Der Ortsteil Borsigwalde

Borsigwalde Wappen

Borsigwalde wurde am 24. April 2012 offiziell zum elften Ortsteil Reinickendorfs ernannt. Ein Stück Berlin mit langer eigener Historie und lokalen Identifikationspunkten hat nun seinen eigenen Ortsteil.

Wie der Name verrät, ist diese Historie eng verknüpft mit der Firma Borsig. Da sich Borsigwalde ehemals auf dem Gebiet von Wittenau befand, hängen zudem die Entstehungsgeschichten der beiden Ortsteile stark zusammen. Das ehemalige Industrie- und Arbeiterviertel ist heute ein durchmischter Ortsteil mit Wohnsiedlungen, Kleingartenanlagen, verschiedenen Dienstleistungsbetrieben und dem Vivantes Humboldt-Klinikum. Die um 1900 errichteten zwei- bis dreistöckigen Häuserreihen in neo-gotisch-barocker Stilmischung entlang der Räuschstraße stehen sinnbildlich für die Vergangenheit als Wohnviertel für Industriearbeiter. Die Fassaden in der Räuschstraße sind bis heute komplett erhalten und stehen unter Denkmalschutz.

Geografisch ist der Ortsteil im Osten vom Eichborndamm nach Wittenau hin begrenzt. Die Kreuzung Eichborndamm/Am Nordgraben stellt den nordöstlichsten Punkt Borsigwaldes dar. Die nördliche Grenzmarkierung verläuft entlang des Nordgrabens bis hin zum Vivantes Humboldt-Klinikum. Südöstlich markiert die S-Bahn Haltestelle Eichborndamm das Ende des Ortsteils. Bis kurz vor den S-Bahnhof Tegel erstreckt sich entlang der S-Bahn Schienen die westliche Ausdehnung Borsigwaldes, auf dessen anderer Seite sich Tegel befindet.

Somit bilden die S-Bahnhöfe Tegel und Eichborndamm sowie die U-Bahnhöfe Rathaus Reinickendorf und Borsigwerke, die jeweils an den Ortsteil grenzen, eine gute Anbindung nach Borsigwalde. Weiterhin fahren die Busse der Linie 125 und X33 durch Borsigwalde.

Bis 1905 hießen Wittenau und Borsigwalde offiziell Dalldorf. Dalldorf war ein ehemaliges Bauerndorf, dessen Dorfkern mit mittelalterlicher Feldsteinkirche in Alt-Wittenau bis heute erhalten ist. Das im Ort ansässige ‚Irrenhaus‘ verlieh dem Namen Dalldorf berlinweit einen schlechten Ruf, weshalb sich die Einwohnerinnen und Einwohner für eine Umbenennung einsetzten. Am 14.10.1905 wurde durch einen königlichen Erlass eine Hälfte des Dalldorfer Gebietes nach dem Gemeindevorsteher Peter Witte in Wittenau und der andere Teil in Borsigwalde umbenannt. Zu diesem Zeitpunkt lebten bereits über 2000 Menschen in Borsigwalde.

Das Unternehmen Borsig im benachbarten Ortsteil Tegel war ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts ein erfolgreiches Großunternehmen. Auf der Suche nach günstigem Bauland, um weiter zu expandieren, kaufte Borsig Weideland in und um Tegel auf. 1895 besaß das Unternehmen 200 Morgen beziehungsweise 51 Hektar Tegeler Land. 1896 erfolgte der Umzug vom ehemaligen Firmensitz in Moabit nach Tegel. Zwei Jahre später wurde das erste Borsigwerk in Tegel in Betrieb genommen. Schwerpunkt des Betriebs war die Produktion von Dampflokomotiven. Jedoch mangelte es an Wohnungen für die Arbeiter. Aufgrund der angestiegenen Grundstückspreise in Tegel wurde nun Bauland in Dalldorf erworben. Bis 1900 erfolgte die Fertigstellung der bis heute unter Denkmalschutz stehenden Straßenzüge in der Räuschstraße und Ernststraße. Um sich von den engen und ungesunden Wohnverhältnissen in typischen Berliner Mietskasernen abzusetzen, wurde auf Seitenflügel und Hinterhäuser verzichtet, um Raum für Gärten hinter den Häusern zu schaffen. Außerdem wurden die Backstein- und Klinkerfassaden mit Giebeln und Holzschnitzereien verziert, ähnlich der Bürgerhaus-Architektur der Spätgotik und Renaissance.

Jedoch fehlten für die 80 Häuser Wasserleitungen, Kanalisation und Müllabfuhr, was zu katastrophalen hygienischen Verhältnissen führte. Im Zuge dessen errichtete die Gemeinde Dalldorf 1903 im Industriegebiet, südliches Borsigwalde, ein Gaswerk, ein Elektrizitätswerk und ein Kanalisationspumpwerk. Die Berliner Städtische Gasanstalt Tegel, 1905 errichtet, sollte bis 1955 in Betrieb bleiben und galt lange Zeit als das größte Gaswerk Europas.

Um 1900 lebten in Borsigwalde 2000 Menschen. In den folgenden Jahren verstärkte sich die Ansiedlung weiterer Industriebetriebe an den Standort und damit auch der Zuzug von Menschen.

Während des ersten Weltkrieges wurde in Borsigwalde die industrielle Waffenproduktion ausgeweitet. Bei Massenstreikaktionen zur Beendigung des Krieges beteiligten sich auch Borsig-Arbeiter. Nach Ende des Krieges rief der Kommunist Ernst Beuthke vor dem Wittenauer Rathaus die Revolution aus und der „Arbeiter- und Soldatenrat Wittenau-Borsigwalde“ wurde gegründet. Die Armut vieler Borsigwalder hatte sich während des Krieges verschlimmert, viele Grundnahrungsmittel wurden nur auf Lebensmittelkarten ausgegeben. Zur Vergrößerung der Armut trug auch die Inflation im Jahr 1923 bei.

