Reinickendorf

Kurt-Schumacher-Platz Reinickendorf

Es war im Jahre 1920, als Reinickendorf dem gesamten Berliner Bezirk seinen Namen gab. Die Geschichte dieses Ortsteiles geht jedoch bis ins 13. Jahrhundert zurück, als die Askanier dieses Gebiet besiedelten. Seit dieser Zeit hat sich einiges verändert, und das
historische Angerdorf von einst hat sich zu einem modernen Berliner Ortsteil entwickelt. Einem Ort, der durch die Mischung von metropoler Infrastruktur und dörflichem Flair für sich einnimmt. Eben shoppen Sie noch in der lebendigen Residenzstraße, schon sind Sie am nahegelegenen Schäfersee. Kaum 70 Meter von der nächsten U-Bahn-Station entfernt, ist der kreisrunde Schäfersee von einem Erholungs- und Freizeitpark umgeben.

Kitas, Schulen, optimale Einkaufsmöglichkeiten, typisch Berliner Kneipen und eine große Anzahl von Restaurants gestalten das Leben hier praktisch und reizvoll zugleich. Einen Reiz ganz besonderer Art hat die Weiße Stadt, die mit ihrer einmaligen Architektur zum Wahrzeichen wegweisender Baukunst wurde.

Im Ortsteil Reinickendorf sind auch zahlreiche Unternehmen wie die z.B. die Staatliche Münze oder ALBA beheimatet. Für viele Menschen wird damit der Anspruch vom Wohnen und Arbeiten an einem Ort wahr. Wenn Sie wollen, auch für Sie.

Reinickendorf, das 1920 dem 20. Berliner Verwaltungsbezirk den Namen gab, wurde im 13. Jahrhundert während der askanischen Kolonisation gegründet. Der Name des im Mittelalter als “Reynkendorp” bezeichneten Dorfes geht vermutlich auf den Ortsgründer Reinhard zurück. Im Gegensatz zu den anderen Ortsteilen des Bezirkes war Reinickendorf von 1397 bis 1632 und ab 1710 nicht im Besitz eines privaten Gutsherren, sondern gehörte als Kämmereidorf der Stadt Berlin und musste seine Abgaben an die Stadtkasse leisten.

Den zum Teil noch gut erhaltenen Ortskern dieses historischen Angerdorfes zu finden, ist im heutigen Straßengewirr des einstigen Berliner Vorortes gar nicht so einfach. Alt-Reinickendorf gleicht heute einer Insel der Ruhe, eingeschlossen und umschlungen von zu allen Tageszeiten überfüllten Hauptverkehrsstraßen und der S-Bahn. lm Osten sind es die Residenz- und Kopenhagener Straße, im Süden die Lindauer Allee, im Westen die Roedernallee und im Norden die S-Bahn S 25 von Lichterfelde-Ost nach Tegel – die historische Linie der Kremmener Bahn, die einst von Gesundbrunnen über Pankow, Schönholz, Reinickendorf, Tegel, Heiligensee, Hennigsdorf, Velten, Schwante nach Kremmen führte. Der weitere Ausbau der Linie in die Nordberliner Vororte ist geplant. Nach Alt-Reinickendorf gelangt man gut auch ohne Auto mit der soeben erwähnten S 25 bis Reinickendorf, mit der U-Bahn (U 8) bis Paracelsusbad (nach dem 1960 Roedern-/Ecke Lindauer Allee erbauten gleichnamigen Hallenschwimmbad benannt) oder mit den Bussen 120, 122, 228 und 322.

Sowohl vom S-Bahnhof als auch von der U-Bahnstation und von den Bushaltestellen bedarf es eines kurzen Fußweges, bis man – immer die Straße Alt-Reinickendorf entlang – die alte Dorfaue erreicht. Da die Dorfanlage trotz Kriegszerstörungen und Überbauungen in ihrer Form als Angerdorf mit einigen älteren Gebäuden erhalten ist und zum Teil auch wiederhergestellt wurde, lohnt ein kleiner Rundgang über die Dorfaue.

