Isabel V. S. berichtet aus Dublin

Isabel in Dublin

Von Berlin nach Dublin

18. Oktober 2019, es ist so weit. Ich darf nach Dublin. Ganz schön aufregend.
Die Stadt begrüßt mich mit strahlendem Sonnenschein.

Am Montag ist es dann so weit. Mein erster Tag in City Council. Wir werden mit den neuen Mitarbeiter*innen begrüßt und erhalten zahlreiche Informationen zum Dublin City Council. 5.800 Angestellte arbeiten hier in 150 verschiedenen Ämtern. Von der Bücherei bis zur Schwimmhalle ist alles dabei. Die Kollegen*innen begrüßen mich sehr nett und mit Neugierde. 38 teilen sich ein Großraumbüro und ich bin erstaunt, dass es angenehm leise ist. Eingesetzt bin ich im Housing and Community Services Dep. Ein Service für Menschen in Not.

Die neuen Kolleg*innen

Zweiter Tag. Um 9.00 Uhr morgens ist das Büro noch nicht ganz besetzt und ich nutze die Chance schon mal einige Kollegen näher kennen zu lernen. Unsere OE SPK Bleistifte helfen mir dabei. ¦-)
Kleine Geste mit großer Wirkung. Die Türen und die Herzen scheinen offen. Ich empfinde die Menschen auf der Insel eh als sehr freundlich, höflich und sehr zugewandt, aber dabei mit einer wundervollen Achtsamkeit.
Und Reiseführern soll man nicht immer trauen, das habe ich heute gelernt. Dort steht… In Irland sind die Menschen freundlich, mögen aber zur Begrüßung keinen Umarmung. Falsch. Ich wurde von den Clerk of works absolut herzlich und freundlich umarmt, da ich für ihn keinem Bleistift mehr hatte. Da sagte er kurzerhand, ein „hug“ (dt. Umarmung) tut es auch. Und schon wurde ich herzlich umarmt und mit einer Portion frischem irischen Humor begrüßt. Der ist zwar hier manchmal schwarz, aber dafür nicht zu knapp.

Dritter Tag. Ich darf auf die verschiedensten Treffen mit. Ganz schön spannend. Die Housing Abteilung traf sich heute und bekommt vom Chef ein dickes Lob. Ich denke, das ist toll. Die Kollegen*innen haben im Obdachlosen Bereich keinen leichten Job. Lebendig wurde es dann, als die Weihnachtsfeier geplant wird. Schade, ich bin dann weg. Kann mir vorstellen, dass es sehr lustig zugeht. Spannend war das Lunch Gespräch mit dem D.C.C CEO und dem Landlord Mayor. In der Mittagszeit wurden per Mail Fragen an die beiden gesendet und mit viel Humor werden sie beantwortet. Wer nicht da war, kann sich später den Potcast anhören. Eine sehr moderne Art der Kommunikation.

Ein kritisches Plakat

Vierter Tag. Heute gab es ein Treffen der Sozialarbeiter von North Dublin. Eine bunte Truppe. Best practice Beispiel werden vorgestellt und somit auch die verschiedenen Einrichtungen. Danach gibt es eine Supervisionsrunde mit und für Kollegen*innen. Gut zu sehen, die Problemlagen sind wohl überall gleich und die Lösungsansätze auch. Sozialarbeit scheint universell auf der Welt zu sein. In der Mittagszeit gibt es den Lunchtime Walk. Eine gute Idee. Raus aus dem Bürostuhl und raus an die frische Luft. Tausche Bürostuhl gegen nette Kommunikation. Das wirkt erfrischend und verbindend.

Fünter Tag. Heute geht an die frische Luft. Ich besichtige mit meinem Praxisanleiter John die Traveller Sites in Dublin. Bestimmt eine unglaubliche Erfahrung. Travellers gehören der Gruppe der Sinti und Roma an. Traveller bedeutet in Irland aber nicht Reisender zu sein, sondern vielmehr Teil einer Community zu sein. Die Art zu leben. Als Traveller wirst du geboren.

