Drucksache - DS/0817/V  

 
 
Betreff: Fortschreibung von Mietobergrenzen in Modernisierungs- und Instandsetzungsvorhaben in den Sanierungsgebieten Lichtenberg - Kaskelstraße und - Weitlingstraße und Sicherung von Sozialplanstandards bei der Betreuung von sanierungsbetroffenen Mietern
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:BezirksamtBezirksamt
Verfasser:BzStRin StadtBzStRin Stadt,
Drucksache-Art:Vorlage zur KenntnisnahmeVorlage zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg von Berlin Entscheidung
21.01.2004 
26. Sitzung in der V. Wahlperiode der Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg von Berlin zur Kenntnis genommen   

Sachverhalt
Anlagen:
Vorlage z. Ktn. BA PDF-Dokument

Das Bezirksamt bittet die BVV, Folgendes zur Kenntnis zu nehmen:

Das Bezirksamt bittet die BVV, Folgendes zur Kenntnis zu nehmen:

 

1.    Die mit Bezirksamtsbeschluss 3/244/00 vom 31.10.2000 festgelegten Mietobergrenzen für Bestandswohnraum nach Modernisierung und Instandsetzung und die Sozialplanstandards bei der Betreuung sanierungsbetroffener Mieter werden fortgeschrieben.

 

2.    Zur angemessenen Wohnraumversorgung sanierungsbetroffener Mieter sowie von gebietsansässigen Haushalten mit dringendem Wohnraumbedarf dürfen nach Modernisierung und Instandsetzung von Bestandswohnraum in den beiden Lichtenberger Sanierungsgebieten für 50% der Wohnfläche je Aufgang, mindestens aber für den aus dem Objekt heraus begründeten Wohnraumbedarf im Hause, in den ersten drei Jahren nach Bezugsfertigkeit die nachfolgenden Mietobergrenzen (netto kalt) nicht überschritten werden:

Wohnungen unter 40 m² Wohnfläche                                                        4,00 € / m²

Wohnungen mit 40 bis unter 60 m² Wohnfläche                                       3,85 € / m²

Wohnungen mit 60 bis unter 90 m² Wohnfläche                                       3,75 € / m²

Wohnungen mit 90 und mehr m² Wohnfläche                                           3,65 € / m²

 

3.    Die Eigentümer haben dem Bezirksamt ein Belegrecht für die nach Nr. 2 preisgebundenen Wohnflächen einzuräumen. Die preisgebundene Wohnfläche ist einzelnen Wohnungen zuzuordnen. Die Auswahl der Wohnungen soll einen nach Wohngeschoss, Ausrichtung, Ausstattung, Größe, Grundriss, Zimmerzahl repräsentativen Querschnitt möglichst passgenau abbilden.

 

4.    Wird dem Bezirksamt das Belegrecht für besonders nachgefragte Wohnungen eingeräumt, so soll das Bezirksamt die Quote der preisgebundenen Wohnfläche im Gegenzug auf bis zu 30% reduzieren. Eine dementsprechende Reduzierung der Quote kann auch in dem Maße erfolgen, wie das Bezirksamt eine Mietenbindung von mehr als drei Jahren für bestimmte Wohnungen benötigt oder aus sozialplanerischen Gründen für einzelne Haushalte eine niedrigere Mietobergrenze festsetzt.

 

5.    Zur Sicherung einer angemessenen Wohnraumversorgung der Bestandsmieter ist gemäß §180 BauGB in Verbindung mit den Sozialplanrichtlinien des Landes Berlin ein Sozialplanverfahren für die sanierungsbetroffenen Haushalte durchzuführen. Bestandteil des Sozialplanverfahrens ist der Abschluss von rechtsgültigen Modernisierungsvereinbarungen zwischen den Bestandsmietern und dem Vermieter, die den sozialen Sanierungszielen nicht widersprechen. Die für die Sozialplanverfahren zuständige Stelle im Bezirksamt stellt die Sozialpläne fest. Die festgestellten Sozialpläne sind für den Eigentümer bindend. Die Durchführung und Überwachung der festgestellten Sozialpläne ist durch kontinuierliche Beratung und Betreuung zu gewährleisten.

