Auszug - Diskussion mit Bürgern und Vertretern der Senatsverwaltung: Einleitung Ruschegraben in den Rummelsburger See und Regenwasserreinigungsbecken. Stand der Planung und Optionen (Bezug zu DS/1252/VII - Große Anfrage und Antwort des Bezirksamtes)  

 
 
34. (Sonder-) Sitzung in der VII. Wahlperiode des Ausschusses Ökologische Stadtentwicklung gemeinsam mit dem Ausschuss Umwelt
TOP: Ö 2
Gremium: Ökologische Stadtentwicklung Beschlussart: erledigt
Datum: Di, 30.09.2014 Status: öffentlich
Zeit: 19:00 - 21:15 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: Rathaus Lichtenberg, Raum 100 (barrierefrei)
Ort: Möllendorffstraße 6, 10367 Berlin
 
Wortprotokoll

Herr Pagel vom Kiezbeirat Rummelsburg stellt den Sachverhalt aus Sicht des Kiezbeirates dar

Herr Pagel vom Kiezbeirat Rummelsburg stellt den Sachverhalt aus Sicht des Kiezbeirates dar. Er kritisiert, dass seit 2008 keine Fläche mehr für den Retentionsfilter vorgehalten, gleichzeitig aber an der grundsätzlichen Forderung nach diesem Filter festgehalten wurde. Diesen Fehler versuche man nun durch die Aufgabe der Sportfläche in der Georg-Löwenstein-Straße zu beheben. Er fragt, wie die Entscheidung damals zustande kam. Aus Sicht des Kiezbeirates sei der Standort Buchberger Straße ideal für die Reinigungsanlage. Die Umwidmung der Sportfläche an der Georg-Löwenstein-Straße könne hoffentlich verhindert werden. Die im B-Plan 11-47a ausgewiesene Sportfläche am Blockdammweg sei als Ersatzfläche nicht geeignet, da sie zu weit entfernt sei. Grundsätzlich sei das Anliegen, das in den See eingeleitete Wasser zu reinigen, richtig. Es müssten kurzfristige Maßnahmen ergriffen werden, damit der See nicht weiter leidet und jedes Jahr 165 t Sediment sowie diverse Schadstoffe eingespült werden. Der Kiezbeirat übergibt die gesammelten Unterschriften und einen offenen Brief an BzStR Nünthel und die Ausschussmitglieder.

 

Fr. van der Wall nimmt für die einreichende Fraktion zur Großen Anfrage Stellung und fragt, auf welcher Grundlage 2008 diese Entscheidung gefallen war, denn damit wurden die Weichen für weitere Planungen gestellt, und welche anderen Flächen im Bezirk geeignet wären.

 

BzStR Nünthel nimmt für das Bezirksamt Stellung. Die Sachlage sei komplexer als von Herrn Pagel dargestellt. Der Kiezbeirat fordere einerseits kurzfristige Maßnahmen zur Reinigung des Wassers, aber spräche sich gegen einen Retentionsfilter vor Ort aus. Dies sei ein unauflösbarer Widerspruch. Zur Debatte stehe hier auch der dringend benötigte Wohnungsbau auf Grundlage des B-Plans Ostkreuz. Zeitnaher Wohnungsbau bedinge ein schnelles B-Planverfahren. Ohne Einigung hinsichtlich des Retentionsfilters ruhe jedoch das Verfahren. Der Standort Buchberger Straße wäre geeignet, aber nicht schnell realisierbar. Es stelle sich die Frage, wie viel von der Fläche in der Georg-Löwenstein-Straße tatsächlich in Anspruch genommen werden muss. Dies sei offen, weil es erst Gegenstand der Untersuchung im kommenden Verfahren sei. Hr. Schulgen habe ihm zugesichert, dass die Senatsverwaltung eine Ersatzfläche vorhält und finanziert. Man nehme die Bedenken der Anwohner ernst. Zunächst müsse jedoch geklärt werden, wie groß der Flächenbedarf tatsächlich sei.