Howth ist nur 40 Minuten von Dublin entfernt

Dublin entdecken und den Alltag meistern

Montag, 28.10.2019

In Irland ist Bank Holiday. Sehr spannend. Bank holiday ist ein zusätzlicher flexibler Feiertag. Meist vor den Schulferien. Die Museen und Geschäfte haben jedoch geöffnet. Eine gute Möglichkeit, Dublin und die Umgebung etwas näher kennenzulernen. Howth ist eine wunderschöne kleine Stadt und liegt an der Küste. Mit dem Bus oder Zug ist sie innerhalb vierzig Minuten erreichbar. Ein kleiner Hafen und viele Möglichkeiten zu verweilen. Das Wetter lässt das Meer strahlen und tatsächlich gehen hartgesottene irische Mädels und Jungs bei den Temperaturen schwimmen. Die Seeluft macht den Kopf frei, denn der Freitag war sehr beeindruckend. John hat sich den ganzen Tag Zeit genommen und hat mir die Traveller Wohnsitze gezeigt. Es gibt zahlreiche davon. Was vielleicht nach Romantik klingt, ist ein hartes Leben.

City Council mit Burg im Hintergrund

Das City Council kümmert sich um die verschiedenen Anliegen der Bewohner. Es sind meist Großfamilien mit Kindern. John bringt mir sehr viel Vertrauen entgegen und nimmt mich zu den Familien in die Wohnung. Er genießt so viel Ansehen, dass ich wie selbstverständlich hinein darf und sehr freundlich begrüßt werde. Mir geht durch den Kopf – Was geht es mir doch gut. Die Familien leben unterschiedlich, aber das kleine Häuschen eines älteren Mannes lässt mich sehr nachdenklich werden. John fragt mich, ob ich von den Wagensiedlungen Fotos machen möchte. Als ich das verneine und sage so wäre es respektvoller, geht ein zartes Lächeln über sein Gesicht und ich weiß ich habe richtig entschieden.

Carmelite Community Center

Carmelite Community Center

Dienstag, 29.10.19.

Nun beginnt die zweite Arbeitswoche in Dublin. Ein bisschen herrscht noch Wochenendstimmung im Büro. Einige haben frei und andere trudeln in das Großraumbüro ein. Ein Miteinander ist hier sehr wichtig und gefragt. Es gibt auch eine ganz liebliche Besonderheit. Nach der Mittagspause findet sich immer mal wieder ein leckeres Bonbon auf der Schreibunterlage. Die Höflichkeit verlangt stets nach dem Befinden zu fragen. Ich liebe diese Achtsamkeit und Freundlichkeit, aber ich beherrsche die Regeln noch nicht so ganz. Und so trete ich in mein erstes Fettnäpfchen. Ich schlage den Gang zur Frühstückspause aus, da ich noch keinen Hunger habe. An der Reaktion des Kollegen sehe ich, dass es nicht die richtige Antwort ist. Ich verstehe nicht wirklich alles, aber es reicht, um doch noch flugs mit zum Tee mitzugehen. Später besuche ich das Carmelite Community Center. Eine Art Sozialer Treffpunkt der Katholischen Kirche. Sie haben die gleichen Angebote wie unsere Stadtteilzentren. Vom Sprach- bis zum Yogakurs ist alles dabei.

Isabel (rechts) mit David und Aoibhin

Nach dem Dienst geht es dann in den Waschsalon. Der Austausch bringt so einige Herausforderungen mit sich und das normale Leben muss ja auch weitergehen. Ein bisschen vermisse ich das eigene Bett und die Möglichkeit, sich am Abend in den eigenen vier Wänden aufhalten zu können. Well, so what ¦-)

Kunst im Rediscovery Center

Mittwoch. 30.10.19

Fast zwei Wochen Dublin. Die Zeit rast und ich erhalte täglich neue Eindrücke. Eine Kollegin hat heute Morgen extra ihren Mann mitgebracht. Sie finden die Landschaft in Deutschland toll und daher haben sie schon einige Fahrradtouren dort gemacht. Die Tante lebt in Düsseldorf und daher waren sie schon in Leipzig, Heidelberg, München und Berlin. Liebevolle kleine Begegnung. Mein Englisch wird auch von Tag zu Tag geübter. Der Dialekt in Irland ist aber weiterhin eine Herausforderung. Die Kollegen*innen nehmen sich ganz viel Zeit. Wundervoll. Der junge Sozialarbeiter mit dem tollen Irischen Namen Ruaidhri, was roter König bedeutet, zeigte mir heute sein Aufgabengebiet Ballymun. Ein Stadtteil mit einigen Schieflagen. Ein bisschen spürt man die Armut dort. Dieser Stadtteil erprobt sich in Veränderung und er ist auf einem guten Weg.

