Drucksache - DS/1540/VI
Die Bezirksverordnetenversammlung wolle beschließen: Das Bezirksamt wird ersucht nur noch mit solchen
Wohnungsunternehmen werbewirksame Kooperationen einzugehen, die eine
bürgerfreundliche Mietpreispolitik nachweisen können. Bürgerfreundliche Mietpreispolitik wird dabei folgendermaßen
definiert:
Das Bezirksamt wird ersucht solchen Wohnungsunternehmen, die
mindestens eines der beiden Kriterien verletzen, insbesondere zu untersagen:
Bezüglich 1.-4. bestehende Verträge zwischen Bezirksamt und Kriterien
verletzenden Wohnungsunternehmen sind vom Bezirksamt zum nächstmöglichen
Zeitpunkt zu kündigen. Das Bezirksamt wird ersucht die BVV mindestens einmal im
Jahr über bestehende Verträge zwischen Wohnungsunternehmen gemäß 1.-4. zu
informieren, einschließlich Vertragsbeginn, Vertragsende und Kündigungsfristen. Begründung: Die jetzige Praxis von ansässigen, oftmals landeseigenen
Wohnungsunternehmen wie etwa die HOWOGE oder die DEGEWO, bei Bestandsmieten den
Spielraum, den der Mietspiegel bietet, bis zur Kante auszureizen und bei
Neuvermietungen deutlich drüberzulegen, führt zu einer selbstinduzierten Mietpreis-Spirale,
die den Wert für die Vergleichsmieten, der alle 2 Jahre festgestellt wird, nach
oben schraubt. Diese Praxis beschleunigte nachweislich die Gentrifizierung
und Ghettoisierung von Straßenzügen (letzteres z. B. Löwenberger Str. 2-4,
Weißenseer Weg 1-2) und ganzen Stadtteilen auch in Lichtenberg und führt
neuerdings zu einer unangemessen hohen Inanspruchnahme von Subventionen für
überteuertes Wohnen (Wohngeld). Lichtenberg ist neben Friedrichshain-Kreuzberg
derzeit unter den Bezirken Spitzenreiter bei der Wartezeit zwischen
Wohngeld-Antrag und Bescheid. Mit dem Kriterium 1 wird sichergestellt, dass solche
Unternehmen keine Zusammenarbeit mit dem Bezirk bei ihrer PR-Arbeit mehr
erwarten können. Um sicherzustellen, dass mit dem Bezirk kooperierende
Wohnungsunternehmen die Einkommensentwicklung der Berliner Bevölkerung nachhaltig
berücksichtigen und spontane Schwankungen in dieser Entwicklung nicht
überbewertet werden, ist die Betrachtung über einen Fünfjahreszeitraum gemäß
Kriterium 2 angemessen. Die BVV Lichtenberg beschloss im Dezember 2007 mit dem
Antrag DS/0623/VI, dass sich das Bezirksamt gegenüber dem Senat dafür einsetzen
soll, dass landeseigene Wohnungs-baugesellschaften sich verpflichten bei
Mieterhöhungsbegehren die Entwicklung der mittleren Haushaltsnettoeinkommen der
einzelnen Berliner Bezirke zu berücksichtigen. Die Senatsverwaltung für
Stadtentwicklung lehnte in ihrem Antwortschreiben das Ansinnen u. a. mit der
Begründung ab, dass der Mietspiegel ausreichend Schutz vor übermäßigen
Mietsteigerungen biete - obwohl schon damals die stark aufklaffende Lücke
zwischen Mietpreis- und Einkommensentwicklung sowohl bezirks- als auch
berlinweit festzustellen war. Während seit der Jahrtausendwende in Lichtenberg
zweistellige Steigerungen der durchschnittlichen Kaltmieten durchgesetzt
wurden, verharrte das Lichtenberger Haushaltsnettoeinkommen im selben Zeitraum
konstant bei etwa 1500 Euro und das mittlere Pro-Kopf-Einkommen bei etwa 900
Euro. Der wichtigste Vermieter und hauptsächliche Mietpreistreiber
im Bezirk, die HOWOGE, hat im selben Zeitraum jedes Jahr zweistellige
Millionengewinne für den Senat eingefahren. Innerhalb von vier Jahren konnte
das Unternehmen dabei seinen Reingewinn verdoppeln. HOWOGE-Entwicklung
von Mietpreis und Gewinn
Vergleich Netto-Kaltmieten Wohnungsbaugesellschaften und
insgesamt Berliner Wohnungsmarkt
Tabelle 2:
Staatliche Unternehmen ziehen überdurchschnittlich die Mieten an Quelle Tabelle 1 und 2: Eigene Zusammenstellung aus Daten
vom Beteiligungsbericht 2009: Mit ihrer Mietpreispolitik leistet die HOWOGE einen
wichtigen Beitrag dafür, dass Lichtenberg von allen Bezirken den momentan
dritthöchsten Anstieg der Mietpreise bei Neuvermietungen verzeichnet.
Tabelle 3: Ranking Bezirke nach Mietpreissteigerung (letzte
Spalte), Spitzenwert fettgedruckt; Spitzenwert Bestandsmieten:
Steglitz-Zehlendorf mit 5,13 – Quelle: BBU, Berliner Morgenpost 28./29.11.2009
Tabelle 4: Wohnangebote der HOWOGE zum Stichtag 24.11.2009;
Quelle eigene Berechnungen aus Daten abgerufen von
http://www.howoge.de/mietwohnungen/index.html Einen kleinen Bruchteil der Gewinne nutzt sie für
imagefördernde Charity-Aktivitäten im Bezirk, wie das Sponsern ansässiger
Sportvereine und Sozialeinrichtungen oder
Patenschaften im Tierpark Friedrichsfelde. Damit verhält sie sich wie
ein geltungsbedürftiger Feuerwehrmann, der selber Brände legt, um sie hinterher
teilweise zu löschen. Hier muss der Bezirk ein eigenes Druckmittel aufbauen und
die Zusammenarbeit für solche Charity-Aktivitäten und sonstige PR-Arbeit so
weit wie möglich aufkündigen, solange das Unternehmen eine
segregationsfördernde Mietpreispolitik betreibt. Hoffen und Bitten, dass auf Landes- oder Bundesebene
Rahmenbedingungen für eine bürgerfreundliche und segregationshemmende
Mietpreispolitik in Berlin geschaffen werden, haben sich in jüngster
Vergangenheit als vergebliche Liebesmüh erwiesen. |
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