 

6.    Die Mietobergrenzen, Belegungsbindungen und Sozialplanfestlegungen sind durch einen zwischen Bezirksamt und Eigentümer zu schließenden städtebaulichen Vertrag im Sinne des § 145 Abs. 4 Satz 3 BauGB zu sichern. Kommt ein derartiger Vertrag innerhalb der Bescheidfristen des § 145 (1) BauGB nicht zustande, soll eine sanierungsrechtliche Genehmigung des Vorhabens nur unter der aufschiebenden Bedingung erteilt werden, dass ein solcher Vertrag vor Maßnahmenbeginn abgeschlossen wird.

 

7.    Unter Geltung dieses Beschlusses abgeschlossene oder im Bindungszeitraum substantiell geänderte Wohnungsmietverträge sind der zuständigen Stelle im Bezirksamt vorzulegen.

 

8.    Werden beabsichtigte Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, für die noch keine sanierungsrechtliche Genehmigung beantragt ist, vom Eigentümer angekündigt

oder anderweitig bekannt, so soll die zuständige Stelle eine aufsuchende Mieterberatung beauftragen. Unzulässige Baumaßnahmen sind mit ordnungsrechtlichen Mitteln zu unterbinden.

 

9.    Anträge, die ab dem Tage des Bezirksamtsbeschlusses im Bezirksamt eingehen sowie Anträge, die am Tage des Bezirksamtsbeschlusses noch nicht prüffähig vorliegen, unterliegen den Regelungen dieses Beschlusses.

 

10.  Dieser Beschluss soll innerhalb von drei Jahren durch eine aktuelle Sozialstudie dahingehend überprüft werden, ob die Voraussetzungen für die Beschlussfassung noch bestehen bzw. ob eine Fortschreibung oder Aufhebung dieses Beschlusses erforderlich ist.

 

 

 

 

 

Berlin, den

 

 

 

 

 

Emmrich                                                             Lompscher

Bezirksbürgermeisterin                                      Bezirksstadträtin für Stadtentwicklung

 


 

 

 

Begründung

zu 1)+2) Seit dem Bezirksamtsbeschluss vom 31.10.2000 haben sich die Sozialstruktur der Wohnbevölkerung, das Wohnraumangebot, die Förderung der Altbaumodernisierung und Altbauinstandsetzung und die rechtliche Beurteilung des bisherigen Mietobergrenzeninstrumentariums soweit verändert, dass eine Fortschreibung der Mietobergrenzen und Sozialplanstandards unerlässlich erscheint.

In ihrem Schlussbericht “Sozialstruktur und Mietentwicklung in den Lichtenberger Sanierungsgebieten Kaskelstraße und Weitlingstraße 2002” stellt TOPOS Stadtforschung u.a. fest, dass über 80% der erfassten Haushalte bereits in Vollstandardwohnungen mit Bad, Innentoilette und Heizung wohnen. Deren durchschnittliche Nettokaltmieten liegen auch Dank der fortwirkenden Förderbindungen und Mietobergrenzen je nach Wohnungsgrößenkategorie um 0,23 bis 0,80 €/m² unter den entsprechenden Mittelwerten des Berliner Mietspiegels 2003 für die östlichen Bezirke und müssen als vergleichsweise moderat bezeichnet werden.

Andererseits hat sich die Entmischung der Wohnbevölkerung insofern verstärkt, als dass sich die einkommensschwachen Bevölkerungsteile mehr und mehr in den nicht modernisierten Gebäuden und Wohnungen konzentrieren. Hier liegen die Durchschnittseinkommen bei nur noch 73,5% der Einkommen der Mietspiegelbevölkerung.

Es ist mit Blick auf die Zielgenauigkeit des Instrumentariums geboten, die soziale Abfederung des Sanierungsprozesses nicht länger an der gesamten Gebietsbevölkerung auszurichten, sondern auf die Bedürfnisse der Haushalte in den noch nicht auf Vollstandard modernisierten Wohnungen zuzuschneiden, zumal das Mietobergrenzen- und Sozialplaninstrumentarium nur im Zusammenhang mit der sanierungsrechtlichen Genehmigung von Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen zur Anwendung kommt.

