Simona M. berichtet aus Zürich

Mein Name ist Simona Mihalache und ich arbeite in der Volkshochschule Lichtenberg als Koordinatorin für Deutschkurse für Geflüchtete. Neben den Integrationskursen sind diese Kurse ein weiterer wichtiger Teil des Bereichs Deutsch als Fremdsprache/Zweitsprache an den Volkshochschulen.

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Simona vor dem AOZ

Grüezi!

Ich habe mich im Rahmen des LoGo Europe Stipendienprogramms für eine Hospitation bei der Asyl Organisation in Zürich (AOZ) entschieden.
Zürich hat eine vergleichbare Anzahl von Geflüchteten aufgenommen wie der Bezirk Lichtenberg. Die AOZ übernimmt als zentrale Anlaufstelle im Auftrag der Stadt sämtliche Aufgaben im Migrations- und Asylbereich, darunter auch den Spracherwerb. Vom 14.09. bis zum 09.10. werde ich mehrere Standorte der AOZ und damit auch verschiedene Bereiche kennenlernen.
Ich interessiere mich dafür, wie die Deutschkurse für verschiedene Zielgruppen hier organisiert und durchgeführt werden: wie weit geht die Förderung zum Erlernen der deutschen Sprache (welches Sprachniveau können die Geflüchteten mit geförderten Sprachkursen erreichen)? Gibt es spezielle Förderungen für bestimmte Zielgruppen? Welche Unterrichtsmaterialien werden eingesetzt und über welche Qualifizierung verfügen die Lehrkräfte?
Des Weiteren möchte ich erkunden wie weit Deutschkurse mit digitalen Anteilen verbreitet sind, wie diese angenommen werden und ob es Angebote für die Verbesserung von digitalen Kompetenzen gibt. Gerade unter Pandemiebedingungen sind die Deutschkurse nicht der einzige Bereich, in dem vermehrt online gearbeitet wird. Die Arbeitsuche, die Wohnungssuche oder die Kommunikation mit Behörden sind nur einige weitere Bereiche in denen digitale Kompetenzen gefragt sind. Erfahrungsgemäß haben viele Geflüchtete Schwierigkeiten in diesen Bereichen, sei es weil die Infrastruktur fehlt (kein dauerhafter Internetzugang, keine leistungsfähigen Endgeräte) oder weil die Kompetenzen dafür fehlen.
Ich bin gespannt auf den Aufenthalt in Zürich und auf den Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen von der AOZ, die mich für die nächsten vier Wochen aufgenommen haben.

Vorbereitungen für den Deutschkurs im Einkaufszentrum Letzipark

Erste Woche: Soziale Integrationsprojekte

Die Fachorganisation AOZ ist eine öffentlich-rechtliche Einrichtung, die im Auftrag der Stadt Zürich, des Kantons Zürich sowie einzelner Gemeinden Integrationsarbeit für Migrant*innen leistet. Sie vereint unter einem Dach u.a. Sozialhilfeleistungen, Unterkünfte für Geflüchtete, berufliche und soziale Integration, psychosozialer Dienst, Bildungs- und Ausbildungsangebote und natürlich auch Sprachkursangebote.

Meine erste Woche der LoGo-Hospitation habe ich in der Abteilung Information und Kommunikation im Fachbereich Soziale Integrationsprojekte verbracht, wo ich sehr herzlich von den Mitarbeiterinnen empfangen wurde. Nach einem Rundgang durch das Bürogebäude und einer sehr gut strukturierten Einführungsrunde, konnte ich mir bereits einen guten Überblick über die Projekte und Angebote sowohl für Geflüchtete als auch für Migrant*innen verschaffen.

An meinem ersten Tag ist das ganze Team zu einem naheliegenden Restaurant essen gegangen: das Restaurant Paprika. Das Restaurant, auch ein Projekt der AOZ, ist ein Frauenunternehmen und die Mitarbeiterinnen, die aus verschiedenen Ländern kommen, bringen ihre eigenen Kocherfahrungen und –kultur mit. Man kann hier den Mittagstisch genießen oder für Events Catering bestellen. Das Essen schmeckt hervorragend und ist für Zürcher Verhältnisse auch bezahlbar.