Kleid im Rediscovery Center

Ein großes Studentenheim wird gebaut, da sich die Uni in der Nähe befindet. Der LIDL zieht im unteren Bereich des Baus ein. Sehr interessant ist auch das kürzlich eröffnete Rediscovery Center. Kreative Menschen haben sich dem Raum angenommen und recyceln die verschiedensten Materialien. Aus alten Jeanshosen wird ein Abendkleid gezaubert oder aus alten Fahrradreifen eine Sitzbank. Ein kleines Café sorgt für Publikum. Auch der kleine Community Garten ist eine Bereicherung für die Gegend und bestimmt eine gute Idee, um Veränderung voran zu treiben. Danach geht es zum Self Negleck Vortrag. Es wird über die Selbstvernachlässigung berichtet, die oft zu starken Problemen führt. Gefährdet sind besonders ältere oder auch von Sucht betroffene Menschen. Sie vernachlässigen sich sowie ihre Wohnung. Alleinlebende sind besonders betroffen. Die Vernachlässigung betrifft auch manchmal die Allgemeinheit, wenn z.B. das Ansammeln von Müll Schädlinge anzieht. Der Vortrag sensibilisiert für den Unterschied zwischen Selbstvernachlässigung und dem Recht auf Autonomie. Dieses ist gerade für Angehörige oder Ärzte schwer zu unterscheiden. Zahlreiche Beratungs- und Hilfeangebote können da weiterhelfen. Es geht aber auch der Appell an jeden Einzelnen in seiner Nachbarschaft die Augen und Ohren offen zu halten. Gerade in großen Städten wie Berlin und Dublin ein guter Appell.

St. Patrick Church. Licht und Schatten

Donnerstag, 31.10.2019

Heute wird Halloween gefeiert. Dieses Fest hat den Ursprung schon in der Keltenzeit. Irland ist nach wie vor ein katholisches Land. Kirchliche Symbole und Feste spielen zwar heute keine so große Rolle, aber sie sind noch präsent. So auch das Halloween Fest. An dem Abend vor Allerheiligen wird an die Seelen der Verstorbenen gedacht. Schon Tage vorher werden die Vorgärten und Geschäfte mit Totenköpfen, Skeletten, Kürbissen und Spinnen verziert. Und mein persönliches Erlebnis werde ich auch gut in Erinnerung behalten. Mein airbnb Zimmer liegt über einem Geschäft. Ich hatte nie wirklich darauf geachtet, was es für eines ist. Es wirkt schick, aber gibt von seinem Innenleben nichts kund. Vielleicht eine Versicherungsgesellschaft oder etwas Ähnliches. Von einem Funeral Home habe ich zuvor noch nie was gehört. Und heute stelle ich fest, es lohnt sich, dass mein Englisch Lücken hat. Ich hätte wahrscheinlich sonst nicht so gut dort schlafen können. Mir wird nämlich schlagartig klar, was dieses Geschäft ist, als ein schwarzer Wagen mit dem dazugehörenden Personal vor der Tür steht. Bei uns hätte ich wahrscheinlich nie über einem Beerdigungsinstitut geschlafen. Ein bisschen musste ich auch Lachen, denn es ist ja Halloween und das Leben und der Tod gehören nun mal zusammen. Am Abend entschädigt mich ein wundervolles Orgelkonzert in der St. Patrick Curch von diesem kleinen Schreck. Ein wundervolles Orgelkonzert in einer atemberaubenden Kirche.

Freitag, 1.10.19

Wochenende ist in Sicht. Ich genieße es, den Bericht zu schreiben. Es lässt mich zur Ruhe kommen und hilft, die Dinge Revue passieren zu lassen. Es sind viele Eindrücke. Es ist schön hier, aber auch ein bisschen anstrengend. Meine nächsten Nächte werde ich im Hostel verbringen, da ich verschiede Unterkünfte gebucht habe. In der Mittagszeit geht es dann zum Dublin Volunteer Center. In Irland hat das Ehrenamt einen hohen Stellenwert. Dort treffe ich Franzi. Sie ist aus Dortmund und lebt seid Jahren in Dublin. Durch Zufall habe ich ihren Kontakt erhalten und freue mich darauf, sie kennen zu lernen, aber vor allem auch, Dinge einfach in meiner Sprache zu hören. Ich schätze jetzt noch mehr, dass ich mich in einer Sprache ausdrücken kann. Diese vielen Feinheiten mit denen wir Gefühle, Bedürfnisse, Ängste und Unsicherheiten verständlich machen können. Einfach nur so, ohne viel drüber nachdenken zu müssen.