Seit Berlin im Jahre 2002 seine Förderung von Altbaumodernisierungen und –instandsetzungen eingestellt hat, können Investoren vor allem noch auf zinsverbilligte Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), auf erhöhte steuerliche Absetzungen nach § 7h des Einkommensteuergesetzes oder auf Zuschüsse nach § 3 des Investitionszulagengesetzes zurückgreifen. Die Höhe der erzielbaren Mieten spielen für die Refinanzierbarkeit und damit Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen seitdem eine noch bedeutendere Rolle.

Mit Urteil VG 13 A 424.01 hat das Berliner Verwaltungsgericht für ein Vorhaben in Friedrichshain-Kreuzberg entschieden, in Sanierungsgebieten seien behördliche Mietobergrenzen zum Schutz der angestammten Wohnbevölkerung vor Verdrängung unzulässig. Zugleich hat das Gericht die Auffassung des Bezirks bestätigt, dass für die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen vom Eigentümer verlangt werden kann, dem Sozialplan entsprechende Vereinbarungen – z.B. zu den Mieten – mit den Mietern zu treffen.

Aus den vorgenannten Gründen sollen die Mietenbegrenzungen auf den bedürftigen Personenkreis zugeschnitten und dabei die Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen gewahrt werden.

Folgende wesentliche Veränderungen beinhaltet der vorliegende Beschluss:

 

Beschluss 2000

Beschlussvorlage 2003

Mietobergrenzen (netto kalt)

3,73 – 4,55 €/m²

3,65 – 4,00 €/m²

Mietenbindung für bestehende Wohnungen

100 %

30 – 50 %

(mindestens aber die bleibewilligen Haushalte)

Bindungsdauer

bis 31.12.2005

3 Jahre nach Fertigstellung

Mietenfortschreibung in der Bindungsfrist

bis max. 90 % des jeweiligen Mietspiegelmittelwertes

keine

Begünstigtenkreis

alle Mieter

Sanierungsbetroffene und dringende Fälle

TOPOS hat im Rahmen der Sozialstudie ermittelt, dass 40% der Haushalte in Teilstandardwohnungen keine Auszugsabsichten hegen und weitere 18% zwar nicht im selben Haus, aber im Wohngebiet verbleiben möchten. Wegen des üblichen Leerstandes in den zu sanierenden Objekten und den Differenzen in der Passgenauigkeit zwischen Wohnraumangebot und Nachfrage reichen durchschnittlich ca. 50% der fertig werdenden Wohnungen aus, um jedem bleibewilligen sanierungsbetroffenen Haushalt eine angemessene Wohnung sichern zu können. Entscheidet sich im Einzelfall ein höherer Prozentsatz der Mieter eines Hauses für den Verbleib im selben Objekt, so muss dieser schon wegen seiner gültigen Mietverträge im Objekt versorgt werden können.

Nicht selten führen Bauschäden und Instandhaltungsrückstände in den unsanierten Objekten zu unhaltbaren Zuständen. Um auch solchen Betroffenen, bei denen eine Modernisierung und Instandsetzung des Gebäudes nicht unmittelbar bevorsteht, einen Verbleib im Wohngebiet zu ermöglichen, bedarf es auch der Sicherung eines Wohnraumangebots für derart dringend zu versorgende Fälle.

zu 3) Um den sanierungsbetroffenen Haushalten den entsprechenden Ersatzwohnraum anbieten zu können, muss sich der Bezirk ein Belegrecht für die benötigte Wohnflächenquote sichern. Damit dies nicht überwiegend unbeliebte oder weniger attraktive Wohnungen sind, ist es wichtig, Zugriff mindestens auf einen repräsentativen Querschnitt des Angebots zu bekommen. Da zum Zeitpunkt der sanierungsrechtlichen Genehmigung des Vorhabens nur die sanierungsbetroffenen Mieter des selben Hauses, nicht aber der sonstige Ersatzwohnraumbedarf aus den Gebieten, bekannt sind, muss das Belegrecht mieterunabhängig gelten.

zu 4)   Je passgenauer die tatsächlich angebotenen Wohnungen für die typischen und konkreten sanierungsbetroffenen Haushalte sind, desto weniger Wohnungen müssen für die Versorgung von Sanierungsbetroffenen vorgehalten werden. Besonders gefragt sind z.B. kleine Zweizimmerwohnungen oder familiengerechter Wohnraum ab vier Zimmern. Unbeliebt sind Erdgeschosswohnungen in unattraktiver Lage.