Die Weltwirtschaftskrise führte 1931 zum Bankrott des Borsigwerkes, wodurch ein Großteil der Belegschaft arbeitslos wurde. Der Düsseldorfer Konzern Rheinmetall kaufte Borsig auf und stellte den Betrieb auf die Herstellung von Kriegsgütern um. Durch die Kriegsbestrebungen der Nationalsozialisten wurden die Fabriken erweitert und die Wohnsiedlung Borsigwalde weiter ausgebaut. 1939 erreichte Borsigwalde mit 11.000 Einwohnerinnen und Einwohnern ihren Höchststand. Im selben Jahr hielt Adolf Hitler im Borsigwerk eine Rede mit u.a. folgendem Inhalt: „Aber eines muss die Welt zur Kenntnis nehmen: eine Niederlage Deutschlands wird es nicht geben, weder militärisch, noch zeitgemäß, noch wirtschaftlich“.

Ein paar wenige Mutige gab es, die die Entwicklung zum totalitären Faschismus nicht akzeptierten. Zu Beginn der 1930er-Jahre lieferten sich Sozialdemokraten und Kommunisten Auseinandersetzungen mit Nationalsozialisten. Nach der Machtergreifung 1933 standen für die Gegner des NS-Staates Verhaftungen und Anstellungsverbote in den Industriebtrieben auf der Tagesordnung. Während des Zweiten Weltkrieges bildeten sich verschiedene Widerstandsgruppen in den Wohnsiedlungen und Fabriken. Eine Gedenktafel in der Schubartstraße 55 erinnert an sieben ermordete Mitglieder der Gruppe Mannhart, die sich in der Wohnung von Fritz Lüben trafen und Widerstand bei Rheinmetall-Borsig organisierten. In der heutigen Schubertstraße 61 lebte außerdem ein Teil der Unterstützer und die Familie von Ernst Beuthke, der bereits 1933 bei Straßenkämpfen von der SA angeschossen wurde und später im Widerstand aktiv war. Nachdem Ernst Beuthke verraten wurde, richteten die Nationalsozialisten ihn und neun Menschen aus seinem Umfeld hin. Am Eichborndamm 107 gedenkt eine Tafel an die Widerstandsgruppe um Robert Uhrig, die in den Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken aktiv war. In der Firma Alkett in Borsigwalde sabotierten Arbeiter um Hugo Kapteina den Bau von Panzern und verteilten Flugblätter. Bei den Dürener Metallwerken gab es eine Widerstandsgruppe um Arthur Sodtke.

Es zeigt sich, dass die Geschichte Borsigwaldes im Zusammenhang mit den jeweils ansässigen Unternehmen in nationale und globale Entwicklungen eingebettet ist. Es sind jedoch die Menschen vor Ort und deren Handlungen, die letztendlich die Geschichte eines Ortsteiles prägen können.

Während des zweiten Weltkrieges mussten viele Zwangsarbeiter in den Borsigwalder Fabriken arbeiten. Als Kriegsindustriestandort wurde Borsigwalde bombardiert, so dass nach Ende des Krieges alle Fabriken zerstört oder beschädigt waren. Zur Zeit des Wiederaufbaus der Wohnsiedlungen wurden einige Straßen in Borsigwalde nach Widerstandskämpfern benannt, was jedoch 1950 wieder revidiert wurde. Zu dieser Zeit lebten ungefähr 9500 Einwohner und Einwohnerinnen in Borsigwalde. Borsigwalde gehörte ab 1945 zum französischen Sektor im geteilten West-Berlin. Mit der Gründung der Borsig AG, Tochter der Rheinmetall AG, 1950, begann der Wiederaufbau weiterer Industrieanlagen. Dennoch gab es eine starke Abwanderung aus dem Ortsteil, so dass statt 9.700 im Jahr 1961 nur noch 6.270 Menschen im Jahr 1987 in Borsigwalde lebten. Grund hierfür dürfte unter anderem der fortlaufende Personalabbau bei Borsig gewesen sein. Seit den späten 2000er-Jahren steigt die Einwohnerzahl wieder an und 2022 gab es 6911 Borsigwalderinnen und Borsigwalder.

Die Miraustraße und die Holzhauser Straße trennen heutzutage das Wohngebiet Borsigwaldes vom Gewerbegebiet ab. Hier haben sich viele Unternehmen angesiedelt.

Alte und neue Lagerhallen, Geschäfte und Bürogebäude mit verschiedenen Industrie- und Dienstleistungsbetrieben prägen das Bild östlich der Holzhauser Straße. Am Eichborndamm befinden sich die Agentur für Arbeit Reinickendorf sowie das Landesarchiv Berlin, welches als zentrales Staatsarchiv des Landes Berlin die schriftliche Überlieferung von Berliner Behörden und Einrichtungen aufbewahrt.

Der Platz des Fußballvereins SC Borsigwalde 1910 liegt zentral im Ortsteil und ist prägend für die Kiezkultur. Über 500 Spieler und Spielerinnen sind hier momentan aktiv.

Die Benjamin-Franklin-Oberschule ist eine Integrierte Sekundarschule und befindet sich in der Sommerfelder Straße 5-7.

Fläche 2,09 qkm
Einwohner 6911 (2022)

  • Wappen Borsigwalde

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