 

Hr. Schulgen trägt für die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt vor. Seit mehr als 20 Jahren habe man durch die förmliche Festlegung des städtebaulichen Entwicklungsbereichs im Jahr 1994 besondere Verantwortung für die Entwicklung des Gebietes übernommen. Heute sei nur der westliche Teil noch nicht aus dem Entwicklungsrecht entlassen. Die Umsetzung der städtebaulichen Entwicklungsziele wird durch die Beteiligung von zwei Bezirken erschwert, die teilweise unterschiedliche Interessen vertreten. Eine gute Wasserqualität gehöre zu einem lebenswerten Gebiet dazu. Für den Bereich des Marzahn-Hohenschönhausen-Grenzgrabens hatte die Wasserbehörde deshalb im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens für den B-Plan XVII-9 einen Standort für einen Bodenfilter gefordert. Entsprechend wurde dafür im B-Plan eine landeseigene Fläche (Teilfläche des Grundstücks Hauptstr. 8) ausgewiesen. Die nördlich davon verbliebene landeseigene Teilfläche entlang der heutigen Georg-Löwenstein-Straße, für die es zu dem Zeitpunkt keine weiteren Nutzungsanforderungen gab, wurde als Zwischennutzung für die Übergangszeit vom Bezirk durch die Herrichtung einer Freizeitsportanlage aufgewertet.

Es sei vorstellbar, einen Teil der Sportfläche zu erhalten. Ggf. müsse Ersatz an anderer Stelle gesichert werden. SenStadt wird die Finanzierung der Herrichtung der Ersatzfläche übernehmen. Hinter der Zusammenführung der Trockenwetterabflüsse von Ruschegraben und MHG liegt der Gedanke, dass die Reinigung der Abflüsse von zwei Gräben in einer zentralen Anlage wirtschaftlicher sei als zwei einzelne Reinigungsanlagen zu entwickeln. Auch die Effizienz der Reinigung sei höher. Auf dieser Grundlage wurde der B-Plan entwickelt. Die Alternative sei, alles so zu belassen wie es ist und weiter die ungefilterten Einleitungen in den See hinzunehmen. Dies sei aber aus Sicht von SenStadtUm keine Lösung. Was die Entwicklung der Bahnfläche in der Buchberger Straße betrifft, sei aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit der Bahn zu erwarten, dass Verhandlung, Kauf und Entwicklung sehr viel länger dauern würde. Hr. Schulgen bietet an, einen Workshop mit Einwohnern durchzuführen, wie man die Ersatz-Sportfläche in die Grünanlage an der Mole integrieren und ein Teil der Georg-Löwenstein-Str. erhalten kann. Abschließend bittet er die Anwohner, etwas dafür zu tun, dass der See sauberer wird und neue Wohnungen gebaut werden können.

 

Fr. Schulze spricht für die Wasserbehörde (SenStadtUm Abt. VIII) und erläutert die wasserrechtlichen Rahmenbedingungen nach Wasserhaushaltsgesetz. Der Ruschegraben habe ebenso wie der MHG einen Regenwetter- und einen Trockenwetterkanal. Die Belastung der Einleitungen sei aufgrund des großen Einzugsgebietes sehr hoch. Von den ca. 1,7 Mio. Kubikmetern p.a. seien ca. 45 % Trocken- und 55 % Regenwetterabfluss. Beim Trockenwetterabfluss sei vor allem die Belastung durch Phosphor nennenswert, beim Regenwasser auch sogenannte abfiltrierbare Stoffe (AFS). Der Trockenwetterabfluss des Ruschegrabens soll mit einer Druckrohrleitung hin zum Auslauf des MHG geleitet werden. Dort befindet sich bereits eine Reinigungsanlage, die dann erweitert werden muss. Aus Sicht der Wasserbehörde sei mit der Reinigung des Trockenwetterabflusses eine weitgehende Sanierung des Einleiters Ruschegraben und damit eine wirksame Entlastung des Rummelsburger Sees von Schad- und Nährstoffeinträgen möglich. In Zukunft soll auch der Regenwasserabfluss gereinigt werden. Dafür wäre eine unterirdische Regenwasserreinigungsanlage geeignet.

 

Hr. Dr. Grothe-Hussmann berichtet als Gutachter zum Sachverhalt. Hinter dem Biesdorfer Baggersee befindet sich derzeit die größte Regenwasserreinigungsanlage Deutschlands. Eine Reinigung des Regenwassers von Ruschegraben und MHG würde ca. 1 % der angeschlossenen befestigten Fläche in Anspruch nehmen, also 5,5 ha Filterfläche zzgl. Nebenanlagen. Sie wäre damit zwei- bis fünfmal so groß wie die Anlage in Biesdorf. Eine derartige Anlage sei in Deutschland noch nie gebaut worden und die vorhandene Fläche reiche dafür nicht aus. Daher liege der Fokus auf dem Trockenwetterabfluss, weil man hier mit weitaus weniger Fläche einen hohen Reinigungseffekt erzielen könne. Für die Behandlung des Regenwetterabflusses gebe es Überlegungen, vorhandene Becken in der Josef-Orlopp- und der Siegfriedstraße zu ertüchtigen.

