Führung durch das Rathaus Schöneberg

Kiezspaziergang mit Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler vom 16.02.2013

Sehr geehrte Damen und Herren!
Liebe Bürgerinnen und Bürger!

Herzlich willkommen zu unserem zweiten Kiezspaziergang.

In Zukunft werde auch ich, für Bürgerinnen und Bürger, monatlich Kiezspaziergänge organisieren. Ich freue mich gemeinsam mit Ihnen den Bezirk Tempelhof-Schöneberg zu erkunden.
Das Besondere an unserem heutigen Kiezspaziergang ist, dass ich Ihnen das Rathaus Schöneberg vorstelle.

Entstehung des Rathauses

Zum Anfang möchte ich Ihnen einiges zur Entstehung des Rathauses erzählen:

Die erste urkundliche Erwähnung des Dorfes Schöneberg erfolgte am 03. November 1264. Schöneberg ist heute ein Bezirk in der Innenstadt Berlins, das war nicht immer so, denn bis zum Jahre 1920 lag Schöneberg vor den Toren Berlins. Nach der Reichsgründung 1871 und der Eröffnung des Bahnhofs Schöneberg nahm das Dorf Schöneberg eine rapide Entwicklung. Insbesondere die Bevölkerungszahl stieg an.

Bereits um die Jahrhundertwende (1900) reichte das alte Rathaus nicht mehr aus. Die Stadt Schöneberg wächst und braucht deshalb ein neues Rathaus. Nach der feierlichen Grundsteinlegung am 26. Mai 1911 wurden die ersten Räume Anfang 1914 bezogen. Eine offizielle Einweihung entfiel, da der erste Weltkrieg inzwischen ausgebrochen war. Im Jahre 1920 wurde die Stadt Schöneberg Teil der neuen Einheitsgemeinde Groß Berlin und bildete fortan zusammen mit Friedenau den 11. Bezirk. Mit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ab 1933 wurde die demokratische Selbstverwaltung zerschlagen.

Der zweite Weltkrieg hinterließ Spuren, Schöneberg wurde stark zerstört. Auch das Rathaus Schöneberg war in einem trostlosen Zustand. Von der Zerstörung betroffen waren insbesondere der Turm und der BVV-Saal. In den Jahren 1945-1955 wurde das Rathaus Schöneberg wieder aufgebaut.

Die politische Spaltung Berlins im November 1948 führte zu der Überlegung, dass sich der Bürgersaal (heute: Willy-Brandt-Saal) des Schöneberger Rathauses gut für die zukünftigen Sitzungen des Parlaments eignen würde. Im Januar 1949 fand die erste Sitzung der Stadtverordnetenversammlung (heute Abgeordnetenhaus) im Schöneberger Rathaus statt. Für über 40 Jahre, bis zum Fall der Mauer, hatte der Senat und das Abgeordnetenhaus zusätzlich und sozusagen als „Untermieter“ des Bezirks hier seinen Sitz. Damit war das Schöneberger Rathaus politischer Mittelpunkt der geteilten Stadt Berlin. Immer wieder versammelte sich hier die Berliner Bevölkerung:

  • am 12.05.1949 nach Aufhebung der Berliner Blockade
  • am 24.10.1950 bei der Übergabe der Freiheitsglocke
  • am 16. und 19.08.1961 zum Protest gegen den Bau der Mauer
  • am 26.06.1963 hielt der amerikanische Präsident John F. Kennedy seine unvergessliche Rede „Ich bin ein Berliner“. Nach seiner Ermordung im November 1963 wurde der Platz vor dem Rathaus Schöneberg in John-F.-Kennedy-Platz umbenannt (vorher hieß er Rudolph-Wilde-Platz nach dem ersten Bürgermeister der Stadt Schöneberg)

Am 09. November 1989 fiel die Berliner Mauer, Berlin war nicht länger geteilt. Nach der deutschen Wiedervereinigung ziehen der Regierende Bürgermeister und die Senatskanzlei 1991 ins Rote Rathaus und das Abgeordnetenhaus zog 1993 aus. Seit dem gehört das Schöneberger Rathaus wieder dem Bezirk.

