Und dann verging die Woche wie im Fluge. Ich hatte einen Termin mit Kamilla, Leiterin von ca. 55 Mitarbeiter:innen (MA) der Kopenhagener Kontaktcenter (Callcenter). Insgesamt verzeichnete man im Jahr 2021 900.000 Anrufe für alle Kontaktcenter im Borgerservice. Die wichtigsten Messpunkte sind auch hier die Zufriedenheit und die Wartezeit der Kund:innen. Zufriedenheit hoch ist und die Wartezeit kurz ist. Das Kontaktcenter oder Callcenter erfährt hier große Wertschätzung. Kund:innen am Telefon sind keine anderen Kund:innen als vor Ort. Damit machen die Mitarbeitenden nicht „nur“ einen Telefonjob, sondern sie leisten einen wertvollen Beitrag zum Gesamtkonzept des Bürgerservice. Es ist Aufgabe der Leitungskräfte, dass alle MA über gute Kommunikationsfähigkeiten verfügen. Mitarbeitende in den Kontaktcentern zu motivieren, ist eine der schwierigsten Aufgaben, denn es werden die Pausen vorgegeben, Meetings werden vorgegeben und auch Zeiten für Fortbildung werden vorgesetzt
und kein anderer Bereich lässt sich so gut durch Zahlen und Statistiken auswerten. Die Möglichkeit, sich den Arbeitstag frei einzuteilen, besteht nicht. Und dennoch sind die Mitarbeitenden sehr zufrieden in ihrer Arbeit und empfinden diese als erfüllend und sinnvoll. Ein interessanter Ansatz ist, dass 10% der Arbeitszeit für Fortbildung verwendet wird. Dies sind Auszeiten, die die MA nicht am Telefon sind und dies begrüßen sie sehr. Um dies perfekt für das Anrufaufkommen zu organisieren, ist das Planungsteam unerlässlich. Kamilla ist interessiert daran, dass sie über die Dinge informiert ist, die die 55 Mitarbeitenden beschäftigen. Sie ist bemüht, den Kontakt zu allen MA zu haben.
Auch stand ein Termin mit Lotte auf dem Programm, die mir das Projekt „Zukunfts-Callcenter“ vorstellte. Lotte und weitere Projektteilnehmer wie Anne-Mette, Inge und Katrine werden durch andere Ämter beauftragt, um deren Callcenter umzugestalten. Es geht auch hier wieder um mehr Service und mehr Effizienz. Da die Callcenter im Bürgerservice so gut laufen, kaufen andere Ämter gerne dieses Wissen ein, um ihre Callcenter neu zu gestalten.
Nach Lotte stand Christian auf der Tagesordnung. Er stellte mir ein älteres Projekt vor. Vor ca. 5 Jahren fand man heraus, dass ca. 24% der 15 bis 18-jährigen nicht in ihr digitales Postfach schauen. Zum Hintergrund muss man wissen, dass man ab 15 Jahren in Dänemark erstmals seine NemID bzw. jetzt MitID erhält und damit sämtlicher Behördenschriftverkehr digital genutzt werden muss. So erhält man dann Zugang zu seinen Gesundheitsdaten und für das Online-Banking ist es ebenfalls die Voraussetzung. Junge Menschen im Alter von 15 bis 18 haben bspw. im Zusammenhang mit der Ausbildung, mit Ärzten, mit Bußgeldern oder für eine Einladung zur Musterung Kontakt mit diesem Postfach. Man fand heraus, dass man auch gezielter an die Eltern herangehen muss. Zuvor erhielten lediglich die 15-Jährigen ein Schreiben, nicht jedoch die Eltern. Dies wurde geändert und heutzutage sind die Eltern mit einem eigenen Anschreiben informiert und können ihre Kinder unterstützen.
Die zweite Schiene war und ist die Schule. Durch das Projekt wurden diverse Unterrichtsmaterialien zusammengestellt, die sich Lehrer:innen auf diversen Plattformen (https://www.kk.dk/borger/borgerservice/mitid-nemid-og-digitale-tjenester/digital-borger-ung-finder-vej) runterlanden können. Es gibt Lehrfilme, PowerPointShow, Quiz und Fragebögen. Richtig gutes und ansprechendes Material für Lehrer:innen und Schüler:innen. Durch Zufall gab es bei der Implementierung der Materialien Hilfe von der Presse. Bekannte Zeitungen des Landes berichteten darüber. Nach der Kampagne lag die Zahl derer, die nicht ihr Postfach abrufen bei 8%. Das war eine gewaltige Steigerung derer, die nun den Zugang zur digitalen Behördenwelt in Dänemark gefunden haben. Nunmehr stagnieren die Zahlen wieder.