 

 

Diskussion

Mehrere Anwohnerinnen und Anwohner äußern sich kritisch zum Thema. Es wird u. a. gefragt:

  • wie intensiv die Anfragen bei der Deutschen Bahn zur Fläche in der Buchberger Straße waren;
  • wie eine Regenwasserreinigungsanlage aussieht;
  • warum die Gutachten nicht frühzeitig veröffentlicht wurden und die Bürger nicht einbezogen gewesen wären;
  • warum die BWB nicht schon viel früher Maßnahmen geplant hätten? Es wäre doch schon damals klar gewesen, dass etwas gemacht werden muss. Der Ruschegraben ist 2005-10 schon einmal gemacht worden, warum wurde das damals nicht berücksichtigt?

 

Weitere Kritik bezieht sich darauf, dass die Bürger nicht von sich aus wissen könnten, wie die Planungsabläufe in der Bauplanung über Jahre hinweg abliefen. Es sei misslich, dass die Suche nach einer Lösung für die Reinigungsanlage so lange versäumt wurde, dass sie jetzt nur noch im Kontext des letzten Abschnitts der Entwicklung an der Rummelsburger Bucht gefunden werden könne.

Der Wohnungsbau sei gut und wichtig, aber man könne keinen Blankoscheck ausstellen. Wenn die Sportfläche einmal weg sei, wisse niemand, ob dafür jemals Ersatz geschaffen würde.

Hr. Heymann von WIR e. V. fragt, ob die Reinigungsanlage auch unterirdisch realisierbar sei und wer eigentlich Bauherr der Anlage sei - die Wasserbetriebe oder das Land? Er weist außerdem auf Aspekte des Gemeinwesens hin, die noch nicht angesprochen wurden, z. B. den eventuellen Platzbedarf für eine Schule. Dafür sei die Fläche in der Georg-Löwenstein-Straße unverzichtbar.

 

Frau van der Wall stellt folgende weitere Fragen:

Wo liegen die Schmutzwasserfehlanschlüsse, woher kommt das Wasser, wer ist verantwortlich, wann werden sie behoben?

Warum sollten nur unterschiedliche Potentialflächen vorwiegend im Mündungsbereich des Ruschegrabens untersucht werden und wurden nur welche im Mittellauf untersucht? Was ist mit dem Oberlauf, der doch höher liegen müsste?

Welche Möglichkeiten der Reinigung gibt es beim westlichen Zufluss, bevor er in den Fennpfuhl mündet? Welche baulichen und städtebaulichen Möglichkeiten gäbe es an der Konrad-Wolf-Straße oder an der Landsberger Allee, wo doch wohl ein recht hoher Eintrag erfolgt?

Außerdem weist sie darauf hin, dass der Regenwasserabfluss bislang bei der Beurteilung von Baumaßnahmen in den Ausschüssen keine Rolle spielte, die gegenseitigen Wechselwirkungen nicht bekannt seien. Aus ihren beruflichen Erfahrungen weiß sie, dass man Wasserverschmutzungen am günstigsten am Ort der Verursachung behebt und die Bundesrepublik bereits Ende der 80er Jahre große Erfolge auf diesem Gebiet vorweisen konnte. Ohne eine vergleichbare Klärung für das große Einzugsgebiet des Ruschegrabens könne sie einer Fortführung des B-Planverfahrens am Ostkreuz nicht zustimmen.

 

Hr. Schulgen beantwortet die Fragen. Man habe untersucht, welche Maßnahmen in den oberen Bereichen möglich sind. Im Ergebnis liegt der Fokus auf dem Trockenwetterabfluss. Das Regenwasser kann in diesem Gebiet nicht oberirdisch aufgefangen werden, weil die Flächen zu klein sind und die Becken zu schnell volllaufen würden. Daher wird die Regenwasserreinigung unterirdisch stattfinden. Diese Maßnahme sei ca. dreimal so teuer wie der geplante Retentionsfilter für den Trockenwetterabfluss und erfolgt deutlich später. Man habe bei den Planungen nichts versäumt. Man sei von den überzogenen Planungen aus den 1990ern abgerückt, das Gebiet an der Mole mit einem großen Investor zu entwickeln. Der Bezirk habe sich für eine kleinteiligere Bebauung mit Mischnutzung entschieden. Damit stelle sich die Frage, wo die Reinigungsanlage entstehen soll.