Architektur des Rathauses

Zur Architektur möchte ich nicht allzu viel erzählen, denn dies würde den Rahmen der heutigen Führung sprengen. Dennoch möchte ich 1bis 2 Sätze zur Architektur erzählen: Das Rathaus Schöneberg hat eine Frontbreite von 93 Metern die mit schlesischem Sandstein verkleidet ist. Die Grundfläche beträgt rund 10.000 qm. Das Rathaus Schöneberg ist eine Vierflügelanlage, neben fünf offenen Lichthöfen dient ein sechster, glasüberdachter als Galerie.
Insgesamt hat das Rathaus ca. 500 Räume.
Der Fassadenschmuck und die vier Turmfiguren sind Werke der Friedenauer Bildhauer Johannes Hinrichsen und Ludwig Isenbeck.

Vorhalle

In der Vorhalle hängen rechts und links große Gedenktafeln. Die Tafeln sind ein Denkmal für die gefallenen Bezirksbediensteten. Mit diesen Tafeln werden die Bezirksbediensteten des Bezirks Schöneberg geehrt, die im ersten Weltkrieg ihr Leben gaben. Sowohl der Beruf als auch die Dienstgerade der 110 Personen sind im Rathaus Schöneberg aufgeführt.

Ausstellung „Wir waren Nachbarn“

Unter anderem befindet sich im Rathaus Schöneberg seit 2005 die Ausstellung „Wir waren Nachbarn“ – Biografien jüdischer Zeitzeugen.
Diese Ausstellungsinstallation in der Art eines Lesesaals einer historischen Bibliothek wurde seit 2005 im Rathaus Schöneberg jährlich für drei Monate gezeigt. Seit 2010 ist sie eine Dauerausstellung. Im Jahr 2012 dokumentierten 145 biografische Alben mit persönlichen Fotos, Dokumenten und Berichten die Lebens- und Leidensgeschichte von jüdischen Bürgern aus Schöneberg und Tempelhof. Jährliche Erweiterungen sind geplant.
Die Ausstellung „Wir waren Nachbarn“ hat ihren ursprünglichen Sitz im hinteren Teil des Rathauses, in der Ausstellungshalle mit dem historischen Glasdach. Aufgrund einer Restauration hat die Ausstellung in modifizierter Form vorübergehend einen neuen Ort gefunden und zog in die ehemaligen Räumen der Willy-Brandt-Stiftung.

Eingangshalle (Foyer)

Ich möchte nun etwas zu unserer beeindruckenden Eingangshalle erzählen: Insgesamt ist die Eingangshalle 63 Meter lang. Das erste Stockwerk und die Galerie werden von zehn Pfeilern getragen, die mit rotbraunen Keramikplatten verkleidet sind. Die Verkleidung setzt sich an den Türumrahmungen und an den Fensterumrahmungen fort. Die ursprüngliche Verglasung der Eingangshalle wurde im zweiten Weltkrieg zerstört.

Die acht Buntglasfenster die 1953 nach den Entwürfen von Hermann Kirchberger gefertigt wurden, zeigen abstrakte Motive der (alten) Stadt Berlin und der umliegenden Landschaft. Über alle Fenster verteilen sich, räumlich zugeordnet, die Wappen der Bezirke und Ortsteile. Besonders hinweisen möchte ich Sie auf einzelne Sehenswürdigkeiten die sich über die Fenster verteilen (Großer Stern, Brandenburger Tor, Rotes Rathaus etc.).

Gemälde „alte Dorfkirche“

Auf dem Gemälde wurde die älteste Kirche vom Bezirk Tempelhof-Schöneberg dargestellt: die alte Dorfkirche an der Hauptstraße ist die älteste Kirche und das älteste Haus in unserem Bezirk, sie steht somit unter Denkmalschutz.
Schon im Jahre 1264, als der Name Schöneberg zum ersten Mal in einer amtlichen Urkunde erwähnt wird, stand die Dorfkirche an dieser Stelle.