Schon von weitem zeugt die alte malerische Kirche von der Vergangenheit des Dorfes, in dem zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch nicht einmal 200 Menschen lebten. Die Dorfkirche ist in ihrer heutigen Form gegen Ende des 15. Jahrhunderts erbaut worden. Charakteristisch für den spätmittelalterlichen Bau sind die aus Feldsteinen mit teils rundbogigen, teils spitzbogigen Fenstern versehenen Außenmauern. Die Kirche wurde als kleiner unverputzter Saalbau mit einem rundbogigen Chor errichtet, der in Berlin einmalig ist. An der Westfront wurde sie im Jahre 1713 durch einen barocken, quadratischen Turm ergänzt. Im Inneren werden auf einem Flügelaltar aus dem 16. Jahrhundert auf mehreren bemalten Holztafeln Passionsszenen nach Holzschnitten von Albrecht Dürer dargestellt.

Unmittelbar vor der Dorfkirche zeugen heute drei stark verrostete Eisenkreuze und mit Efeu bewachsene Grabstätten von der Existenz des alten Dorffriedhofes auf dem Anger. Hier liegen u. a. Caroline Klamann (gest. 1867), deren Hof sich in Alt-Reinickendorf 25-29 (heute Fabrikgelände) befand, sowie der Bauer Gottfried Ludwig Kerkow (gest.1869) und seine Frau Anna Sophie begraben, deren Hof in Alt-Reinickendorf 47/48 erhalten geblieben ist. Bis 1911 standen auf dem Dorfanger vor dem Chor der Kirche die alte Dorfschule und bis zum Ende des 19. Jahrhunderts westlich davon das Haus des Lehnschulzen.
Der Rundgang über die Dorfaue entlang einiger noch erhaltener Bauernhäuser vermittelt dem Besucher das Ortsbild des 19. Jahrhunderts. Auf dem Grundstück 36/37 ließ sich der Bauer Carl Blanke von einem heute nicht mehr bekannten Maurermeister ein Wohnhaus errichten. Die meisten älteren Dorfgebäude stehen heute unter Denkmalschutz, wie z. B. das Ribbesche Büdnerhaus Nr.35 von 1826, das Wohngebäude Nr.36/37 von 1887 und die schon vor 1878 errichteten Stallgebäude und die Scheune.

Direkt neben dem Wohngebäude befindet sich auf dem Grundstück Nr.38 das alte Rathaus bzw. Amtshaus der Gemeinde, das 1885 als zweigeschossiger, rot-gelber Ziegelbau fertiggestellt und 1896/97 um ein Geschoss erweitert wurde, und bis zur Eingemeindung Berlins und bis zur Bildung des Verwaltungsbezirkes Reinickendorf im Jahre 1920 als Amtssitz des Gemeindevorstehers und kommunales Verwaltungszentrum genutzt wurde.

In dem sehr gut erhaltenen, repräsentativen dreigeschossigen ehemaligen Wohnhaus Nr.45/46 erinnert am Eingang Nr. 45 eine Gedenktafel daran, dass hier von 1922 bis 1933 der Arzt, Sexualpädagoge, Stadtarzt und Leiter des Gesundheitsamtes Reinickendorf Max Julius Hodann (30.8.1894-17,12.1946) arbeitete. Max Julius Hodann war der Gründer der ersten Mütterberatungsstelle in Berlin, Leiter des “Proletarischen Gesundheitsdienstes” und Mitarbeiter im Institut für Sexualwissenschaft von Magnus Hirschfeld. Er emigrierte 1933 zunächst in die Schweiz, war als Militärarzt im Spanischen Bürgerkrieg tätig und lebte dann in Schweden.

Die Dorfaue von Alt-Reinickendorf ist heute mit unterschiedlichen Bauten verschiedener Epochen und Baustile durchmischt. Neben einigen älteren Bauernhäusern und Einfamilienhäusern dominieren viergeschossige Mietwohnhäuser neben zweigeschossigen Apartmentwohnhäusern. An der nördlichen Seite des Dorfangers findet man heute nur noch Kleinhaussiedlungen, technische und kirchliche Bauten wie z. B. das Pfarrhaus in Alt-Reinickendorf 21, in dem von 1935 bis 1971 der Pfarrer Hans Dannenberg wirkte, der in den letzten Kriegsjahren Verfolgte vor dem Zugriff bewahrte und sich nach dem Krieg als Gründungsmitglied der CDU Berlin um den Wiederaufbau der Stadt und des Bezirkes Reinickendorf verdient gemacht hat.

