Die station urbaner kulturen lädt zu Ausstellung, Cricket, Filmscreening und Vortrag ein

Pressemitteilung vom 06.08.2019

Die Aktivitäten der station urbaner kulturen / nGbK Hellersdorf wurden im Sommer auf die Grünfläche »Place Internationale« verlagert. Alle Interessierten sind herzlich zu folgenden Events in Marzahn-Hellersdorf eingeladen:

  • Samstag 10. August 2019, 18:00 Uhr
    Filmscreening und Vortrag »Die Landkartenfabrik als Unterkunft für Geflüchtete« mit Roser Corella und Tinatin Gurgenidze
  • Samstag 17. August 2019
    14:30 – 17:30 Uhr Cricket Fest mit AC Berlin und Hellersdorf Cricket Club
    18:00 Uhr Vortrag »Die Tiflis Architektur Biennale« von Tinatin Gurgenidze
  • Zu sehen bis 17. August 2019 Ausstellung im Freien:

KREISE ZIEHEN. Großsiedlungen und die Produktion von Bildern ihrer selbst. Teil 3: Tiflis-Gldani / Berlin-Gropiusstadt mit Tinatin Gurgenidze & Christian Hanussek und Stephen Willats am Place Internationale

Eintritt frei. Jeder ist willkommen.

Film und Vortrag
»Die Landkartenfabrik als Unterkunft für Geflüchtete« von Roser Corella in Zusammenarbeit mit Milan Bath und Tinatin Gurgenidze

Nach dem Konflikt zwischen Georgien und Abchasien in den frühen neunziger Jahren verließen rund 200.000 ethnische Georgier_innen und Abchas_innen ihre Heimatregionen. Die Mehrheit dieser Binnenvertriebenen wohnt heute in ehemaligen öffentlichen Verwaltungsbüros in Georgien, die für Wohnzwecke bestimmt waren. Nur ein kleiner Teil der ehemaligen Kartenfabrik von Gldani, die in den 1970er Jahren erbaut wurde, behält seine ursprüngliche Nutzung. Der Rest des Gebäudes beherbergt 102 Binnenvertriebene aus Abchasien. Die Bewohnerin Tamta verbrachte hier ihre ganze Kindheit und kann sich erinnern, wie der Flur überflutet wurde, wenn es durch das beschädigte Dach regnete. Sie und die anderen Kinder verwandelten den überfluteten Flur in einen Spielplatz.
Im Rahmen von KREISE ZIEHEN 3

Vortrag »Die Tiflis Architektur Biennale«
Die Tiflis Architektur Biennale (TAB) 2018 war die erste, die seit der Wiedererlangung der Unabhängigkeit Georgiens im Jahr 1991 stattfand. Mit der Veranstaltung sollte ein kulturelles Architekturereignis geschaffen werden – für die Stadt ein Novum. Im Jahr 2013 begann die Kuratorin und Mitbegründerin der TAB Tinatin Gurgenidze über die riesige Siedlung Gldani in der georgischen Hauptstadt zu recherchieren, die Bewohner_innen zu befragen und zu dokumentieren, wie sie die Gebäude, in denen sie leben, in Eigenregie umgestaltet haben.Unter dem Titel »Gebäude sind nicht genug« widmete sich die Biennale den Transformationsprozessen der Stadt und den neu erfundenen Gewohnheiten ihrer Bewohner_innen. Die TAB versuchte dieses städtische Phänomen zu lesen und mit ihm zu interagieren: Die Bewohner_innen waren dabei die Architektur und die gebaute Umwelt zu verändern und so an ihre sich ändernden Bedürfnisse anzupassen. Die Biennale wies auf die Transformationsprozesse hin, die in den sogenannten Mikrorayons oder Mikrobezirken der großen modernistischen Siedlungen der Sowjetunion stattfinden. Dies eröffnete ein ganzes Spektrum von Fragen, die über die eingeschränkte Idee ›Sowjet‹ hinausgingen.
Im Rahmen von KREISE ZIEHEN 3

Cricket Fest
Seit Mai 2017 spielen Männer aus Pakistan und Afghanistan Cricket auf der Grünfläche „Place Internationale“ und gestalten in Zusammenarbeit mit der station urbaner kulturen ein offenes Sportangebot für die Nachbarschaft. Die station initiiert damit in Hellersdorf die Umsetzung eines in vielen Ländern vorhandenen Freizeitgeländes, dem sog. Recreation Ground. Die großen, kostenlos zugänglichen und von den Kommunen gepflegten Rasenflächen für Erholung und Sport entstanden ursprünglich aus dem staatlichen Bekenntnis des Viktorianischen Großbritanniens zum Menschenrecht auf Gesundheit und Natur in städtischen Räumen. Recreation Grounds werden vielerorts auch für das Cricket-Spiel genutzt.