Gemälde „Das alte Amtshaus“

Auf diesem Gemälde wird „Das alte Amtshaus“ im ländlichen Stil dargestellt. Das Amtshaus wurde 1874 mit angeschlossenem Gefängnis errichtet. Bald bemerkte man, dass die Räumlichkeiten des Amtshaus nicht mehr ausreichen. In den Jahren 1891 und 1892 wurde das Amtshaus durch einen größeren Neubau ersetzt, dazu wurde ein Teil der benachbarten Dorfschule abgerissen.
Die Einwohnerzahl in Schöneberg stieg in den folgenden Jahrzehnten rapide an. Im Jahr 1898 erhielt Schöneberg das Stadtrecht, die Einwohnerzahl lag in jenem Jahr schon bei über 70.000.

Das benötigte Personal der Stadtverwaltung konnte bald nicht mehr im Amtshaus untergebracht werden und Erweiterungsflächen am Kaiser-Wilhelm-Platz standen nicht im ausreichendem Maße zur Verfügung.
Deshalb kaufte man das Grundstück an dem das neue Rathaus errichtet werden sollte. „Das alte Amtshaus“ wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Eine Gedenktafel an dem später dort errichteten Neubau erinnert bis heute an seinen ehemaligen Standort. Über zwei breite Treppen gelangt man in den ersten Stock, wo sich von 1949 bis 1991 die Diensträume des Regierenden Bürgermeisters und bis 1993 der Präsidenten des Abgeordnetenhauses befanden. Heute befinden sich hier mein Arbeitszimmer und andere Räumlichkeiten, zu denen ich später etwas erzählen werde.

Büro der Bezirksbürgermeisterin

Mein Arbeitszimmer gleicht in der Gestaltung und im Mobiliar im Wesentlichen noch dem Zustand von 1914. Der erste Schöneberger Bürgermeister, der hier residierte, war Alexander Dominicus. Er war von 1911 bis 1921 Bürgermeister der Stadt Schöneberg.

Dies ist „sein“ Schreibtisch und dort hängt ein Foto von ihm. Seit 1949 führten alle Regierenden Bürgermeister von hier aus die Amtsgeschäfte , z.B:
  • Ernst Reuter – Bild an der Wand
  • Willy Brandt
  • Richard von Weizsäcker
  • Eberhard Diepgen

Seit 1991 residiert der Regierende Bürgermeister im Roten Rathaus – dieses Zimmer „gehört“ wieder dem Bezirksbürgermeister / der Bezirksbürgermeisterin.

An dem Fenster soll John F. Kennedy am 26.06.1963 gestanden haben, als ihm der Dolmetscher die richtige Aussprache der Worte „Ich bin ein Berliner“ beigebracht hat.

Im Nachbarraum war zu Zeiten des „Kalten Krieges“ ein Telefonapparat installiert, der eine direkte Verbindung zum RIAS Berlin hatte. So hätte der Regierende Bürgermeister jederzeit unmittelbar eine Ansprache an die Berlinerinnen und Berliner richten können.

Goldener Saal

Im Goldenen Saal tagte ursprünglich der Magistrat der Stadt Schöneberg: ein Oberbürgermeister, ein Bürgermeister, sieben besoldete und zwölf unbesoldete Stadträte.

Nach Bildung der Einheitsgemeinde Groß Berlin im Jahre 1920 wurde der Saal Sitzungssaal des Bezirksamtes von Berlin-Schöneberg. Nach dem Krieg tagten hier der Berliner Senat und der Hauptausschuss und des Abgeordnetenhauses. Der „Goldene Saal“ war ursprünglich mit einer reich gegliederten und vergoldeten Stuckkassettendecke ausgestattet, daher auch der Name „Goldener Saal“.

Im Zuge der Rathausrenovierungen der Jahre 1981-1989 wurde der Goldene Saal 1987 restauriert und – soweit möglich war – originalgetreu wiederhergestellt. Die Deckenbemalung und die beiden 3 × 10 Meter großen Wandgemälde führte der Berliner Maler Matthias Koeppel aus. Die Wandgemälde zeigen die geteilte und mauerumschlossene Stadt Berlin vor der Wiedervereinigung. Heute wird der „Goldene Saal“ für Veranstaltungen des Rathauses genutzt aber es werden auch Trauungen in dem „Goldenen Saal“ vorgenommen.