Die City Hall von Belfast

How time flies – Wie schnell die Zeit vergeht

Montag, 4. November 2019

Nun ist Halbzeit. Ich schaue mit einem lachenden und einem weinenden Auge drauf. Ich habe das Wochenende genutzt, um einen Ausflug nach Belfast zu machen. Ein bisschen Zonen-hopping. In Belfast gab es 1969 die bürgerkriegsähnlichen Zustände zwischen militanten Gruppen der Katholiken und Protestanten. Sie dauerten fast 30 Jahre an und man spürt sie auch noch heute. Belfast liegt nur zwei Stunden von Dublin. Die Währung ist der Pfund und die Titanic wurde dort gebaut.

Das DeLorean Auto

Aber viel spannender finde ich, dass dort das Auto für den Film „Zurück in die Zukunft“ gebaut wurde. Ein DeLorean DMC-12. Ich war ein Fan des Films und dachte das Auto war nur eine Fiktion. Also wieder fürs Leben gelernt. Ich lerne hier so viel. Meine Praxisstelle ist auch genau die Richtige! Ich bin viel unterwegs und lerne spannende Einrichtungen, Orte sowie Leute kennen. Die Dubliner scheinen mit meiner Rheinischen Art gut zurecht zu kommen. Ich werde sehr offen empfangen und erhalte ungezwungen Auskunft über Arbeit, Land und Leute.

Isabel mit Franzi und John

Freitag war ich bei Franzi im Volunteer Center. Eine wirklich lebendige und engagierte Frau. Sie ist vor 15 Jahren zum Studium hergekommen und wegen der Liebe hiergeblieben. Natürlich auch aus Liebe zur Stadt. Das Center liegt in der Aungier Street, meiner Lieblingsstraße. Es hatte letztes Jahr 3000 Besucher*innen. Das Ehrenamt ist in Irland gut etabliert und aus den kirchlichen Strukturen erwachsen. Es unterscheidet sich nicht so sehr von dem Ehrenamt in Deutschland. Lediglich die Vereinsstrukturen sind hier seltener, da die Kirche viele Felder abdeckt.
Im Intranet gibt es eine Liste mit fremdsprachigen Kolleginnen und Kollegen. Neugierig wie ich nun mal bin, schaue ich dort nach, ob es welche gibt. Kurzerhand rufe ich Bianca an. Sie stammt aus Soest und arbeitet im Sport and Community Center. Auch sie nimmt sich Zeit und erzählt von der Arbeit und natürlich auch von ihrem Leben in Dublin.

Dienstag, 5. November 2019

Microsoft und SAP haben in ihrem Team Menschen mit Autismus aufgenommen, da diese Menschen oft besondere Fähigkeiten besitzen. Nachahmenswert. In Anlehnung dessen, stellt sich der Zusammenschluss der Volunteer Center in einem Fachtag die Frage: Wie kann die Einbindung von Menschen mit Autismus das Ehrenamt verändern und bereichern? Ein wirklich spannender Ansatz. Franzi hat meinen Anleiter John und mich zu der Fachtagung eingeladen. Allein der Ort ist schon ein Genuss. Das Mainson House ist der Sitz des Oberbürgermeisters. Es wird ein spannender Fachtag mit vielen Infos, Gesprächen und sogar mit der Bitte, Kontakt nach Berlin herzustellen.