Bedarf es im Einzelfall weitreichenderer Sozialplanbeschränkungen hinsichtlich der Miethöhe oder Mietenbindung, soll sich die Wirtschaftlichkeit des Objektes dadurch nicht unangemessen verschlechtern.

zu 5)   In Nr. 3 des Senatsbeschlusses “Leitsätze zur Stadterneuerung in Berlin” vom 31. August 1993 heißt es u.a., dass “die Verdrängung insbesondere einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen” und “individuelle Härten für anpassungsunfähige Haushalte” zu vermeiden seien. Diese Sozialplangrundsätze wurden konkretisiert durch den Bericht zu den vorbereitenden Untersuchungen und der Vorlage zum Senatsbeschluss über die förmliche Festlegung von Sanierungsgebieten vom 18. November 1994 und den Sozialplanrichtlinien Berlins.

Im Verlaufe des Sozialplanverfahrens lässt der Bezirk durch eine eigentümerunabhängige Mieterberatungsgesellschaft u.a. klären, ob der betroffene Haushalt während der Baumaßnahmen in der Wohnung verbleiben kann, welche Zwischenumsetz- oder Ersatzwohnung seinen Bedürfnissen und Möglichkeiten entspricht und in welcher Weise finanzielle und andere Härten vermieden oder gemildert werden können. Die sanierungsrechtliche Genehmigung der Baumaßnahmen soll nur unter der aufschiebenden Bedingung erteilt werden, dass der Eigentümer mit den jeweiligen Bestandsmietern vor Beginn der Baumaßnahmen derartige ggf. auch einklagbare privatrechtliche Vereinbarungen abgeschlossen hat.

zu 6)+7) Durch das Rechtsgutachten “Soziale Sanierungsziele und Mietobergrenzen” von Prof. Dr. Schmidt-Eichstaedt vom 27.08.2001 wurde die Auffassung des Bezirksamts bestätigt, dass die Mietobergrenzen, Belegungsbindungen und Sozialplanfeststellungen am ehesten durch einen Städtebaulichen Vertrag zwischen Eigentümer und Bezirksamt gesichert werden können. Zu den Vertragsinhalten heißt es u.a. “Die Erfüllung dieser Pflichten muss durch geeignete Sicherungsinstrumente im Vertrag gewährleistet werden. Als Sicherungsinstrument käme z.B. die Vereinbarung einer Vertragsstrafe in Frage, die so hoch sein muss, dass sie etwaige Gewinne aus Mietverträgen zu vertragswidrigen Konditionen zumindest aufwiegt; die Zahlung der Vertragsstrafe könnte durch Hinterlegung oder durch Bankbürgschaft mit den üblichen Klauseln (Verzicht auf die Einrede der Vorausklage usw.) abgesichert werden. Die Bürgschaftsurkunde ist erst nach Ablauf der Bindungsfrist freizugeben, sofern der Eigentümer durch Vorlage der Mietverträge nachweist, dass er sich vertragskonform verhalten hat. Teilfreigaben während der Bindungsfrist sollten möglich sein.”

zu 8)   Nicht selten ist ein erheblicher Teil der Mieter bereits vor einer förmlichen Ankündigung von Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen ausgezogen. Eine derartige ungesteuerte und selten sozialplangerechte Entmietung ohne ausreichende Beratung und Betreuung der betroffenen Mieter widerspricht den Sanierungszielen. Deshalb sollen die Mieter bereits dann aufgesucht werden können, wenn erste Tatbestände oder Indizien auf bevorstehende Maßnahmen hindeuten. Nicht genehmigte Baumaßnahmen sind zu unterbinden, ggf. auch durch Anordnung von Baustops.

zu 10) Die Eigentümer haben einen Anspruch darauf, dass die Durchsetzung der sozialen Ziele der Sanierung unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit der Mittel erfolgt. Deshalb ist das Instrumentarium in angemessenen Fristen an die jeweilige Schutzbedürftigkeit der Betroffenen anzupassen.

 

 
 

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