Die ursprüngliche dörfliche Bebauung ist im nördlichen Teil des Angers nahezu vollständig verschwunden. Neben Mietwohnbauten hatten sich kleinere Industrie- und Gewerbebetriebe angesiedelt wie z. B, die “Prometheus GmbH” in Alt-Reinickendorf 23-27, die Eisenteile wie z. B. Zahnräder und Getriebe und während des Zweiten Weltkrieges wichtige Rüstungsgüter produzierte. Heute befindet sich unter anderem ein großer Glaserei-Betrieb auf diesem Gelände.
Nördlich des historischen Dorfensembles erstreckt sich jenseits der S-Bahn – direkt durch den Stegeweg mit Alt-Reinickendorf verbunden – an der Flottenstraße das Reinickendorfer Industriegebiet. Mit Ausnahme der Polizeidirektion 1 (Ecke Kopenhagener Straße) dehnt sich das Areal bis zu den Gleisen der Nordbahn (S-Bahn in Richtung Oranienburg) aus, die hier auch die Bezirksgrenze zwischen Reinickendorf und den Pankower Ortsteilen Wilhelmsruh und Schönholz bilden. Das gesamte Gelände gehörte neben den Borsigwerken in Tegel sowie den Industriegebieten am Eichborndamm in Wittenau und entlang der Holzhauser Straße bei Borsigwalde zu den wichtigsten Industriezentren Reinickendorfs. An der Flottenstraße befanden sich als Zentrum der Luftwaffenindustrie während des Zweiten Weltkrieges wichtige Firmen für die Rüstungsproduktion wie z. B. die Argus-Werke (Flugzeugmotoren für Jagdflugzeuge) oder die Fa. Heinkel (Flugzeugteile). Wenn auch weite Bereiche dieses ehemaligen Industrieareals heute einer neuen Nutzung zugeführt werden, gibt es in der Flottenstraße noch zahlreiche Industrie- und Dienstleistungsbetriebe, unter anderem die große Recycling-Firma ALBA und eine Betonfirma.

Westlich von Alt-Reinickendorf trifft man auf den Kienhorstpark, der nach dem Entwurf des Reinickendorfer Gartendirektors F. Kurth 1931/32 mit einem Schwanenteich angelegt wurde und heute als denkmalwerte Grünanlage betrachtet wird. Er erstreckt sich bis zur Oranienburger Straße.

Die bis an den östlichen Teil von Alt-Reinickendorf am Kolpingplatz heranführende Residenzstraße, die die Verbindung Reinickendorfs über die Reinickendorfer Straße im Wedding mit dem Zentrum Berlins (ehemals führte sie direkt zum Berliner Stadtschloß, zur Residenz) herstellte, zählt heute zu den wichtigsten Einkaufsstraßen Reinickendorfs. In der Straße findet man sehr unterschiedliche Haustypen verschiedener Epochen: vom Bauernhaus des 19. Jahrhunderts über Geschoßwohnungsbauten bis zu modernen Glas- und Betongebäuden.

Die Einkaufsstraße kann man bequem mit der U 8 über die Bahnhöfe Residenzstraße im Norden und Franz-Neumann-Platz im Süden der Straße, deren Verlängerung ab der Bezirksgrenze zu Wedding Schweden-, dann Bad- und Brunnenstraße heißt, erreichen.

Ungefähr 70 Meter westlich des U-Bahnhofs Franz-Neumann-Platz liegt in beinahe kreisrunder Form der Schäfersee. Der Name des Sees rührt von der Schäferei her, die sich hier einst befand. Der Schäfer trieb seine Herde auf die Wiesen um den See herum. Bevor man die Schafe schor, wurden sie im Wasser des Sees gewaschen, um die Wolle zu reinigen. In der Nähe des Sees soll sich der Sage nach einst der Rittersitz Neuenhagen befunden haben, nach dem der von der Residenzstraße abgehende Ritterlandweg benannt ist. Der Schäfersee hat eine Tiefe von sieben Metern. Um die Jahrhundertwende existierte am See noch eine Badeanstalt; nordwestlich des Schäfersees erinnert die Mudrackzeile daran, dass sich hier an einigen vom See abgetrennten Eisteichen einst die Eisfabrik Mudrack befand. Heute ist der Schäfersee von einem Freizeit- und Erholungspark mit einer südlich anschließenden Fußgängerzone, die 1979 errichtet wurde, umgeben. In der nördlich an den Schäfersee angrenzenden Stargardtstraße 11-13 befindet sich die Stadtteilbibliothek Reinickendorf-Ost.