Ein Schwerpunkt des Fachbereichs Soziale Integrationsprojekte sind die niedrigschwelligen Deutschschnupperkurse und die anschließende Weitervermittlung in Regeldeutschkursen. Zu diesem Zweck werden die Schnupperkurse an öffentlichen Orten angeboten: im Einkaufszentrum, in der Bibliothek, in einem Gemeinschaftszentrum. Einmal wöchentlich findet eine Lektion zu einem alltagsnahmen Thema statt, zum Beispiel zum Thema “Zahlen”. Insgesamt sind es 12 Themen; ein Schnupperkurs kann also 12 Mal besucht werden. Gleichzeitig findet eine Deutschberatung statt. Nach dem Kurs können sich die Teilnehmenden (TN) über weitere Deutschkursangebote in Zürich informieren. Die Berater*innen informieren über alle Angebote in der Stadt oder der Umgebung, nicht nur zu den hauseigenen. In der Bibliothek wird zusätzlich zum Unterricht eine Deutschlern-App präsentiert, mit der die TN auch von zu Hause lernen oder üben können. Bisher habe ich den Kurs und die Beratung im Einkaufszentrum besucht, ein Besuch in der Bibliothek steht noch an.

Im Unterschied zu den bundesweit angebotenen Integrationskursen in Deutschland, gibt es in der Schweiz kein vorgegebenes Deutschkurscurriculum. Die Gründe dafür liegen in der Mehrsprachigkeit des Landes sowie in der föderalistischen Struktur: Integration ist Aufgabe der Gemeinde. Die Sprachkurse für Personen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, orientieren sich am gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen, sie unterscheiden sich aber in formellen Aspekten.

Die Bezeichnung „Integrationskurs“ gibt es aber auch in der Schweiz. Das sind die sogenannten SwissSkills-Kurse, die in der jeweiligen Muttersprache der Geflüchteten angeboten werden und die das Ziel verfolgen, praktische Informationen über den Alltag und das Leben in der Schweiz zu vermitteln. Die Zielgruppe dieser Kurse sind die anerkannten Flüchtlinge, Asylsuchende können aber im Rahmen freier Plätze auch teilnehmen. Inhaltlich sind diese Kurse ähnlich der Erstorientierungskurse (EOK) des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, die gewisse lebensnahe Themen in den Kursen behandeln, wie z.B. Orientierung in der Gesellschaft, Ausbildung und Arbeit, Wohnen, Gesundheitssystem, Sozialhilfe usw.

Ein zweiter großer Schwerpunkt des Fachbereichs ist die Erstinformation für Migrant*innen und Geflüchtete. Ein Projekt der Erstinformation sind die o.g. SwissSkills-Kurse. Weitere Projekte sind Informationsstände oder Integrationsberatungen an ausgewählten Orten der Stadt, z.B. am Flohmarkt oder in Sprachencafés. Dort werden Neuzugewanderte oder Migrant*innen zu verschiedenen Integrationsfragen beraten: u.a. Deutschkurse, Arbeits- und Wohnungssuche, Rechtsberatung, Schule, Kinderbetreuung und Freizeitangebote. Dieses Informationsangebot gibt es auch telefonisch über die AOZ Info-Hotline und per WhatsApp Gruppen in den jeweiligen Muttersprachen. Diese Angebote sind kostenlos, niedrigschwellig und können ohne Terminvereinbarung besucht werden. Oft wird parallel dazu eine Kinderbetreuung angeboten, so dass sich die Eltern Zeit für die Beratung nehmen können. Personen, deren Muttersprache nicht angeboten wird, können im Rahmen eines individuellen Erstgesprächs mit einer muttersprachlichen AOZ Fachperson oder einer*m interkulturellen Dolmetscher*in über relevante Themen informiert werden und offene Fragen klären.

