollen aktuell lediglich den Status quo erhalten.
Für das B, für die Fachstelle Bi+ bedeutet Status quo einen Anteil von 1,8 % der Haushaltssumme für LSBTI. Wir halten trotz der ständigen Hindernisse durch, nicht wegen ihnen.
Der Bi+ Aktivismus reicht in Berlin Jahrzehnte zurück. Ehrenamtlich. Neben Jobs, neben Familien. Das ist keine Wohlfühlgeschichte. Ehrenamt kann aber nicht alles tragen und leisten.
Wenn Berlin uns unterfinanziert, wenn Berlin uns ignoriert, lässt die Regenbogenhauptstadt die Mehrheit der queeren Community im Stich.
Heute bitte ich nicht um Sichtbarkeit, sondern um etwas, das viel mehr Arbeit erfordert: Ich bitte darum, anerkannt zu werden. Ich bitte um echte ganzjährige Anerkennung von Bi+ Menschen. Das bedeutet, dass mindestens der Status quo, also die Zuwendungssumme 2025, für die Fachstelle Bi+ sichergestellt werden muss.
Berlin darf sich nicht länger Regenbogenhauptstadt nennen, wenn es die queere Mehrheit im Stich lässt. Berlin darf sich nicht mit Vielfalt schmücken, während es Bi+ Menschen an den Rand drängt.
Ich bitte um Anerkennung, und Anerkennung zeigt sich in Taten.
Vielen Dank.”