Die U-Bahn Station am Schäfersee erinnert an den Reinickendorfer Franz Neumann, der im Widerstand tätig war; nach 1945 war er stellvertretender Bürgermeister in Reinickendorf, von 1946 bis 1958 Vorsitzender der Berliner SPD, bis 1960 Stadtverordneter und Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses und ab 1949 Vertreter Berlins im Bundestag.

Als ein Baudenkmal besonderer Güte erstreckt sich direkt südlich der historischen Dorfaue von Reinickendorf östlich und westlich der Aroser Allee die “Weiße Stadt”. Sie zählt neben der Siemensstadt, der “Hufeisensiedlung” in Britz und der Waldsiedlung “Onkel-Toms-Hütte” in Zehlendorf zu einer der vier Großsiedlungen Berlins der Weimarer Republik. Die wegen ihres ausschließlich weißen Farbanstrichs als “Weiße Stadt”, offiziell aber auch als “Großsiedlung Schillerpromenade” bezeichnete Wohnsiedlung wurde von 1929 bis 1931 von der stadteigenen “Gemeinnützigen Heimstättengesellschaft Primus b. m. H.” mit drei- bis fünfgeschossigen Wohnblöcken mit 1286 Wohneinheiten für Arbeiter und Angestellte in Berlin-Reinickendorf errichtet. Die Projektierungsarbeiten der Gesamtsiedlung wurden an die drei in Berlin etablierten Architekten Otto Rudolf Salvisberg, Wilhelm Brüning und Bruno Ahrends vergeben. Für die Planung und Gestaltung der 60 000 Quadratmeter Garten- und Freiflächen war der Gartendirektor Ludwig Lesser, der auch die Grünanlagen Frohnaus schuf, zuständig.

Das Kernstück der im Stil der Neuen Sachlichkeit errichteten Großsiedlung bildet das als Betonskelettbau von Salvisberg entworfene Brückenhaus über die Aroser Allee.

Die Haus- und Grundrissentwürfe wurden durch Rationalität und Wirtschaftlichkeit bestimmt. Genormte und vorgefertigte Bauelemente wie Betonfertigteile oder auch Fenster- und Türzargen und eine einheitliche Haustiefe von 9,40 Meter ermöglichten eine rentable städtische Siedlung. Die Ausstattung mit einem eigenen Fernheizwerk, zwei Zentralwäschereien, einem Kinderheim, einer Arztpraxis und insgesamt 24 Läden, die sich an städtebaulich dominanten Punkten befanden, verrieten die sozialreformerischen Intentionen der Architekten.

Ludwig Lesser, der Gartenarchitekt, war bestrebt, den Ausdruck der vertikalen Häuserfront in Flächen, Linien und Farben auf die horizontale Gartenfront zu übertragen. Er schuf in den Innenhöfen Einzel- und Gemeinschaftsgärten sowie Spielplätze und Sitzgelegenheiten, die heute allerdings nicht mehr in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten sind.

An der Aroser Allee/Ecke Holländerstraße ist auf dem Gelände der ehemaligen Fabrikanlagen der AEG mit dem modernen Bürokomplex “Anthropolis” ein bedeutender Dienstleistungsschwerpunkt geschaffen worden.