Einen weiteren Bereich, den ich besuchen durfte, war die Fachstelle Freiwilligenarbeit. Diese Stelle vermittelt in der Stadt Zürich Kontakte zwischen Personen, die sich freiwillig engagieren möchten, und Geflüchteten. Ich war von diesem System sehr beeindruckt, weil alles sehr gut organisiert ist. Es wird sehr genau auf eine bedarfsgerechte und passende Vermittlung geachtet. Jede*r Freiwillige*r wird in einem Einführungsgespräch über die Wichtigkeit dieses Engagements, den Erwartungen an Freiwillige aber auch über Rechte und Pflichten aufgeklärt. Es wird u.a. erwartet, dass eine Person eine Geflüchtete/ einen Geflüchteten für mindestens 6 Monate begleitet und auf die Bedürfnisse der begleiteten Person eingeht. Die AOZ bietet regelmäßig Fortbildungen und Austauschmöglichkeiten für die Freiwilligen an um offene Fragen anzugehen, Missverständnisse zu vermeiden und ein hoch qualitatives Angebot aufrecht zu erhalten.

Simona M. bei der Präsentation des Arbeitsgebiets in Berlin

Im Rahmen einer Präsentation des Bezirks Lichtenberg und meiner Tätigkeit bei der Volkshochschule bin ich mit dem Team der Sozialen Integrationsprojekte noch mal tiefer ins Gespräch gekommen und wir konnten viele Erfahrungen austauschen. Für mich war die erste Woche sehr reich an Eindrücken und ich habe sehr viel über die Flüchtlingsarbeit in Zürich gelernt. Ich freue mich schon sehr auf die zweite Woche, in der ich einen anderen Standort kennenlernen werde.

Das FOGO Areal

Zweite Woche: FOGO

Meine zweite Woche habe ich auf dem FOGO-Areal verbracht. Die Siedlung am Vulkanplatz in Zürich, unweit des Hauptbahnhofs, vereint auf seinem Gelände Wohnungen für Geflüchtete, Ateliers für Kreative, Gastronomie, ein Spielcafé, Deutschkurse mit Alphabetisierung für Geflüchtete, Studentenwohnungen und ein Platz für Fahrende. Das gemeinsame Projekt der AOZ, der Stiftung einfach Wohnen und des Jugendwohnnetzes Juwo ist ein Ort der Vielfalt in jeder Hinsicht.

Das FOGO-Areal ist auch aus architektonischer Sicht ein Hingucker: mitten auf der Anlage befinden sich die bunt bemalten Container-Wohnungen. Als festgestellt wurde, dass es zwischen den viel befahrenen angrenzenden Straßen doch sehr laut war, hat man auf allen Seiten Holzbauten errichtet, die optisch an den Rest der Anlage angepasst sind und die einen guten Schallschutz bieten. Diese Nebengebäude wurden als Gewerbeflächen freigegeben und werden von Selbstständigen und Kleinunternehmer*innen gemietet. Zum Beispiel gibt es dort einen Friseur, einen kreativen Blumenladen, Designerstudios, ein Architekturbüro usw. Weiterhin befindet sich auf dem Gelände ein offen zugänglicher Kinderspielplatz, der die Begegnung zwischen den Einheimischen und Migrant*innen fördern soll. Die Initiative dieCuisine bietet einen Ort für Erlebnisgastronomie. Dort werden verschiedene Veranstaltungen zum Thema nachhaltige Ernährung angeboten. Einen Einblick in das Leben der Bewohner*innen, Besucher*innen und Mieter*innen bietet die Portrait-Serie „Wir Menschen im FOGO.

Zu Besuch im Alphakurs (Modul 1)

Im AOZ-Kursgebäude finden die einzigen subventionierten Deutschkurse mit Alphabetisierung in Zürich statt. Da parallel zum Deutschkurs eine Kinderbetreuung angeboten wird, sind die meisten Kursteilnehmer*innen (TN) Frauen. Obwohl im Alltag alle Schweizerdeutsch reden, lernen die TN in den Kursen Hochdeutsch. In drei Räumen finden vormittags und nachmittags insgesamt 20 Kurse statt. Jede/r TN kann an einem Schreibtraining und einem Sprechtraining teilnehmen. Diese zwei Fertigkeiten werden an diesem Standort getrennt trainiert. Dies ist ein Vorteil für Personen, die schneller mündlich lernen oder sogar schon sprechen können, aber viel Schreibtraining brauchen. Beide Trainingseinheiten (2 Tage Schreibtraining und 1 Tag Sprechtraining) finden auf der passenden Stufe der TN statt. Die Gruppen können also unterschiedlich zusammengesetzt sein. In der Volkshochschule in Berlin haben wir oft Teilnehmende die gut sprechen, aber nicht schreiben können und so ein Angebot würde sich für sie gut eignen. Aber einige Kursleitende hier vor Ort sind der Meinung, dass ein Kursangebot in dem alle Fertigkeiten gleichzeitig trainiert werden, geeigneter wäre. Grund dafür ist, dass die TN in den meisten Fällen seit kurzer Zeit in der Schweiz sind und noch keine mündlichen Kenntnisse aufweisen. Sie lernen die Sprache von Null.