Flyer für das Segelprojekt

Sindy betreut ein interessantes Ehrenamtsprojekt. Segeln für junge Menschen mit Problemen. Durch die Arbeit und den Aufenthalt auf dem Schiff lernen die Menschen, ihr Leben zu meistern. Ihren Wunsch nach Austausch finde ich sehr spannend und gar nicht unrealistisch. Wir haben eine aktive Freiwilligenagentur, eine gute Segelschule und eine tolle, engagierte EU-Beauftragte. Da sollte doch was machbar sein.
Abgerundet wurde die Veranstaltung dann von einer kleinen Führung durch diese ehrwürdigen Räume. Das hat schon was. Ein schickes Kaminzimmer für die wirklich wichtigen Treffen, das gefällt mir. John macht so viel möglich und ist so ein Energiebündel. Er geht in zwei Jahren in Rente, aber davon spürt man überhaupt nichts. Auf dem Rückweg geht es dann mal flugs in die Burg und auch in die City hall. Dort gibt es so wundervolle, ehrwürdige Räume. Wir haben riesigen Spaß. Mal ins Trauzimmer, dann an den Büros der Parteien vorbei und schnell mal auf den Stuhl des Bürgermeisters. Ob ich das wohl darf? Wahnsinn, da wäre ich als Touri nie hingekommen. Dann zum Tagesabschluss noch drei Hausbesuche in der Travellersiedlung. Das holt mich dann wieder in das andere Dublin.

Mittwoch, 6. November 2019

Eine Sitzung fällt heute aus. Auch gut. So kann ich in Ruhe mal die Schreibarbeiten erledigen. Und natürlich mit den Kollegen*innen zur Kaffeepause gehen. Das habe ich ja gelernt und lasse mir keine mehr entgehen. Am Nachmittag besuche ich Trudi. Eine Sozialarbeiterin. Sie sprach mich auf einer Veranstaltung an. Sie ist vor 7 Jahren nach Dublin gezogen. Sie berichtet mir von dem komplexen Sozialsystem. Der Gang zum Arzt wird mit durchschnittlich 80 Euro selber bezahlt. Ebenfalls die ersten 10 Tage eines Krankenhausaufenthaltes. Da werden schon mal schnell ein paar hundert Euro benötigt. Arbeitnehmer sind nicht verpflichtet eine Krankenzversicherung abzuschließen.
Den Abend genieße ich im Hostel. Übernachtungen im Hostel, das klang erstmal wie ein waghalsiges Unterfangen. Aber es hat sich als super Entscheidung entpuppt. Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt, die Angestellten sind freundlich und hilfsbereit. Mir wurde bislang schon öfters unkompliziert geholfen und Mario bereitet mir morgens auch noch mit Gesang und einem Lächeln den leckeren Cappuccino zu.

Donnerstag, 7. November 2019

Donnerstag ist hier Dauerregen. Das ist schon eine Herausforderung. Die Tram ist voll, die Busse fahren unregelmäßig und das Navi funktioniert bei dieser Regenmenge nicht so wirklich. Aber auch das schaffe ich. Es geht zu einer Fachkonferenz. Schwerpunkt ist die Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen mit Autismus oder ADHS. Eine Menge prasselt da auf mich ein. Mein Hörverständnis im Englischen ist ganz gut, aber das auf der Tagung ist dann doch eine Herausforderung. Diese Mischung zwischen irischem Dialekt und Schnelligkeit. Es gibt sehr gute und lebendige Beiträge.

Besonders beeindrucken mich Aoife und John. Aoife Dooley ist eine junge Frau mit grünen Haaren und unbändiger Power. Die quirlige Frau ist freischaffende Illustratorin, Grafic Designerin, Autorin und hat 2017 einen Komikerpreis für unter 30jährige gewonnen. Bei ihr wurde sehr spät Autismus diagnostiziert. Es ist schwer dies zu erkennen. Vor allem hat es ihr geholfen sich selber zu verstehen. John Lomergan ist ein wirklich spannender Typ. Er ist seit 1968 im Gefängnisdienst. Er sagt, dass er dort die menschliche Natur in ihrer schlimmsten Form und oft unerwartet in ihrer besten Form erlebt hat. Und dadurch hat er ein tiefes Verständnis für die menschliche Natur und die irische Gesellschaft entwickelt. Eigentlich hält er keinen Vortrag. Und das ist das Tolle. Er trägt seine Inhalte quasi als Theaterstück vor. Ja, wirklich. Er schlüpft abwechselnd in die Rolle einer Mutter und in die des Gefängnisdirektors. Bei diesem Spiel vermittelt er seinen wertschätzenden Arbeitsstil eindrucksvoll. Respektvolles Zuhören und wohlwollende Zustimmung, das sind für ihn Grundsteine zur menschlichen Veränderung. Ein Ansatz der mir persönlich sehr gut gefällt.

