Auszug - Schwerpunktthema: Seewasserfilter am Obersee  

 
 
18. Sitzung in der IX. Wahlperiode des Ausschusses Klima-, Umwelt-, Natur- und Tierschutz sowie Grünflächen
TOP: Ö 4
Gremium: Klima-, Umwelt-, Natur- und Tierschutz sowie Grünflächen Beschlussart: erledigt
Datum: Di, 24.10.2023 Status: öffentlich
Zeit: 19:00 - 22:00 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: Mies van der Rohe Haus
Ort: Oberseestraße 60, 13053 Berlin (barrierefrei)
 
Wortprotokoll

Filiz Keküllüoğlu begrüßt Frau Sieker von den Berliner Wasserbetrieben (zuständig für Strategie der Abwasserentsorgung inkl. Pumpwerke, Regenwasser) sowie vom Umwelt- und Naturschutz Frau Anders (zuständig für Gewässerschutz und -entwicklung). Frau Anders erläutert zusammen mit Herrn Masius die Situation des Obersees. Eine Begehung des Obersees durch den Umweltausschuss soll nachgeholt werden. Die Bürgerdeputierte und langjährige Mitarbeiterin, Doris Nabrowsky (CDU), ergänzt den Bericht.
 

Historie:

Der Obersee ist ein in der Gründerzeit künstlich entstandenes Gewässer. Die hauptsächliche Funktion war die Aufnahme des Regenwassers aus dem neu entstandenen Straßennetz. Im Zeitraum von 1950 – 1990 war das Ministerium für Staatssicherheit für den Obersee zuständig. In diesem Zeitraum wurde die Uferbefestigung vorgenommen und es gab auch eine Entschlammung. Eine Dokumentation der Maßnahmen zum Obersee aus dieser Zeit liegt nicht vor. Von 1990 bis 2001 war die Gewässerunterhaltung der Senatsverwaltung verantwortlich. Diese übergab 2001 im Rahmen der Abschichtung der Aufgaben der Unterhaltung der stehenden Gewässer II. Ordnung den Obersee an das Bezirksamt Lichtenberg / Amt für Umwelt und Natur.  Im Jahr 2005 gründete sich der Förderverein Obersee-Orankesee e.V. um sich unter der Leitung von Dr. Jörg Ritter für die Umwelt und die Entwicklung der beiden Seen zu engagieren und für die Anwohner und Besucher zu entwickeln.

 

Filterung:

 

Die Einleitung von Regenwasser aus der Straßenentwässerung in Gewässer stellt generell ein Problem dar. In der Regel werden da wo möglich Reinigungs- und Filteranlagen vor der Einleitung in Gewässer eingebaut. Das ist im Falle des Obersees mit einem vertretbaren Aufwand nicht möglich gewesen, v.a. fehlte es an verfügbaren Flächen für den Bau einer Filteranlage vor dem Einlaufbauwerk.

 

In den 1990-iger Jahren kam es infolge von extremer Sommerwitterung zur vermehrten Blaualgenblüte damit verbunden zum Sterben von Fischen, Enten und Schwänen. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Obersee nicht in die Prioritätenliste Gewässersanierung der Senatsverwaltung für Umweltschutz aufgenommen, da es in Berlin andere Brennpunkte gab, wo Investitionen vorgenommen wurden.

 

Die ständige Verschlechterung der Wassergüte und die damit verbundenen Beeinträchtigungen von Besuchern und Anliegern erforderten aber eine Lösung für den Obersee und so kam es im Zeitraum von 2006 bis 2010 zu einer intensiven Zusammenarbeit mit den BWB.

 

Die BWB schlugen ein innovatives Projekt vor – einen Filter der mit dem Seewasser beschickt wird und sozusagen nachträglich die Wassergüte verbessert. In diesem Zeitraum trugen die BWB die Kosten für die Leistungen von Fachleuten aus Universitäten und Planungsbüros.

Es sollte eine Lösung gefunden werden, die die Einleitung von Regenwasser durch die BWB genehmigungsfähig macht. Das Ergebnis der Zusammenarbeit mit den BWB war eine Projektskizze, die als Grundlage für die Vergabe der Planungsleistungen diente. Die Finanzierung des Projektes Seewasserfilter erfolgte dann aus dem Umweltentlastungsprogramm. In einer wichtigen Phase der Planung fiel die Projektleiterin der BWB, Frau Lemm, aus. Sie hielt als versierte Fachfrau die Fäden des Netzwerkes in der Hand. Als sie 2013 plötzlich verstarb, konnte sie nicht mehr ersetzt werden.

 

Das Projekt war nur möglich, weil dem Bezirksamt ein Grundstück an der Oberseestraße zur Verfügung stand. Im Jahr 2011 begann der Bau des Seewasserfilters und der Obersee wurde teilentschlammt. Nach Inbetriebnahme des Seewasserfilters mussten nachträglich Änderungen vorgenommen werden, da die Reinigungsleistung nicht ausreichte. Das Prinzip der Reinigung beruht darauf, Wasser aus dem Obersee zu Pumpen und damit den höher gelegenen Seewasserfilter zu beschicken. Dabei wird dem Wasser vor allem Phosphor entzogen, das die Blaualgenblüte im Sommer verursacht. Darüber hinaus werden mit einer zusätzlichen Vorreinigungsstufe (Scheibenfilteranlage) Algen reduziert. Das Wasser des Obersees wird so zweimal im Jahr über den Seewasserfilter geleitet und gereinigt. Somit soll eine Verbesserung der Wasserqualität erreicht werden.

