Jahres-FMK 2016: Finanzlage der öffentlichen Haushalte

Die Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder haben in ihrer Jahreskonferenz am 3. Juni 2016 in Neuruppin unter dem Vorsitz von Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans (Nordrhein-Westfalen) u. a. die Lage der öffentlichen Finanzen beraten. Sie stellen dazu Folgendes fest:
  1. Die deutsche Wirtschaft setzt trotz eines schwierigen internationalen Umfelds ihren soliden Aufschwung fort. Träger des Wachstums bleibt weiterhin vor allem die Binnennachfrage. Die Perspektiven für den privaten Konsum – und damit eine binnenwirtschaftlich getragene konjunkturelle Aufwärtsbewegung – bleiben auch weiterhin gut. Die Einkommen der privaten Haushalte wachsen weiter, weil die Beschäftigung zunimmt und Löhne und Gehälter steigen. Die Erwerbstätigkeit entwickelt sich dynamisch, und die weiterhin hohe Arbeitskräftenachfrage und die gute Grundkonstitution der deutschen Wirtschaft sprechen für eine Fortsetzung der insgesamt positiven Entwicklung am Arbeitsmarkt. Die Bundesregierung geht in ihrer Frühjahrsprojektion von einem Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts von 1,7 Prozent im Jahr 2016 sowie 1,5 Prozent im Jahr 2017 aus. Dies entspricht weitgehend den Erwartungen in der aktuellen Gemeinschaftsdiagnose der Wirtschaftsforschungsinstitute sowie den Prognosen internationaler Organisationen.
  2. Unabhängig davon steht die deutsche Finanzpolitik in den kommenden Jahren vor bedeutenden und umfangreichen Herausforderungen. Dies gilt umso mehr, als das extrem niedrige Zinsniveau die öffentlichen Haushalte derzeit erheblich entlastet, dieser Umstand aber nicht dauerhaft fortbestehen wird. Hinzu kommen geopolitische Spannungen und ungelöste Probleme im Euroraum.
  3. Vor allem aber stellt die hohe Anzahl an Asylsuchenden und Flüchtlingen Deutschland in vielerlei Hinsicht vor schwierige Aufgaben. Durch die humanitäre Versorgung und die Integration hunderttausender Flüchtlinge entstehen erhebliche Kosten und Unwägbarkeiten für die öffentlichen Haushalte. Diese größte gesellschaftspolitische Herausforderung seit der Deutschen Einheit stellt alle Ebenen des Staates vor große und dringende Aufgaben. Auch wenn die längerfristigen Haushaltsauswirkungen immer noch schwer abzusehen sind, ist kurz- bzw. mittelfristig von einer deutlichen Belastung der Haushalte von Ländern und Kommunen auszugehen. Die Höhe künftiger Ausgaben hängt allerdings wesentlich von politischen Entscheidungen in anderen Bereichen ab – wie etwa Integrationsmaßnahmen in Deutschland, Verteilung der Einwanderung in der Europäischen Union oder Bekämpfung der Fluchtursachen vor Ort. In diesem Zusammenhang bekräftigen die Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder, dass die Bewältigung der Flüchtlingssituation eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe mit großen Herausforderungen für Bund, Länder und Kommunen ist. Sie begrüßen die Zusage des Bundes, sich substantiell an den Kosten von Ländern und Kommunen zu beteiligen; nach Ansicht der Länder sollte dies mindestens in Höhe einer hälftigen Beteiligung erfolgen.
  4. Um die absehbaren finanziellen Belastungen der nächsten Jahre tragen zu können, bedarf es daher auch weiterhin eines hohen Maßes an Haushaltsdisziplin. Solide Staatsfinanzen und die Bewältigung wichtiger Reformaufgaben sind dabei kein Widerspruch. Dabei sind eine verlässliche und gesicherte Einnahmenbasis und eine strikte Ausgabendisziplin die Voraussetzungen dafür, dass auch künftig unerwartete finanzpolitische Herausforderungen bei Einhaltung der verfassungsrechtlichen Verschuldungsgrenzen bewältigt werden können.
  5. Die kommunalen Kern- und Extrahaushalte schlossen das Jahr 2015 mit einem Überschuss von gut 3 Mrd. Euro ab, nachdem im Jahr davor noch ein Defizit von rund ½ Mrd. Euro zu verzeichnen war. Im laufenden Jahr wird allerdings mit einer spürbaren Verschlechterung des Finanzierungssaldos gerechnet. Gleichzeitig werden nicht zuletzt die Aufwendungen im Zusammenhang mit den zu versorgenden Flüchtlingen deutlich wachsen, vor allem da sich die besonders umfangreiche Zuwanderung aus der zweiten Hälfte des Jahres 2015 stärker niederschlagen wird. Hinzu kommt, dass eine Vielzahl von Kommunen weiterhin unter Strukturschwächen und stark steigenden Sozialausgaben leidet. Die Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder erinnern daher an die bereits im Jahr 2012 gegebene und im Jahr 2013 mit Blick auf die Reform der Eingliederungshilfe bekräftigte Zusage der Bundesregierung, eine Entlastung der Kommunen im Umfang von 5 Mrd. Euro jährlich herbeizuführen. Sie erwarten, dass die Bundesregierung zur konkreten Umsetzung dieser Entlastung nunmehr schnellstmöglich Gespräche mit den Ländern aufnimmt.
  6. Die Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder bekräftigen die Notwendigkeit, dass sich Bund und Länder endlich auf ein gemeinsames Konzept für die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen einschließlich des Länderfinanzausgleichs verständigen. Es bedarf einer angemessenen Finanzausstattung aller Länder, die die umfassende und effektive Wahrnehmung ihrer Aufgaben nachhaltig sicherstellt. Die Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder erwarten deshalb, dass der Bund den Ländern einen angemessenen Beitrag zur Verfügung stellt, und verweisen hierzu auf das im Rahmen der Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 3. Dezember 2015 verabschiedete gemeinsame Länder-Reformmodell. Dieses enthält weitreichende Zugeständnisse sowie Kompromisslinien und ist vom gemeinsamen Willen aller sechzehn Länder getragen, eine zeitnahe Einigung auch mit dem Bund herbeizuführen.