Bis 1937 gab es in Berlin über 50 Cricket-Vereine, bevor die Gleichschaltungsmechanismen des nationalsozialistischen Regimes auch im Sport Anwendung fanden und Cricket durch die NSDAP verboten wurde. Englischen Soldaten im West Berlin des Kalten Kriegs brachten den Sport zurück. Durch den Einfluss internationaler Studierenden und geflüchteter Menschen erlebt Cricket heute in Deutschland ein Revival. Der Nationalmannschaft gelang 2017 sogar die Qualifikation für die Weltliga. Der Hellersdorfer Sportverein AC Berlin hat 2016 eine Cricket-Abteilung gegründet und spielt inzwischen erfolgreich in der Regionalliga.
Im Rahmen von DIE PAMPA LEBT

Ausstellung im Freien
KREISE ZIEHEN. Großsiedlungen und die Produktion von Bildern ihrer selbst. Teil 3: Tiflis-Gldani / Berlin-Gropiusstadt mit Tinatin Gurgenidze & Christian Hanussek und Stephen Willats am Place Internationale (bis 17. August 2019)

Im dritten Teil der Reihe KREISE ZIEHEN werden Text-Bildmontagen auf Großplakatflächen auf de r Grünfläche»Place Internationale« nahe der station urbaner kulturen gezeigt. Der Künstler Christian Hanussek und die Architektin Tinatin Gurgenidze beschäftigen sich mit der Großwohnsiedlung Gldani in Tiflis und in der Arbeit des Künstlers Stephen Willats geht es um die Berliner Gropiusstadt.

Tinatin Gurgenidze & Christian Hanussek präsentieren mit ihrer Serie »Wir haben ja alles…« Einblicke in die Großwohnsiedlung Gldani, die etwa 30 % der 1 Mio. Einwohner von Tiflis beherbergt. Die Siedlung wurde als Teil des Generalplans von 1970 auf einer freien Fläche am nördlichen Stadtrand gebaut – ambitioniert angelegt als in sich funktionierende urbane Struktur. Nach dem Ende der sozialistischen Ära begannen die Bewohner_innen, ihre Wohnungen um Vorbauten, die berühmt-berüchtigten »Kamikaze Loggias«, zu erweitern und die Freiflächen zwischen den Wohnblocks mit Garagen wild zuzubauen. Mit dieser postsozialistischen Umformung ursprünglicher Planung mit teilweise brachialer Aneignung entstand eine parallele Mikroökonomie, die vielen Bewohner_innen das Überleben sichert und den öffentlichen Raum mit sozialem Austausch belebt.

Stephen Willats interveniert seit Anfang der 1960er Jahre mit seinen künstlerischen Arbeiten im sozialen Gefüge der Gesellschaft. Dabei bezieht er Menschen in den künstlerischen Schaffensprozess im Sinne einer ›Kunst als soziale Praxis‹ ein. Seine Serie »In Isolation leben« entstand 1979/80 in der Berliner Gropiusstadt zusammen mit Klaus Müller, einem Bewohner, dessen große Wohnung in einem Wohnturm hier zum Symbol der Isolation wird. Die Collagen thematisieren den physischen und psychischen Druck, dem der Einzelne durch Isolation in der Gesellschaft ausgesetzt ist. Bilder und Texte schildern, wie vielfältig persönlicher Raum in vorgegebenen Strukturen und anonymen Architekturen definiert werden kann. Es wird deutlich, wie Menschen in ihrem Bemühen um Ausdrucksformen persönlicher Identität und um ein Gemeinschaftsgefühl selbstorganisierte soziale und kreative Netzwerke erschaffen.

Hintergrund:
Ausstellungsreihe »KREISE ZIEHEN«, seit Mai 2018
Großsiedlungen sind miteinander vergleichbar – auch über Kontinente hinweg. Oft sind sie in konzentrischen Kreisen um die Kernstadt herum organisiert. Doch selbst innerhalb einer Stadt haben die Großsiedlungen kaum Kontakt miteinander. Das Ausstellungsprojekt KREISE ZIEHEN in Berlin-Hellersdorf schlägt Brücken innerhalb und auch jenseits der Stadtgrenzen mit Partnersiedlungen. Wie entstehen Stereotypen von Orten, wie werden sie von außen gesetzt und von innen angenommen und weitergeführt? Wie können Bilder in der Peripherie entstehen, die nicht von außen ein ›Image‹ überstülpen, sondern von den Bewohner_innen mit Eigensinn erarbeitet wurden?