Östlich der “Weißen Stadt” schließt sich direkt an der Teichstraße das Gelände mit den Gebäuden des alten Humboldt-Krankenhauses an. Im Jahre 1910 wurde es als Verbandskrankenhaus Reinickendorf auf einem 4,5 Hektar großen Terrain nach den Entwürfen der bekannten Charlottenburger Architekten von Mohr & Weidner errichtet. Die Gemeinde Reinickendorf, die zu diesem Zeitpunkt über 34 000 Einwohner zählte, konnte die Bauten nur mit Unterstützung des Kreises Niederbarnim und im Verbund mit den Nachbargemeinden Tegel, Wittenau und Rosenthal finanzieren. Das Zweckverbandskrankenhaus Reinickendorf zählte 1910 genau 200 Betten und war in mehreren Gebäudekomplexen im Pavillonstil errichtet worden. Neben dem Rudolf-Virchow-Krankenhaus im Wedding gehörte das Humboldt-Krankenhaus vor dem Ersten Weltkrieg zu einer der modernsten Krankenhaus-Anlagen. Es war großzügig von Grünanlagen umgeben und hatte soziale Reformbauten zum Vorbild. Das 1918 in die städtische Verwaltung übergegangene Verbandskrankenhaus wurde während des Dritten Reiches nach dem konservativen Arzt und Standespolitiker Erwin Lieck, der ein neues Arzttum mit einem besonderen Arzt-Patienten-Verhältnis propagierte, in Erwin-Lieck-Krankenhaus umbenannt. Während des Zweiten Weltkrieges war ein zusätzlicher Operationsbunker gebaut worden, der Notoperationen auch während der Fliegerangriffe ermöglichte. Die Bettenzahl des Krankenhauses, dessen Ausbau seit der Mitte der dreißiger Jahre vorangetrieben wurde, betrug Ende der Dreißiger 290. Das Reinickendorfer Krankenhaus überstand den Zweiten Weltkrieg relativ unbeschadet und wurde nach Kriegsende weitergenutzt. Es wurde von 1945 bis 1952 von der französischen Besatzungsmacht beschlagnahmt und in “Hopital Militaire Louis Pasteur” umbenannt. Später wurde es für die Reinickendorfer Bevölkerung bis 1985 genutzt. In diesem Jahr entstand der Neubau des Humboldt-Krankenhauses in Wittenau, Am Nordgraben. Die verschiedenen Gebäude des Altbaus werden heute unter anderem von Dienststellen des Bezirksamtes Reinickendorf und verschiedenen Sozialeinrichtungen genutzt.

In der Nachbarschaft des alten Humboldt-Krankenhauses lohnt auf jeden Fall ein kurzer Besuch des Städtischen Friedhofs Reinickendorf, der über den Lübener Weg zu erreichen ist. Er wurde 1897 wegen des rasanten Bevölkerungswachstums außerhalb der damaligen Landgemeinde angelegt. Wenn man vom Haupteingang an der Humboldtstraße den Promenadenweg, der ursprünglich als Teil des Grünzuges konzipiert war, entlang schreitet, stößt man direkt auf eine von Richard Ermisch 1928 errichtete Pfeilerhalle aus roten Klinkern. In ihr befindet sich ein von Reinhold Begas geschaffener Bronzesarkophag, der für den 1874 verstorbenen Sohn Arthur des “Eisenbahnkönigs” Bethel Henry Strousberg geschaffen wurde. Der Bronzesarkophag, der wegen des finanziellen Ruins erst nach dem Tode Strousbergs im Jahre 1884 anlässlich der Pariser Weltausstellung im Jahre 1900 gegossen werden konnte, stellt den auf dem Sarkophag ruhenden Arthur Strousberg dar, der von einem weiblichen Todesgenius in den Armen gehalten wird. Zwei Putten befinden sich zu seinen Füßen und bekränzen den Toten mit Efeu und Rosen.
Am Ende der Humboldtstraße stößt man auf die Ollenhauerstraße, die ehemalige Berliner Straße, die 1964 – ein Jahr nach seinem Tode – nach dem ehemaligen Bundesvorsitzenden der SPD und langjährigen Bundestagsabgeordneten Erich Ollenhauer (1901-1963) benannt wurde. Die Straße entwickelte sich schon im frühen 19. Jahrhundert unter dem Namen “Dalldorfer Chaussee” als Verbindung zwischen Dalldorf (Wittenau) und Berlin, wenn sie auch niemals die Bedeutung einer Ausfallstraße zwischen Berlin und den nördlichen Vororten erhielt.
Das Karree zwischen Pfahler-, Kienhorst-, Schulenburg- und Waldowstraße ist wegen der zwei von Erwin Gutkind 1927 erbauten Wohnanlagen der Wohnungsbaugesellschaft “Gruppe Nord” sehenswert. Die Anlagen bilden zur Ollenhauerstraße einen offenen Hof, der heute durch einen nachträglich errichteten Supermarkt zum Teil verbaut worden ist. Kennzeichen dieser im Stil der Architektur der Weimarer Republik erbauten Siedlung sind die großflächig verglasten Wintergärten an den Stirnseiten und der auffällige Kontrast zwischen den weiß verputzten Flächen und den Mauern aus roten Ziegelsteinen.

