Härtefälle

§ 5 Abs. 2 S. 2 JKapVVO ermöglicht es dem Referat für Referendarangelegenheiten, bis zu 10 % der verfügbaren Ausbildungsplätze an solche Bewerberinnen und Bewerber zu vergeben, für die eine Zurückstellung eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde und damit die Überbrückung der Wartezeit unzumutbar wäre (Härtefälle). Was unter einem Härtefall zu verstehen ist, beschreibt – freilich sehr abstrakt – § 6 Abs. 1 JKapVVO. Eine außergewöhnliche Härte ist danach gegeben, wenn eine Bewerberin oder ein Bewerber nach der Dauer der Wartezeit nicht berücksichtigt werden könnte, die Zurückstellung sie oder ihn jedoch infolge persönlicher oder sozialer Umstände unzumutbar benachteiligen würde.

Welche persönlichen oder sozialen Umstände eine Bewerberin oder einen Bewerber im Einzelfall unzumutbar benachteiligen, ist naturgemäß nicht abstrakt zu beantworten. Für alle Anträge und die Anerkennung eines Härtefalls gilt aber, dass nach der Rechtsprechung des Berliner Verwaltungsgerichts besonders strenge Maßstäbe anzulegen sind. Diese Rechtsprechung rechtfertigt sich aus dem Gedanken, dass durch die bevorzugte Einstellung eines Dritten eine andere Mitbewerberin oder ein anderer Mitbewerber, die/der die volle Wartezeit absolviert hat, von der Einstellung ausgeschlossen werden. Die Rechtsprechung lehnt sich bei dieser Überlegung – und auch im Übrigen – an das insoweit vergleichbare Hochschulzulassungsrecht an.

Eine außergewöhnliche Härte im Sinne von § 6 JKapVVO wird regelmäßig nur dann angenommen, wenn die Zurückstellung mit solchen Nachteilen verbunden ist, die bei Anlegung des strengen Maßstabes über das Maß der mit der Zurückstellung üblicherweise verbundenen Nachteile in unzumutbarer Weise hinausgehen. Es muss auf Grund der im Gesetz genannten persönlichen oder sozialen Umständen in der Person d. Antragstellerin/Antrag­stellers ein solches Maß an Unzumutbarkeit „erreicht“ werden, dass zur Beseitigung dieses gesetzwidrigen Zustandes kein anderes Mittel denkbar ist, als eben die sofortige Zulassung. Die Rechtsprechung berücksichtigt in diesem Zusammenhang von d. Bewerberin/Bewerber nicht zu vertretende Lebensumstände, die es ihr/ihm verwehrt haben, zur gleichen Zeit die Qualifikation zu erreichen wie die Mitbewerber.

Beispielsweise wurde in folgenden Konstellationen in den letzten Jahren vom Kammergericht eine außergewöhnliche Härte im Sinne von § 6 JKapVVO angenommen:

  • Während des Prüfungsverfahrens gab es Verfahrensfehler bzw. ein erfolgreiches Widerspruchsverfahren und d. Bewerber(in) konnte nur deshalb wesentlich später als Kommilitonen die mündliche Prüfung ablegen und sich um die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst bewerben.
  • Bewerber(in) ist chronisch krank und besitzt eine geringe Lebenserwartung
  • Bewerber(in) hat wegen einer eigenen Erkrankung oder deshalb, weil ein enges Familienmitglied seiner Pflege und Unterstützung bedurfte, unverschuldet eine wesentliche Ausbildungsverzögerung erlitten.
  • Die Erkrankung bzw. Pflege des Angehörigen führten jeweils dazu, dass d. Bewerber(in) über einen längeren Zeitraum studierunfähig war.
  • Bewerber(in) ist schwer behindert (mindestens ein GdB von 50%), hat aufgrund seiner Behinderung eine wesentliche Ausbildungsverzögerung erlitten und ist wegen seiner Behinderung auf einen Ausbildungsplatz in Berlin angewiesen.

Allein der Umstand, dass ein(e) Bewerber(in) gegenüber dem Ehepartner und/oder Kindern unterhaltspflichtig ist, begründet keine außergewöhnliche Härte im Sinne der Härtefallregelung (Oberverwaltungsgerichts Berlin, Beschl. vom 7. März 1991 – OVG 4 S 5/91).

Diese Beispiele sollen nur zur groben Orientierung dienen, da es für die Anerkennung einer außergewöhnlichen Härte stets auf die individuellen Umstände des Einzelfalles ankommt. Die Aufzählung ist selbstverständlich auch nicht abschließend. Sollten Sie in Betracht ziehen, einen Antrag auf Anerkennung eines Härtefalles zu stellen, bieten wir Ihnen gerne eine telefonische Beratung vorab durch die zuständigen Mitarbeitenden der Referendarabteilung an.

§ 6 Abs. 2 JKapVVO verlangt im Übrigen, dass der Antrag auf bevorzugte Einstellung als „Härtefall“ spätestens zwei Monate vor dem Einstellungstermin geltend gemacht und – vor allem! – nachgewiesen sein muss. Gehen Nachweise also z.B. erst sechs Wochen vor dem Einstellungstermin ein, kann auch bei Anerkennung eines Härtefalles d. Antragsteller/in erst zum darauf folgenden Einstellungstermin berücksichtigt werden. Auswärtige Bewerber, die einen Härtefall geltend machen, können nur dann bevorzugt aufgenommen werden, wenn es für den Wohnortwechsel einen zwingenden Grund gab oder gibt. In einer Vielzahl von Oberlandesgerichtsbezirken müssen Bewerber derzeit mit keiner Wartezeit rechnen.