Die Kurse sind für manche TN unter bestimmten Bedingungen zwar auch kostenlos, aber sie müssen das Geld im Voraus bezahlen und bekommen es am Ende des Kurses wieder. Für Bewohner*innen der Stadt Zürich kostet die Kursteilnahme pro Semester CHF 760 zzgl. Kinderbetreuung (CHF 200). Mit der KulturLegi (einem Sozialausweis, ähnlich wie der Berlinpass) und einer Anwesenheit von mindesten 70% kann das Entgelt zurück erstattet werden. Am Kurs dürfen 25% Personen, die nicht in Zürich leben, teilnehmen, zum Beispiel, weil in ihren Gemeinden keine passenden Deutschkurse angeboten werden. Für sie ist jedoch der Kurs viel teurer: CHF 3040 pro Semester und CHF 450 für die Kinderbetreuung. Ein Teil der Kosten können über die Gemeinde zurück erstattet werden.

Die Kurse finden im langsamen Lerntempo statt, eine Stufe dauert ein Semester. Die TN kommen hauptsächlich aus Syrien und Eritrea, aber auch aus anderen afrikanischen Ländern, aus Afghanistan oder Serbien.

Eine weitere interessante Begegnung auf dem FOGO-Gelände war mit einer Mitarbeiterin des Fachbereichs Flüchtlingswohnen. Das kleine Büro im Erdgeschoss eines Containers ist jeden Tag geöffnet und bietet Beratung und Sprachmittlung für verschiedene Themen. Die Zielgruppe sind ausschließlich Resettlement Flüchtlinge. Speziell bei dieser Zielgruppe ist, dass ihr Flüchtlingsstatus anerkannt ist und sie direkt mit einer Aufenthaltsgenehmigung (dem sogenannten Ausweis B) in die Schweiz einreisen. Diese Geflüchteten werden im Kanton Zürich von der AOZ betreut. Ein Büro des Fachbereichs Flüchtlingswohnen gibt es in jeder Gemeinschaftsunterkunft. Dort können die Bewohner*innen in vielen Alltagssituationen unterstützt werden: Termine vereinbaren, Korrespondenz verstehen und erledigen, Kommunikation mit der Kita/Schule und bei der Wohnungssuche.

Die Tramonthalle

Dritte Woche: Tramonthalle

Meine dritte Hospitationswoche konnte ich in der Tramonthalle im Züricher Stadtteil Oerlikon verbringen. Hier sind ein Teil des Fachbereichs Bildung sowie der Fachbereich Arbeit und Integration angesiedelt. Ich war im Fachbereich Bildung, Abteilung für Basiskurse Deutsch und Integration zu Gast. Die Halle bietet zudem Platz für die Büros einiger Ämter und für städtische Arbeitsintegrationsmaßnahmen wie z.B. einer Holz-, einer Näh- und einer Fahrradwerkstatt. Auch die AOZ betreibt dort zwei große Projekte, die Migrantinnen und Migranten helfen sollen, erste Erfahrungen für den Arbeitsmarkt zu sammeln: das Restaurant Tasteria und der Second-Hand-Laden Brockito.