Hintergrund:
Rechercheprojekt »DIE PAMPA LEBT – Hellersdorf als Großwohnsiedlung gestern, heute und morgen« von Anwohnern_innen und Künstler_innen im Quartier Boulevard Kastanienallee im Zeitraum 2019–2021. Das soziale, politische und kulturelle Gefüge eines immer kosmopolitaneren und widersprüchlichen Hellersdorf ist Ausgangspunkt der Recherche. Seit März 2019 arbeiten Anwohnerinnen und Anwohner sowie Künstlerinnen und Künstler gemeinsam an einer Reihe von Fragen: Welche Hoffnungen, Ängste, Glücksversprechen und Kränkungen gab es hier in den 1990ern. Und heute? Welche Auswirkungen hat der Wegfall der Arbeitsgesellschaft? Und der Abriss von Gebäuden? Welche Zukunftsvisionen gibt es für Hellersdorf? Und welche Ideen gibt es, mehr Lebensqualität für junge Erwachsene zu schaffen? Welche Veränderungen und Verschiebungen von Wertsystemen erleben Anwohnerinnen und Anwohner und wie dokumentieren sie sie? Ziel ist, anhand eines Austauschs über die Fragen, neue Bilder der Großsiedlung zu produzieren. Die Anwohnerinnen und Anwohner sowie Künstlerinnen und Künstler treffen sich regelmäßig in der station urbaner kulturen, auf der Grünfläche Place Internationale und bei Ausflügen zu Ausstellungen und Veranstaltungen in Berlin und anderen Städten. In einer offenen Sammelstelle, bestehend aus Ordnern und Regalen, werden 2019 transkribierte Gespräche und abgegebenes Material in der station und auf der Grünfläche festgehalten und sichtbar gemacht. 2020 ist eine Ausstellung der Recherche und der neuen Bilder geplant.

Hintergrund:
station urbaner kulturen / nGbK in Hellersdorf
Seit 2014 engagieren sich Mitglieder der nGbK in der Großsiedlung Berlin-Hellersdorf. Die station urbaner kulturen ist ein diskursiver Veranstaltungs- und Ausstellungsraum und ein Ort für gemeinsames Arbeiten von Anwohnerinnen und Anwohner sowie Künstlerinnen und Künstlern. Mit ihrer langfristigen Präsenz am Stadtrand möchte sich die nGbK der Verantwortung stellen, neue Wege einer künstlerischen Praxis aufzuzeigen. Mit unterschiedlichen Kulturprojekten sollen weiterhin interventionistische Prozesse, die Weiterentwicklung von sozialen Strukturen und ein Nachdenken über die Zukunft eines Stadtteils initiiert und vertieft werden. Teil des Aktionsfeldes in Hellersdorf ist die Grünfläche direkt neben dem U-Bahnhof Cottbusser Platz. Sie steht beispielhaft für viele Freiflächen innerhalb der Stadt, die sich angeboten haben, in nachbarschaftlicher Teilhabe von Anwohner_innen als öffentliche und kostenlose Orte für Kultur und Freizeit genutzt zu werden, nun aber permanent von Bebauung bedroht sind.

www.archiv.ngbk.de/projekte/station-urbaner-kulturen-hellersdorf-seit-2014/
www.ngbk.de/de/programm/initiative-urbane-kulturen (www.ngbk.de/de/programm/initiative-urbane-kulturen)

nGbK-Projektgruppe station urbaner kulturen:
Jochen Becker, Fabian Bovens, Eva Hertzsch, Margarete Kiss, Constanze Musterer, Adam Page. Mit Unterstützung von Christian Hanussek.

Partner für das Cricket Fest:

„DIE PAMPA LEBT – Hellersdorf als Großwohnsiedlung gestern, heute und morgen“ wird aus Mitteln aus dem Programm „Soziale Stadt“ gefördert sowie vom Amt für Weiterbildung und Kultur Marzahn-Hellersdorf unterstützt.

»KREISE ZIEHEN« wird mit freundlicher Unterstützung von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa – Kunst im Stadtraum unterstützt.

Veranstaltungsort und weitere Informationen:
Grünfläche »Place Internationale«
Maxie-Wander-/Ecke Carola-Neher-Straße
12619 Berlin-Hellersdorf (U5 Cottbusser Platz)
Führungen: Do + Sa, 15:00 – 18:30 Uhr
0173 200 96 08
station-urbaner-kulturen@ngbk.de