Die Materialien müssen in der nächsten Zeit überarbeitet werden, da sie auf der Nutzung der NemID aufbauen und noch nicht die MitID beschreiben.
Weiter ging es mit Rikke in der 4. Woche. Sie ist eine Mitarbeiterin in der 3.Etage und beim Kontaktcenter für das Jobcenter. Sie ist gelernte Sozialarbeiterin und verfügt über einige Jahre an Erfahrung im Kinderschutz und in der Arbeit in einem Frauenhaus, ehe sie nach ihren Kindern beim Jobcenter für junge Erwachsene zuständig war. Seit nunmehr 5,5 Jahren verstärkt sie das Team im Kontaktcenter und pflegt die digitale Wissensdatenbank für ihren Bereich. Sie hat Fortbildungen besucht als Prozesskoordinatorin, als Projektleiterin, als Supervisor und Coach. Sie gibt mittlerweile Weiterbildungen für guten Service und für gute Kommunikation. Sie berät und unterstützt ihre Kolleg:innen darin, dass diese einen guten Dialog führen können mit den zahlreichen Anrufern. Aktuell können 71% der Anrufe im ersten Anruf komplett bearbeitet werden und müssen nicht weiterverbunden werden. Rikke hört 2 x im Jahr in die Gespräche ihrer 26 Kolleg:innen rein und gibt dann ein
Feedback und zeigt auf, welche Dinge gut laufen und welche Dinge verbessert werden können. Sie sorgt auch dafür, dass problematische Gespräche nachbesprochen werden und wie die MA auf sich selbst achten, wenn es eskalierende Gespräche am Telefon gibt. Rikke ist zudem eine Verbindungsstelle zwischen Teamleitung und Mitarbeiterbasis.
Und schließlich hatte ich auch ein Gespräch mit Linda. Endlich. So wurde mir doch von vielen Mitarbeitenden die andere Teamleitung des Kontaktcenters 3366 3366, Linda, wärmstens empfohlen. Mitarbeitende erzählten mir in der Teeküche häufiger und auch ungefragt, dass Linda ein ausschlaggebender Grund ist, warum sie sich im Team wohlfühlen. Linda ist ein Urgestein der Kopenhagener Verwaltung, wenn ich das so sagen darf. Sie ist die gute Seele. Zwei Punkte konnte sie konkret benennen, die eine gute Führung ausmachen. Zu allererst muss man den Mitarbeitenden Vertrauen schenken und als zweiten Punkt muss man sich in seine Mitarbeitenden einfühlen können und sich mit ihnen identifizieren. Diese zwei Dinge lebt und liebt Linda, dies konnte ich spüren. Ich habe selten eine Führungskraft gesehen, die mit so viel Herz ihr Team führt. Linda, wie auch Jakob, sind sehr bemüht, dass ihre Mitarbeitenden am Telefon 10% der Arbeitszeit für Fort- und Weiterbildungen nutzen und dass
sie je nach Qualifikation nur bis zu fünf Stunden am Telefon sind. Die restliche Zeit wird mit der Beantwortung von E-Mails, Weiterbildung usw. verbracht. Neue Mitarbeitende erfahren übrigens eine Einarbeitung von fünf Wochen mit einem Plan, ehe sie alleine Anrufe annehmen dürfen.
Und auch hier läuft die Motivation darüber, dass alle motiviert werden, den Service stetig zu verbessern und zu optimieren. Und diese Motivation bringen gute Telefongespräche mit Kund:innen und die eigene innere Zufriedenheit, wenn die Kund:innen zufrieden und die Anliegen geklärt haben. Über die Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit zu einer hohen inneren Zufriedenheit kommen und sich daraus ein Stück weit selbst zu motivieren. Spannend war auch eine Liste, die alle MA an einer Wand sehen können, wo Wörter draufstehen, die keinesfalls in einem Telefongespräch verwendet werden dürfen.