In meinem vorherigen Beitrag hatte ich erwähnt, dass das Deutschkursangebot vielfältig und unterschiedlich ist. Darauf möchte ich kurz näher eingehen: die Deutschkursangebote unterscheiden sich je nach Auftraggeber. Die Auftraggeber können die Gemeinden oder die Kantone sein. Die Integrationsmaßnahmen werden infolge von Ausschreibungen an Träger verteilt. Die Zielgruppe, die zeitliche Struktur und der Umfang der Kurse wird vom Auftraggeber bestimmt. Durch die erfolgreiche Akquise dieser Finanzierungen, konnte die AOZ, neben anderen Trägern, das Deutschkursangebot im Kanton Zürich erweitern. So entstanden im Fachbereich Bildung viele Abteilungen, die im Auftrag verschiedener Gemeinden oder des Kantons für unterschiedliche Zielgruppen Deutschkurse organisieren und durchführen. So kommt es, dass die Alphabetisierungskurse, die ich letzte Woche im FOGO besucht habe, und die Basiskurse Deutsch und Integration zwei verschiedene Abteilungen innerhalb des gleichen Fachbereichs sind. Die Deutschschnupperkurse, die ich in meiner ersten Woche besucht habe, sind sogar ein Angebot eines anderen Fachbereichs.

Der "AOZ-Teil" der Tramonthalle mit Kurs- und Büroräumen auf beiden Seiten des Flurs

Die Besonderheit in den Basiskursen Deutsch und Integration ist, dass das Curriculum, neben dem klassischen Deutschunterricht, auch „digitale Grundbildung“ (Computer Grundkenntnisse) und Alltagsmathematik vorsieht. Die Kurse sind i.d.R. intensive Kurse mit ca. 18 UE/ Woche, vormittags oder nachmittags. Parallel zu den Kursen wird eine Kinderbetreuung angeboten. An diesen Kursen können anerkannte Geflüchtete teilnehmen. Die Teilnehmende können bis einschließlich B1 lernen. Eine Stufe wird jeweils in 3 Modulen (z.B. A2.1, A2.2 und A2.3) unterteilt. Ein Modul dauert 8 Wochen und umfasst 140 UE. Die TN haben also nicht nur mehr Zeit zum Deutschlernen als in Berlin, aber ihnen werden auch andere Kenntnisse übermittelt: in den EDV-Grundkursen (ab Niveau A2) lernen die TN mit dem Computer umzugehen und diesen als Werkzeug im Alltag zu integrieren. Sie lernen Word-Dateien erstellen, im Internet zu recherchieren, mit E-Mail zu arbeiten usw. Sie lernen auch das Smartphone oder das Tablett sinnvoll als Übersetzungshilfe, zur Wohnungs- oder Arbeitssuche oder als Lerntool einzusetzen. Am Ende des Kurses werden die TN ihren Lebenslauf selbst erstellt haben und können diesen schon für die Arbeitsuche nutzen. Im Kursverlauf sind auch mehrere Expertenvorträge in der Muttersprache zu verschiedenen Themen vorgesehen, wie z.B. Gesundheitssystem, Gesellschaft und Politik, Schule, Polizei, Klimawandel usw. Des Weiteren sind mehrere Exkursionen geplant. Dabei besuchen die Gruppen sowohl Orte mit Alltags- und Arbeitsmarktbezug, wie z.B. Werkstätte, Krankenhäuser, eine Recycling-Anlage, als auch Museen oder den Zoo. Coronabedingt findet zwei Mal pro Modul der Unterricht über zoom statt, damit die TN damit vertraut sind, falls es zu einem Lockdown oder einer Quarantänesituation kommt.
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Der Standort in der Tramonthalle ist telc-Prüfungszentrum*. Ein Mal im Monat finden dort Deutschprüfungen für die Stufen A2, B1 und B2 statt. Zusätzlich kann man dort den Sprachnachweis fide erwerben. Fide ist die Bezeichnung für das Sprachenförderprogramm der Schweiz und steht für „Français, Italiano, Deutsch in der Schweiz“. Diese Sprachprüfung ist eine skalierte Sprachstandsfeststellung für die Stufen A1, A2 oder B1. Die fide-Prinzipien, nach denen auch die Deutschkurse der AOZ gerichtet sind, basieren auf Alltagsbezogenheit, Bedürfnis- und Handlungsorientierung.

