Tierseuchenrechtliche Allgemeinverfügung des Bezirksamtes Marzahn-Hellersdorf von Berlin zur Anordnung der Aufstallung von Geflügel in Risikogebieten

Pressemitteilung vom 09.03.2021

Aufgrund
  • § 2 Abs. 4 des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes i.V.m. Nr. 16a Abs. 4 der Anlage
  • § 13 der Geflügelpest-Verordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Oktober 2018 (BGBl. I S. 1665, 2664) und
  • § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 der Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686)
    in der jeweils geltenden Fassung

wird zur Vermeidung der Einschleppung und Verschleppung des hochpathogenen aviären Influenzavirus (Geflügelpest) angeordnet:

  • I. Alle Halterinnen und Halter von Geflügel im gesamten Gebiet des Bezirks Marzahn-Hellersdorf haben Hühner, Truthühner, Perlhühner, Rebhühner, Fasane, Laufvögel, Wachteln, Enten oder Gänse
  • 1. in geschlossenen Ställen oder
  • 2. unter einer Vorrichtung, die aus einer überstehenden, nach oben gegen Einträge gesicherten dichten Abdeckung und mit einer gegen das Eindringen von Wildvögeln gesicherten Seitenbegrenzung bestehen muss (Schutzvorrichtung), zu halten.
    Ausnahmen im Einzelfall bedürfen der ausdrücklichen schriftlichen Genehmigung durch den Fachbereich Veterinär- und Lebensmittelaufsicht des Bezirksamtes.
  • II. Die sofortige Vollziehung der unter I. getroffenen Anordnungen dieser tierseuchen-rechtlichen Allgemeinverfügung wird angeordnet.
  • *III.*Diese tierseuchenrechtliche Allgemeinverfügung gilt gemäß § 18 der
    GeflPestSchV i.V.m. § 41 Absatz 4 Satz 4 des
    Verwaltungsverfahrensgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.
    Januar 2003 (BGBl. I S. 102), in der jeweils geltenden Fassung an dem
    auf die öffentliche Bekanntmachung folgenden Tag als bekannt gegeben.
  • *IV.*Diese tierseuchenrechtliche Allgemeinverfügung ist bis zum 15. April 2021 befristet.

Begründung:

Zu I.
Die Zuständigkeit für den Erlass dieser Tierseuchenrechtlichen Allgemeinverfügung ergibt sich aus Nummer 16a Absatz 4 der Anlage zu § 2 Absatz 4 Satz 1 des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes in der Fassung vom 11. Oktober 2006 (GVBl. 2006, 930), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 17.12.2020 (GVBl. S. 1485).
Nach § 13 der Geflügelpest-Verordnung in Verbindung mit § 38 Abs. 11 und § 6 des Tiergesundheitsgesetzes (TierGesG) ordnet die zuständige Behörde die Aufstallung des Geflügels in geschlossenen Ställen oder unter einer Vorrichtung, die aus einer überstehenden, nach oben gegen Einträge gesicherten dichten Abdeckung und mit einer gegen das Eindringen von Wildvögeln gesicherten Seitenbegrenzung bestehen muss (Schutzvorrichtung), an, soweit dies auf Grund einer Risikobewertung zur Vermeidung der Einschleppung oder Verschleppung der Geflügelpest durch Wildvögel erforderlich ist.
Die für das Land Berlin am 03.03.2021 durchgeführte Risikobewertung führte zu folgendem Ergebnis:
Der Erreger der Geflügelpest, ein hochpathogenes Influenzavirus, ist unter natürlichen Bedingungen von Wildvögeln auf Hausgeflügel übertragbar und kann eine hohe Krankheits- und Sterblichkeitsrate nach sich ziehen. Es ist daher dringend erforderlich, alle nur möglichen Maßnahmen zu treffen, die die Gefahr einer Einschleppung und Weiterverbreitung des Erregers vermindern können.
Seit Oktober 2020 wird ein verstärktes Auftreten von hochpathogener aviärer Influenza (Geflü-gelpest) bei Wildvögeln in Deutschland festgestellt. Das Seuchengeschehen geht mit einer hohen Krankheits- und Todesrate besonders bei Wasser- und Greifvögeln einher. Die anfänglich lokale Ausbreitung an der Nord- und Ostseeküstenregion ist einer ubiquitären Verteilung des Ausbruchsgeschehens über nahezu alle Bundesländer gewichen. In Deutschland sind seit dem 30.10.2020 über 690 HPAIV H5-Fälle bei Wildvögeln (ein Ausbruch umfasst z.T. mehrere Wildvögel) sowie 78 Ausbrüche bei gehaltenen Vögeln festgestellt worden.
In Berlin wurde der Geflügelpesterreger vom Subtyp H5N8 erstmals am 21.11.2020 bei einem Wildvogel im Bezirk Steglitz-Zehlendorf amtlich festgestellt. Weitere Feststellungen bei Wild-vögeln erfolgten am 29.01.2021 (Neukölln), sowie zeitgleich am 02.03.2021 im Bezirk Reinickendorf und bei weiteren zwei Wildvögeln im Bezirk Spandau. Damit sind Berlin weit fünf Ausbrüche bei Wildvögeln registriert. Zusätzlich liegen zwei weitere Verdachtsfälle aus den Bezirken Pankow und Spandau dem nationalen Referenzlabor zur Bestätigung vor.
Am 02.03.2021 kam es zur Feststellung des ersten Ausbruchs der Geflügelpest vom Subtyp H5N8 in einem privaten Hausgeflügelbestand im Bezirk Treptow-Köpenick. Alle Tiere sind innerhalb kurzer Zeit unter einer schweren Durchfallsymptomatik verendet. Die erforderlichen tierseuchenrechtlichen Maßnahmen wurden eingeleitet. Als Einschleppungsursache wird der Kontakt mit infizierten Wildvögeln vermutet.
Hühnervögel und Puten sind noch empfänglicher für das Virus als Wasservögel, so dass schon der Eintrag einer sehr geringen Virusmenge zu einem Seuchenausbruch führen kann. Das Friedrich-Loeffler-Institut geht in seiner aktuellen Risikobewertung aufgrund der Ausbreitung des hochpathogenen aviären Influenzavirus H5N8 in Wasservogelpopulationen in Deutschland von einem hohen Eintragsrisiko in Hausgeflügelhaltungen und Vogelbestände in zoologischen Einrichtungen durch direkte und indirekte Kontakte zu Wildvögeln aus.
Das Land Berlin stellt aufgrund des Gewässerreichtums einen attraktiven Aufenthaltsort für standorttreue und ziehende Wasservögel dar. Durch den einsetzenden Frühjahrs-Vogelzug sind die Dichte der Vogelpopulationen und damit die Wildvogelbewegungen in den Rastgebieten derzeit besonders hoch. Dabei werden auch Berliner Landesflächen aufgesucht. Diese Bedingungen begünstigen die Virusübertragung und -ausbreitung zwischen ziehenden und standorttreuen Wildvögeln. Tote, infizierte Wildvögel werden wiederum von Aasfressern wie Greifvögeln und Rabenvögeln aufgenommen, die zu einer weiteren Virusverbreitung innerhalb ihres Bewegungsradius beitragen. Damit steigt auch das Risiko von Eintragungswegen in Geflügelbestände, die nicht unmittelbar in Gewässernähe lokalisiert sind.
Strukturell sind im Land Berlin vor allem kleine und mittlere Bestandgrößen in Freilandhaltung verortet, die einer besonderen Gefährdung unterliegen. Auch im überregionalen Seuchengeschehen sind kleinere Hausgeflügelbestände derzeit häufiger betroffen.
Am 17.02.2021 wurde mitgeteilt, dass sich bereits im Dezember letzten Jahres sieben Mitarbeiter einer Geflügelfarm in Russland mit dem Geflügelpestvirus vom Subtyp H5N8 infiziert haben. Auch wenn nicht von relevanten gesundheitlichen Beeinträchtigungen berichtet wurde, sollte in einem urbanen Raum wie Berlin dem Erreger nicht die Chance eingeräumt werden, sich in Hausgeflügel massenhaft zu vermehren und in engen Kontakt mit Menschen zu gelangen.
Unter Berücksichtigung der Gesamtlage ist die Anordnung der vorsorglichen, flächendeckenden Aufstallung als Mindestmaßnahme zur Verhinderung des Eintrags des Erregers von der Wildvogelpopulation in weitere Hausgeflügelbestände als erforderlich anzusehen.
Ein milderes Mittel zur Verhinderung eines Geflügelpestausbruchs bei Hausgeflügel steht derzeit nicht zur Verfügung. Die Aufstallung ist auch zumutbar, da dem Geflügel in entsprechenden Schutzvorrichtungen ein Mindestmaß an Auslauf zur Verfügung gestellt werden kann. Nicht zuletzt mussten Geflügelhalter aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre jederzeit damit rechnen, dass mit Einsetzen des Vogelzugs eine Anordnung der Aufstallung erforderlich werden kann.