Mit Sindy bei der Volunteer Fachtagung

Freitag, 8. November 2019

Officetime (dt. Büroarbeitszeit). Ein bisschen zur Ruhe kommen, dass genieße ich heute sehr. Mein Englisch verbessert sich ganz stetig. Übung macht den Meister. Ich konnte jetzt schon gut von dem Fachtag berichten und ein bisschen englischen Mailverkehr mit Sindy bewerkstelligen.

In diesem Pub wird das Wochenende eingeläutet

Vielleicht bekommen wir den Austausch zum Segelprojekt hin. Und jetzt freue ich mich einfach aufs Wochenende. Und heute Abend werde ich das mal gemütlich mit Franzi im Pub einläuten. Cheers.

Teatime im Café mit Kollege

Ins kalte Wasser und trocken wieder zurück

Montag, 11. November 2019

Das Wochenende war wie immer kurz, aber dafür sehr schön. Ich hatte Besuch und habe voller Stolz Dublin gezeigt. Ein bisschen ist es jetzt ja auch meine Stadt. Hier gibt es viel zu sehen und zu erleben. Das unterscheidet sich nicht von Berlin. Jedoch sind die Preise für viele Dinge hier viel höher. Ich überlege mir zweimal essen zu gehen. Aber es gibt auch den ein oder anderen Geheimtipp. Den scheint auch mein Arbeitskollege Ruaidhri zu nutzen. Auf einmal steht er vor mir und das ist eine schöne Begegnung. Wir gehen mit seinen Freundinnen danach noch ins Café. Dabei können wir uns noch etwas privat austauschen und einiges über das Studentenleben in Dublin erfahren.

Ausflug zum Küstenort Bray

Am Sonntag besuche ich dann endlich Bray. Das wurde mir mehrmals ans Herz gelegt. Also, nichts wie hin. Ein sehr schöner ruhiger Küstenort, nur eine Stunde von Dublin entfernt. Erstaunlicherweise ist das Busfahren hier günstig. Bray ist eine sehr schöne Wohngegend mit tollen Häusern. Der Montag ist dann ruhig und mit Schreibarbeit gefüllt. Ein bisschen geht mir auch die Luft aus.

Wahnsinns Mietpreise in Dublin

Dienstag, 12. November 2019

Auf dem Weg zum Dublin City Council fällt mein Blick immer wieder auf die bunten Schlafsäcke in den Häusern oder Kircheneingängen auf. Die Mietpreise steigen hier ständig. Der Preis wird nach Zimmeranzahl berechnet und nicht nach der qm Zahl. Mein letzter airbnb Vermieter erzählte mir von seiner monatlichen 2000 € Mietbelastung. Und die Wohnung war alt und nicht besonders groß. Sobald eine Schieflage im Leben eintritt, ist es den Menschen nicht mehr möglich diese Summe aufzubringen. Da erstaunt es nicht, dass auch manchmal Familien homeless sind, d.h. auf der Straße leben. Ich kann mir das Leben auf der Straße nicht vorstellen. Ich wäre untauglich. Ich bin heute, nach drei unruhigen Nächten, schon so platt. Wie mag es diesen Menschen gehen? Kälte, keine Privatsphäre, kein Badezimmer, keine Möglichkeit sich kuschelig warm auszuruhen oder gefahrlos zu schlafen. Es berührt mich sehr. Welche Schieflage und das in unserer reichen Welt! Die Zahl der Wohnungslosen steigt und ein Ende ist nicht in Sicht. Nach der Banken Krise 2008 begann in Irland diese Schieflage. Zahlreiche Ehrenamtsprojekte und auch unsere Abteilung kümmern sich drum, aber es reicht nicht. Laut Wikipedia ist Irland das Land mit der höchsten relativen Armutsrate in Westeuropa.