Beleuchtungsabteilung im Brockito

Auch in dieser Woche hat mich das gute Mittagessen begleitet. Das Restaurant Tasteria bietet ein täglich wechselndes, preisgünstiges Angebot an frisch zubereiteten Gerichten. Migrant*innen können dort Erfahrungen im Gastronomiebereich sammeln und nehmen parallel an einem Deutschkurs teil.

Das Brockito, der Second-Hand-Laden, der auch Räumungen und Umzüge anbietet, ist ein weiteres Programm für die Arbeitsmarktintegration. Wie auch in der Gastronomie, können sich die TN für eine begleitende Deutschförderung und ein Jobcoaching anmelden. Ein kleiner Teil der großen Ladenfläche steht der Handwerkstatt Papier und Textil zur Verfügung. In liebevoller Handarbeit werden dort u.a. Geschenkartikel, Schmuck oder Papierprodukte hergestellt.

Letzte Woche: Geschäftsstelle der AOZ

Meine letzte Woche der Hospitation habe ich in der Geschäftsstelle der AOZ verbracht, im Büro des Fachbereichs Kommunikation. Hier hatte ich die Gelegenheit mich mit übergeordneten Themen zu beschäftigen, wie der Integrationsagenda und dem Asylverfahren.

2018 wurde in der Schweiz eine bundesweite Integrationsagenda verabschiedet. Diese soll dazu beitragen, Geflüchtete schneller in die Gesellschaft und in die Arbeitswelt zu integrieren. Die Integrationsagenda bestimmt in diesem Zusammenhang konkrete Ziele:

Alle Flüchtlinge und vorläufig aufgenommene Personen sollen nach drei Jahren Aufenthalt in der Schweiz Deutschgrundkenntnisse aufweisen;

80% aller Kinder im schulpflichtigen Alter (in der Schweiz wird man mit 4-5 Jahren eingeschult) sind in der Lage, sich in der Wohnortssprache zu verständigen;

66% der Jugendlichen im Alter von 16 bis 25 Jahren befinden sich nach fünf Jahren Aufenthalt in einer Ausbildung;

50% der Flüchtlinge und vorläufig anerkannten Personen sind nach sieben Jahren seit Einreise im Arbeitsmarkt integriert;

• Alle Geflüchteten sind nach sieben Jahren mit der Schweizer Gesellschaft vertraut und haben Kontakte zu der einheimischen Bevölkerung geknüpft.

Zu diesen Zwecken sollen die Geflüchteten die Möglichkeit haben, gleich nach der Ankunft mit dem Spracherwerb zu beginnen. Für jede Person steht eine Integrationspauschale von nunmehr CHF 18.000 zur Verfügung, im Vergleich zu der alten Pauschale von CHF 6.000. Aus diesem Budget sollen Maßnahmen für die soziale, sprachliche sowie Arbeitsintegration finanziert werden. Für die Umsetzung sind die Gemeinden zuständig. Verschiedene Zielgruppen sollen bedarfsgerecht unterstützt werden. So gibt es Angebote für Jugendliche, Personen im erwerbsfähigen Alter, unbegleitete Minderjährige und Kinder im Rahmen der frühen Förderung. Darüber hinaus wird die Freiwilligenarbeit als Angebot zur Förderung der sozialen Integration stärker unterstützt.

Im Zusammenhang mit der Integrationsagenda, die ab 2021 vollständig umgesetzt wird (2019 und 2020 waren Übergangjahre), entstehen auch neue Maßnahmen und Angebote der Integrationsförderung. Verschiedene Akteure haben sich für die Akkreditierung dieser Angebote beworben. Viele der bestehenden Angebote werden so ersetzt oder angepasst. Auch bei den Deutschkursen in der Tramonthalle, über die ich letzte Woche berichtet habe, werden sich Änderungen ergeben, wenn die AOZ die Ausschreibung gewinnt.