Eine Reinigung des Wassers weiter oben im Lauf des Ruschegrabens sei nicht möglich - der Trockenwetterabfluss müsse gesammelt am Ende des Grabens erfolgen. Zu prüfen sei, ob man auch mit der Hälfte oder drei Viertel der Fläche auskommen könnte. Für die Ersatzfläche würden Mittel in den Landeshaushalt eingestellt werden.

 

Fr. Schulze ergänzt, dass die Reinigung des Trockenwetterabflusses in der Tat nur offen und begrünt erfolgen könne. Die Reinigung des Regenwetterabflusses sei auch unterirdisch möglich, aber deutlich teurer. Die Planung erfolge durch die Wasserbetriebe. Im Jahr 2005 sei nur das Auslaufbauwerk wiederhergestellt worden, das im Krieg zerstört worden war. Die Wasserbetriebe hätten sich bezüglich der Fläche in der Buchberger Straße ebenfalls erfolglos an die Deutsche Bahn gewandt.

 

Hr. Siebert informiert, man habe im südlichen Bereich der Einleiter nach einer geeigneten Fläche gesucht, weil dieser am tiefsten liegt. Von den 19 untersuchten Flächen hatten 15 No-Go-Kriterien. Er hätte sich mehrfach ohne Ergebnis an das Flächenmanagement der Bahn gewandt - schriftlich, telefonisch und in persönlichen Gesprächen. Die Fläche in der Buchberger Straße habe physische Nachteile wie z. B. Böschungen, aktuelle Nutzungen, und sei baulich schwer in den Griff zu bekommen. Dies sei im Gutachten sehr kurz dargestellt, wurde aber intensiv untersucht.

 

Hr. Deißler ergänzt, dass alle Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserqualität des Rummelsburger  mit der Sanierung der Einleiter beginnen müssten. Es handle sich auch erst um einen Arbeitsstand.

 

Hr. Petermann ist der Ansicht, die frühzeitige Festlegung auf die Fläche in der Georg-Löwenstein-Straße sei nicht richtig gewesen. Es könne angesichts der zahlreichen ungeklärten Fragen kein Blankoscheck gegeben werden. Man würde daher nicht die Genehmigung des B-Planes Ostkreuz als einziges Instrument der Bezirksverordneten aus der Hand geben.

 

Hr. Fischer schlägt vor, das Thema Wasserqualität separat im Umweltausschuss zu besprechen. Weitere Anwohner äußern deutliche Kritik an der geplanten Umwidmung der Sportfläche.

 

BzStR Nünthel argumentiert, Auslöser für die Diskussion sei zwar der B-Plan XVII-4 gewesen, aber allein mit diesem Plan sei das Problem nicht lösbar, weil alle untersuchten Flächen außerhalb liegen. Gemeinsames Ziel sei, die eingetragenen Mengen an Schadstoffen zu verringern. Wird nichts unternommen, gehen die Stoffe weiterhin in den See. Das habe aber mit dem Verfahren an der Mole nichts zu tun. Niemand wisse, wie viel von der Sportfläche tatsächlich benötigt wird. Eine Reinigung des Trockenwetterabflusses helfe dem See und sei definitiv nicht sinnlos. Andere Themen wie die Reinigung des Regenwassers seien ohne Frage ebenfalls zu klären. Nichts zu tun sei jedoch die schlechteste Variante. Die BVV wird den Abwägungsbeschluss erhalten und die Ergebnisse werden mit den Bewohnern kommuniziert. Eine abschließende Klärung sei heute nicht möglich.

 

Hr. Schulgen weist darauf hin, dass diese Abwägung erst stattfinden kann, wenn der B-Plan aufgestellt ist.

 

Prof. Hofmann schlägt vor, die Sitzung an dieser Stelle zu beenden. Aspekte der Wasserqualität werden weiter im Umweltausschuss behandelt. Der Ausschuss für Ökologische Stadtentwicklung wird sich weiter mit dem Thema beschäftigen.

 
 

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