Die Ollenhauerstraße bildet die Grenze zwischen dem alten Reinickendorf (Reinickendorf-Ost) mit der oben beschriebenen historischen Dorfaue und seinen Erweiterungen und Reinickendorf-West, das sich westlich dieser Grenze entlang der Scharnweberstraße bis zum U-Bahnhof Seidelstraße, der im Jahre 2002 von der Firma Otis erworben wurde und in U-Bahnhof “Otisstraße” umbenannt wird, erstreckt und im Norden von der Kremmener Bahn, der heutigen S 25 nach Tegel, begrenzt wird. Die Scharnweberstraße, auf der bereits ab 1672 die Poststrecke von Berlin nach Hamburg verlief, durchquert von Osten nach Westen den südlichen Rand von Reinickendorf-West und mündet in Richtung Stadtzentrum über den Kurt-Schumacher-Platz direkt in die Müllerstraße im Bezirk Wedding. An dem Platz, der heute einen der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte der Stadt bildet, erinnert ein Denkmal an den sozialdemokratischen Politiker Kurt Schumacher (1895-1952). Folgt man dem Kurt-Schumacher-Damm etwa 200 bis 300 Meter in Richtung Charlottenburg, erblickt man auf der linken Seite direkt vor dem Eingang der Julius-Leber-Kaserne (ehem. “Quartier Napoleon”) das aus mehreren in einem Quadrat aufgestellten Säulenquadern bestehende Denkmal “Berlin dankt Frankreich”.

Das Denkmal wurde von dem bekannten Schweizer Architekten, Bildhauer und Bauhaus-Schüler Max Bill errichtet und am 7. September 1994 zur Verabschiedung der französischen Truppen von den Bezirken Wedding und Reinickendorf – dem ehemaligen französischen Sektor Berlins – der Öffentlichkeit übergeben. Das begehbare Denkmal wurde direkt an der Grenze zwischen den beiden Bezirken an einem symbolischen Ort aufgestellt und besteht aus unterschiedlichen Graniten in den Farbtönen der deutschen Nationalfahne und der französischen Trikolore als Ausdruck der Verbundenheit.

Direkt gegenüber dem Kaserneneingang stehen die zwei- bis drei- stöckigen Häuser der 1951 von den französischen Alliierten errichteten “Cité Berthezéne”. Im sich in Richtung Kurt-Schumacher-Platz direkt anschließenden “Foyer Berthezéne” befanden sich einst ein Einkaufszentrum, eine Buchhandlung, ein Restaurant und Freizeiteinrichtungen für die französischen Soldaten, die als junge Rekruten in Berlin bis 1994 stationiert waren.

Zwischen der Siedlung und dem ehemaligen “Foyer Berthezene” wurde am Kurt-Schumacher-Damm 28 ein Neubau für die “DEKRA e. V.” errichtet. Seit Oktober 1996 werden in vier Prüfhallen Begutachtungen von Bauartveränderungen und die Hauptuntersuchungen für Fahrzeuge durchgeführt.

In Reinickendorf-West haben sich der südliche Teil der Ollenhauerstraße, der Kurt-Schumacher-Platz und die Scharnweberstraße zu Geschäfts- und Einkaufszentren entwickelt. Direkt am U-Bahn-Ausgang Kurt-Schumacher-Platz befindet sich das Einkaufszentrum “Der Clou” mit Restaurants und Cafes, Lebensmittel- und Bekleidungsgeschäften, Läden, Boutiquen und einem großen Markt für Elektronikgeräte. In der Scharnweberstraße findet man daneben auch Supermärkte, ein kleines Kaufhaus und das größte Buch- und Mediengeschäft im Norden Berlins.

Seit zwei Jahren werden regelmäßig Straßenfeste organisiert, die nicht nur die Anwohner, sondern auch Berlinerinnen und Berliner aus anderen Stadtteilen, Besucher aus dem Umland wie auch Touristen anziehen.

An der Südseite des Städtischen Friedhofs Reinickendorf, des sich daran anschließenden St.-Sebastian-Friedhofs, des Nazareth-Kirchhofs und des Dankesfriedhofs in der Gotthardstraße 105 wohnte eine einst berühmte, heute vollkommen vergessene Reinickendorferin, Frau Käte Paulus (1868-1935) – Deutschlands erste Fallschirmspringerin.