§ 9 JKapVVO ermöglicht es dem Referat für Referendarangelegenheiten, verfügbare Ausbildungsplätze an solche Bewerberinnen und Bewerber zu vergeben, für die die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst zu dem Einstellungstermin, der ihnen nach ihrem Rang in der nach Punkten gewichteten Bewerbungsliste zusteht, eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde.
Welche außergewöhnliche Härte eine Bewerberin oder einen Bewerber im Einzelfall unzumutbar benachteiligt, ist naturgemäß nicht abstrakt zu beantworten. Für alle Anträge und die Anerkennung eines Härtefalls gilt aber, dass nach der Rechtsprechung des Berliner Verwaltungsgerichts besonders strenge Maßstäbe anzulegen sind. Diese Rechtsprechung rechtfertigt sich aus dem Gedanken, dass durch die bevorzugte Einstellung eines Dritten eine andere Mitbewerberin oder ein anderer Mitbewerber, die/der die volle Wartezeit absolviert hat, von der Einstellung ausgeschlossen werden. Die Rechtsprechung lehnt sich bei dieser Überlegung – und auch im Übrigen – an das insoweit vergleichbare Hochschulzulassungsrecht an.
Eine außergewöhnliche Härte im Sinne von § 9 JKapVVO wird regelmäßig nur dann angenommen, wenn die Zurückstellung mit solchen Nachteilen verbunden ist, die bei Anlegung des strengen Maßstabes über das Maß der mit der Zurückstellung üblicherweise verbundenen Nachteile in unzumutbarer Weise hinausgehen. Es muss auf Grund der im Gesetz genannten außergewöhnlichen Härte in der Person d. Antragstellerin/Antrag¬stellers ein solches Maß an Unzumutbarkeit „erreicht“ werden, dass zur Beseitigung dieses gesetzwidrigen Zustandes kein anderes Mittel denkbar ist, als eben die sofortige Zulassung. Die Rechtsprechung berücksichtigt in diesem Zusammenhang von d. Bewerberin/Bewerber nicht zu vertretende Lebensumstände, die es ihr/ihm verwehrt haben, zur gleichen Zeit die Qualifikation zu erreichen wie die Mitbewerberinnen und Mitbewerber.
Beispielsweise wurde in folgenden Konstellationen in den letzten Jahren vom Kammergericht eine außergewöhnliche Härte im Sinne von § 9 JKapVVO angenommen:
- Während des Prüfungsverfahrens gab es Verfahrensfehler bzw. ein erfolgreiches Widerspruchsverfahren und d. Bewerber/in konnte nur deshalb wesentlich später als Kommilitonen die mündliche Prüfung ablegen und sich um die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst bewerben.
- Bewerber/in ist chronisch krank und besitzt eine geringe Lebenserwartung
- Bewerber/in hat wegen einer eigenen Erkrankung oder deshalb, weil ein enges Familienmitglied seiner Pflege und Unterstützung bedurfte, unverschuldet eine wesentliche Ausbildungsverzögerung erlitten.
- Die Erkrankung bzw. Pflege des Angehörigen führten jeweils dazu, dass d. Bewerber/in über einen längeren Zeitraum studierunfähig war.
- Bewerber/in ist schwer behindert (mindestens ein GdB von 50%), hat aufgrund seiner Behinderung eine wesentliche Ausbildungsverzögerung erlitten und ist wegen seiner Behinderung auf einen Ausbildungsplatz in Berlin angewiesen.
Die wesentliche Ausbildungsverzögerung richtet sich nach der aktuellen Wartezeit.
Allein der Umstand, dass eine Bewerberin oder ein Bewerber gegenüber dem Ehepartner und/oder Kindern unterhaltspflichtig ist, begründet keine außergewöhnliche Härte im Sinne der Härtefallregelung (Oberverwaltungsgerichts Berlin, Beschl. vom 7. März 1991 – OVG 4 S 5/91).
Diese Beispiele sollen nur zur groben Orientierung dienen, da es für die Anerkennung einer außergewöhnlichen Härte stets auf die individuellen Umstände des Einzelfalles ankommt. Die Aufzählung ist selbstverständlich auch nicht abschließend. Sollten Sie in Betracht ziehen, einen Antrag auf Anerkennung eines Härtefalles zu stellen, bieten wir Ihnen gerne eine telefonische Beratung vorab durch die zuständigen Mitarbeitenden der Referendarabteilung an. Die zuständige Mitarbeitenden finden Sie hier.
§ 9 JKapVVO verlangt im Übrigen, dass der Antrag auf bevorzugte Einstellung als „Härtefall“ innerhalb der Bewerbungsfrist zum nächsten Einstellungstermin geltend gemacht und – vor allem! – glaubhaft gemacht sein muss. Auswärtige Bewerberinnen und Bewerber, die einen Härtefall geltend machen, können nur dann bevorzugt aufgenommen werden, wenn es für den Wohnortwechsel einen zwingenden Grund gab oder gibt. In einer Vielzahl von Oberlandesgerichtsbezirken müssen Bewerber derzeit mit keiner Wartezeit rechnen.