 

Es ist wichtig, den Reinigungs- und Betriebsprozess zu dokumentieren und zu begleiten, um eine Steuerung der Unterhaltung vornehmen zu können. Deshalb sind gegenwärtig Kosten für ein Monitoring wichtig.

 

Ein Grund für die bisher nicht erreichten Qualitätsziele der Wassergüte sind vermutlich illegale Abwassereinleitungen in die Regenwasserkanalisation. Das Bezirksamt hat dazu die BWB aufgefordert, diese Störungen zu ermitteln und zu beenden. Leider ergeben sich hier in der Zusammenarbeit mit den BWB weitere Hindernisse. Rückspülwasser aus der Scheibenfilteranlage muss derzeit noch in die Schmutzwasserkanalisation der BWB kostenpflichtig eingeleitet werden. Das verursacht zusätzliche Kosten.

 

Zuständigkeit:

 

Um die Komplexität der Thematik zu erkennen, ist es erforderlich, die Zuständigkeiten zu benennen.

 

Die Aufgaben der Gewässeraufsicht, Eisaufsicht und Unterhaltung für stehende Gewässer ll. Ordnung liegen bei den Bezirken.

 

Die BWB sind mit Bezug auf den Obersee für die Regenwasserkanalisation verantwortlich. Dazu gehört auch die Sicherung der Wassergüte in dem Maße, dass keine nachteiligen Auswirkungen auf die Wasserqualität und den ökologischen Zustand des Obersees entstehen. Für die Einleitung von Regenwasser aus der Straßenentwässerung ist eine wasserbehördliche Erlaubnis durch die Wasserbehörde des Bezirksamtes erforderlich. Die kann für den Obersee nicht erteilt werden, weil aktuell die Voraussetzungen fehlen.

 

Die BWB handeln im Auftrag des Landes Berlin. Sie benötigen bei größeren Investitionen die finanzielle Unterstützung der SenMVKU oder z.B. die Bereitstellung von Grundstücken für die erforderlichen wasserbaulichen Anlagen. Sie üben ihre Kontrollpflicht im Rahmen der Machbarkeit und gesetzlichen Vorgaben aus. Die Verursachenden von illegalen Abwassereinleitungen gehen oft sehr kreativ vor und es ist schwer und aufwändig den Ausgangspunkt für Falscheinleitungen zu ermitteln.

Kostenverteilung/Finanzierung:

 

  • Unterhalt und Wartung Wasserfilter 120 T€ jährlich -> Bezirk
  • Monitoring Filter und See 45 T€ jährlich -> Bezirk
  • Filterung -> Bezirk (haushalts-, nicht gebührenfinanziert)
  • Entsorgung der Filterrückstände in das Abwassersystem -> Bezirk, da dieses Abwasser nicht klar abtrennbar ist und ebenfalls im Klärwerk gereinigt wird (zudem sieht Abwassergebührenverordnung keine Ausnahmen vor)
  • Entschlammung des Sees ca. alle 6 Jahre: ca. 200 T€ -> Bezirk
  • Bau eines Klärschlammbeckens, Errichtung stationärer Scheibenfilteranlage zur Vorreinigung des Seewassers, 530 T€ Investition (verabschiedet) -> Bezirk
  • Untersuchung illegale Einleitungen in den See -> BWB
  • Gewässergütebauprogramm Trennsystem -> SenMVKU  (Auswahl Gewässer richtet sich nach bestimmten Kriterien wie Lage im Wasserschutzgebiet, Badegewässer etc.)
  • Haushaltstitel für die Regenwasserkanalisation ->SenMVKU (Festlegung, Umsetzung durch BWB)

 

Koordination und Abstimmung der Behörden -> Handlungsbedarf:

 

Die Zusammenarbeit zwischen Bezirk, Senat und BWB war in der Startphase des Projektes sehr gut und hat sich dann mit der Zeit auf Grund personeller Veränderungen verschlechtert. Anfangs flossen Fördermittel des Senats in das Projekt. Das Umwelt-Entlastungsprogramm des Senats wurde genutzt, um innovative Projekte zu fördern. Mit dem Ende des Förderprojektes endete auch die Zusammenarbeit. Die Ansprechpartner auf allen Seiten wechselten. Gespräche mit den BWB endeten mit der Zeit. Inzwischen fehlt dem Bezirk ein Ansprechpartner auf Senatsebene, da die Aufgaben der Wasserbehörde, der Gewässerunterhaltung und des Wasserbaus seit 2001 auf verschiedene Abteilungen verteilt wurden. Briefe an den Senat wurden nicht beantwortet. Die BWB und das Bezirksamt schlagen daher vor:

 

    Eine landesweite Steuerungsgruppe ins Leben rufen mit dem Ziel einer koordinierten Wasserbewirtschaftung unter Teilnahme der Umwelt-/Naturschutzämter, des Senats/der Oberen Wasserbehörde und der BWB

    Einführung eines Wasser- und Bodenverbandes

    Überarbeitung des Betreibervertrages zwischen dem Land Berlin und den BWB (aktuell veraltet aus den 90er Jahren) mit Anpassung des Zuständigkeitsbereiches, Definition neuer Aufgabenbereiche (angepasst an aktuelle und zukünftige Anforderungen) sowie der Gebührenstruktur

 

Die Mitglieder des Ausschusses begrüßen eine Koordination mit dem Senat und den BWB sowie eine Kostenbeteiligung des Senats.

 

Conrad Masius bestätigt Toni Kraus (DIE LINKE) und Philip Ahrens (B90/Die Grünen) des Weiteren, dass der Wasserfilter aktuell wieder läuft und sich die Wasserqualität nicht verschlechtert hat.

 

Frau Sieker und Frau Anders verlassen die Sitzung

 
 

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