Des Weiteren konnte ich das Asylverfahren näher kennenlernen.
2019 wurde in der Schweiz das beschleunigte Asylverfahren eingeführt, so dass Betroffene maximal 100 Tage auf eine Entscheidung bezüglich ihres Asylgesuchs warten. Nur im Falle eines erweiterten Verfahrens, der eintritt, wenn der Sachverhalt nicht ausreichend geklärt ist, kann die Bearbeitung eines Asylantrags bis zu einem Jahr dauern. Bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Asylantrag haben die Geflüchteten den sogenannten Ausweis N. Der Status ist aufgrund der Buchstaben-Bezeichnungen einfach nachzuvollziehen. Anerkannte Flüchtlinge haben den B-Status, vorläufig aufgenommene Flüchtlinge, hingegen, den F-Status. Diese bekommen aus verschiedenen Gründen den B-Status, der etwas mehr Rechte bietet, nicht, z.B. weil es im Asylantrag Unstimmigkeiten gab. Dann gibt es noch die Gruppe der „vorläufig aufgenommenen Ausländer*innen“. Diese Personen haben zwar einen Fluchthintergrund, bekommen aber formell nicht den Flüchtlingsstatus. Sie dürfen in der Schweiz bleiben, solange die Rückkehr im Herkunftsland unzumutbar ist. Nach 5 Jahren Aufenthalt in der Schweiz haben diese Personen die Möglichkeit einen B-Status zu beantragen, wenn sie als Härtefälle anerkannt werden. Die meisten Angebote innerhalb der Integrationsagenda richten sich an Personen mit den Ausweisen B und F. Manchmal ist im Rahmen verfügbarer Plätze auch die Förderung von Personen mit dem Ausweis N möglich.

Das Gebäude der Autonomen Schule Zürich

An meinem letzten Tag hatte ich die Möglichkeit, die Autonome Schule Zürich zu besuchen. Das ist zwar keine Einrichtung der AOZ, aber dennoch ein sehr spannender Lern- und Begegnungsort. Wie es der Name schon andeutet, handelt es sich in erster Linie um ein Bildungsangebot. Die Kurse richten sich an Personen, die aufgrund ihres Status keinen Zugang zu anderen Angeboten haben. Die meisten sind Asylsuchende oder Sans-Papiers (Personen, die keine gültige Aufenthaltsgenehmigung für die Schweiz haben). Die Schule ist gemeinschaftlich organisiert, autonom und unabhängig. Sie finanziert sich von Spenden. Alle angebotenen Kurse werden von Freiwilligen geleitet, wobei diese auf Gegenseitigkeit beruhen: auch für die Moderierenden sollen die Kurse eine Lernerfahrung sein. Teilnehmende können dort nicht nur Deutsch lernen, sondern auch andere Fremdsprachen-, Sport- oder Mathekurse besuchen und Programmieren lernen. Die Einrichtung setzt sich öffentlich gegen Rassismus und Ungerechtigkeit ein. Die Einteilung der Deutschkurse ist fair gestaltet: diese sind nicht nach den einzelnen Niveaus benannt, sondern nach geometrischen Figuren. Die Autonome Schule ist außerdem ein Treffpunkt, ein Begegnungsort an dem man mit Gleichgesinnten ins Gespräch kommen kann sowie die Möglichkeit hat, sich für andere einzusetzen: es gibt viele Arbeitsgruppen oder Projekte in denen man sich einbringen kann, darunter auch die Papierlose Zeitung, eine Jahrespublikation, die den Geflüchteten eine Stimme gibt, um ihre Situation aus ihrer eigenen Perspektive zu schildern.

Fazit

Die vier Wochen der Hospitation bei der AOZ sind sehr schnell vergangen. Ich habe aus diesem fachlichen Austausch viel gelernt und nehme viele Eindrücke mit nach Berlin. Solche Austauschmöglichkeiten sind eine gute Gelegenheit für Angestellte des öffentlichen Dienstes, über den eigenen Tellerrand zu schauen und mit ausländischen Einrichtungen aus dem gleichen Arbeitsgebiet in den fachlichen Dialog zu treten. Deswegen möchte ich mich noch einmal bei der AOZ bedanken, insbesondere bei der Abteilung Information und Kommunikation, welche diesen Aufenthalt möglich gemacht hat. Gleichermaßen möchte ich mich bei den Kolleg*innen aus der Volkshochschule sowie bei den EU-Beauftragten der Berliner Bezirke bedanken, die dieses Stipendienprogramm jedes Jahr organisieren und begleiten.