Zu II.
Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung wurde die sofortige Vollziehung der Maßnahme angeordnet. Eine Klage gegen diese tierseuchenrechtliche Verfügung hat damit keine aufschiebende Wirkung. Ein besonderes öffentliches Interesse für die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist hier gegeben, weil durch eine Einschleppung der Geflügelpest durch Wildvögel in Hausgeflügelbestände und eine folgende Weiterverbreitung die Gefahr von tiergesundheitlichen und wirtschaftlichen Schäden erheblich wäre und deshalb sofort zu unter-binden ist. Die Prävention hoher Rechtsgüter (Tiergesundheitsschutz, Gesundheitsschutz, Schutz der Volkswirtschaft) erfordert hier ein Zurückstehen der Individualinteressen von Geflügelhalterinnen und -haltern am Eintritt der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs. Das öffentliche Interesse an umgehenden Maßnahmen zum Schutz gegen eine Einschleppung und Weiterverbreitung der Geflügelpest überwiegt.

Zu III.
Die Allgemeinverfügung tritt wegen der Dringlichkeit der
Seuchenbekämpfung, abweichend von der sonst üblichen Verzögerung bei
Veröffentlichung im Amtsblatt Berlin, bereits am Folgetag der
Bekanntmachung über die Webseite des Bezirkes Marzahn-Hellersdorf von Berlin in Kraft.

Zu IV.
Aus den vergangenen Seuchenzügen der Geflügelpest ist eine Saisonalität der Infektion abzulesen. Um einen gegebenenfalls nachlassendem Infektionsdruck in den weiteren Aufstallungsmaßnahmen wirksam zu berücksichtigen, soll am 15. April eine erneute Risikobewertung erfolgen.

Hinweise:

Verstöße gegen die Anordnungen stellen eine Ordnungswidrigkeit dar und können mit einer Geldbuße geahndet werden.
Jede Halterin und jeder Halter von Geflügel hat seinen Tierbestand im Fachbereich Veterinär- und Lebensmittelaufsicht schriftlich, telefonisch (90293-6601/6500) oder per E-Mail unter ord@ba-mh.berlin.de anzumelden.
Außerdem werden alle Halterinnen und Halter von Geflügel auf die Notwendigkeit der Einhaltung der Biosicherheitsmaßnahmen hingewiesen.

Auf den folgenden Internetseiten finden Sie weitere Hinweise:

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach seiner
Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist schriftlich
oder zur Niederschrift beim Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf von Berlin Ordnungsamt, Premnitzer Str. 11, 12681 Berlin, zu erheben.
Es wird darauf hingewiesen, dass bei schriftlicher Einlegung des Widerspruchs die
Widerspruchsfrist nur dann gewahrt ist, wenn der Widerspruch innerhalb
dieser Frist eingegangen ist.
Das Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstr. 7, 10557 Berlin, kann auf
Antrag die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfes wiederherstellen (§
80 Abs. 5 VwGO).

Im Auftrag

Dr. Friederike Thullner
Stellv. Amtstierärztin