Maria und Isabel beim Italiener

Mittwoch, 13. November 2019

So langsam nehme ich immer mehr Abschied. Die letzten Schreibarbeiten werden erledigt. Fotos gesichtet. Dinge sortiert. Ich habe so viel erleben und sehen dürfen. Eine unendliche Gastfreundschaft erlebt. Und es gibt immer wieder eine weitere wundervolle Überraschung. Maria nimmt sich den ganzen Nachmittag für mich Zeit. Lunchtime. Es geht zum Italiener. Wir plaudern und werden köstlich bewirtet. Dabei erfahre ich weiteres über Irland. Die Hungersnot im 18. Jahrhundert , die aus Irland ein Auswanderungsland gemacht hat. Und warum es im Land immer wieder diese endlosen Steinmauern gibt. Das Volk war arm und Hilfe gab es nur bei Gegenleistung. So entstanden, gerade in den grünen Gegenden, diese Mauern. Dann geht es in die Kirche. Wundervoll. So ein prachtvolles Innenleben. Das Besondere an „The church of Our Lady Mount Carmel & Saint Valentine“ ist der Schrein von St. Valentine. Es ist der Schutzpatron für die Liebenden dieser Welt. Am 14. Februar stehen diese hier Schlange. Sie befragen den Heiligen zu ihrer Zukunft und nicht selten wird der Heiratsantrag an diesem romantischen Ort gemacht. Hui – Ich spüre einen kleinen wohligen Schauer auf der Haut. Danach finden wir uns im High Court wieder. Die Instanz, in der die zivil und kriminal Delikte verhandelt werden. Ein ehrwürdiges Gebäude mit vielen Rundbögen und Geschichtsduft in der Luft. In den drei Etagen herrscht geschäftiges Treiben. Wirklich schön anzusehen sind die Richter in ihren schicken schwarzen Roben. Stilvoll – wie so einiges hier.

Beispiel für die irische Sprache

Donnerstag, 14. November 2019

Ich nehme mit. Irland ist ein stolzes Land. Und das ist gut so. Hungersnöte, britische Herrschaft und Religionskämpfe prägten dieses Land, aber es hat sich nicht unterkriegen lassen. Die Menschen sind offen, gastfreundlich und strahlen eine positive Grundstimmung aus. Ein Plausch im Bus oder Pub ist nicht unüblich, auch mit einem Fremden. Englisch und Irisch werden gleichberechtigt als offizielle Amtssprache genutzt. Und natürlich habe ich versuch das Land über sein Essen zu erfassen, denn Wissen geht durch den Magen.

Ein leckeres „scone“

Mein absoluter Favorit sind die „scones“. Eigentlich habe ich immer noch nicht herausgefunden, wie das richtig ausgesprochen wird. Jeder macht das anders und sie schmecken auch immer anders. Die Besten scheinen mir fest und nicht bröckelig. Mit irischer Butter ein Genuss. Ich liebe sie und werde sie vermissen. Warm sind sie einfach großartig. Bei meinen Streifzügen durch die Stadt fallen mir immer wieder kleine Besonderheiten auf. So wie auch diese kleine Nische. Ich entdecke sie an den kleinen alten Häusern. Was ist das wohl? Ein Vogelhaueschen? Ein Behälter für die Asche oder eine Hundetrinkstelle? Ich bin ratlos. Aber ich will es wissen. Ich spreche einfach einen Mann an, der mit seinem Hund spazieren geht. Er grinst und schwupp streift er seinen Schuh darin ab. Ein shoescraper. Sehr praktisch, das ist dann wohl die Fußmatte des letzten Jahrhunderts.

Isabel blickt auf Dublin mit Freude zurück

Freitag, 15. November 2019

Letzter Tag. Abschied nehmen ist angesagt. Gestern habe ich schon damit angefangen und mich von Franzi verabschiedet. Heute sind die Kollegen*innen im Büro dran und mit John und Carol geht es zum Lunch. Abschlussgespräch. Aber nicht im Büro. Nein, das würde nicht zu diesen bezaubernden Wochen passen. Stilvoll ins Café. Englisch Breakfast Tea und Gebäck einbegriffen. Vier Wochen Dublin irgendwie lang, aber auch irgendwie kurz. Ich habe so viel lernen dürfen und so viel gesehen. Danke! An alle, die das mitgetragen und ermöglicht haben. Es wird ein unbeschreibliches Erlebnis bleiben. Nicht mit einer Urlaubsreise zu vergleichen. Eher eine Reise ins Innere. Und ich blicke gerne zurück. Good by Dublin.

Thank you to John

Thank you to John