Bedeutung des Gemäldes (links):
„Senatsmannschaft vor dem Gropiusbau 1987“

  • Im Mittelpunkt ist der Martin Gropius Bau zu sehen
  • dahinter das Gebäude des ehemaligen Preußischen Landtages, in dem nach dem ersten Weltkrieg die kommunistische Partei Deutschlands gegründet wurde und in dem heute das Abgeordnetenhaus von Berlin tagt, daneben das ehemalige Göringsche Luftfahrtministerium aus der Nazizeit (heute steht hier das Bundesministerium für Finanzen)
  • dazwischen die Mauer
  • auf der leeren Fläche standen ehemals die Kunstgewerbeschule und das von Schinkel gestaltete Prinz-Albrecht-Palais, dort waren die Gestapo bzw. SS (Schutzstaffel) untergebracht
  • ganz rechts eine Aussichtsplattform „in den Osten“
  • die Gruppe Menschen: der zu diesem Zeitpunkt amtierende Berliner Senat, unter dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen
  • im Blick liegt das Ausgrabungsgelände unter dem Prinz-Albrecht-Palais, dessen Ruine nach Kriegsende beseitigt wurde. Im Boden zeichnen sich ehemalige Folter- und Gefängniskeller ab

gegenüber ist der Havelstrand dargestellt (rechts):

  • links der Potsdamer Pfingstberg
  • am anderen Ufer liegen die Heilandskirche in Sakrow
  • ein stadteinwärts fahrendes Passagierschiff
  • ein Patrouillenboot der DDR, Freizeitgerümpel
  • in der Mitte ein Schild „Ende des amerikanischen Sektors“

John-F.-Kennedy-Saal

Der Saal wird deshalb John F. Kennedy-Saal genannt, weil Bilder in dem Saal hängen, die an den Besuch im Rathaus Schöneberg und die berühmte „Ich bin ein Berliner“ Rede erinnern.

Entgegen der üblichen Auffassung hat er nicht vom Balkon gesprochen, sondern von einem extra aufgebauten Podest unterhalb des Balkons.

Die Berliner Rede „Ich bin ein Berliner“ des ehemaligen US-amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy im Juni 1963 markierte den Höhepunkt der Beziehungen zwischen den USA und Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg.

Die Rede zählt wegen ihrer geschickten Inszenierung und der Rhetorik zu den großen Reden in der politischen Weltgeschichte.

Sie ist in ihrem Erfolg aber nur verstehbar, wenn man sie vor dem Hintergrund der besonderen Bedeutung West-Berlins im Kalten Krieg betrachtet.

In einer politisch äußerst schwierigen Zeit, nämlich kurz nach der Kubakrise im Oktober 1962 (Konfrontation zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion, die sich aus der Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen auf Kuba entwickelte) besuchte der amerikanische Präsident den freien Teil Berlins und machte damit nachhaltig die Solidarität mit West-Berlin deutlich.

Die Berlinerinnen und Berliner, die vor allem nach dem Mauerbau 1961 verunsichert waren und die die Blockade 1948/1949 noch gut in Erinnerung hatten, honorierten diese weltweit beachtete Geste mit einem herzlichen und überschwänglichen Empfang.

Verwaltungsbücherei

Wir befinden uns jetzt in der Verwaltungsbücherei. Die Verwaltungsbücherei beeindruckt durch die Holzpaneele an den Wänden, der Galerie und den Pfeilern. Der Raum wurde nach dem zweiten Weltkrieg in mehreren Etappen umfänglich restauriert. Das Mobiliar stammt zum Teil noch aus der Entstehungszeit des Rathauses.
Die Verwaltungsbücherei steht unter Denkmalschutz. Die Verwaltungsbücherei bildete in den 1960er- als auch den 1990er-Jahren die Kulisse in verschiedenen Edgar-Wallace-Filmen. Heute wird die Verwaltungsbücherei nicht mehr als solche genutzt. Hier finden heute Veranstaltungen, Sitzungen aber auch Dreharbeiten statt.

Brandenburghalle

Die Brandenburghalle erhält durch übergroße Fenster viel Tageslicht. Die Wandelhalle vor den drei Sälen wurde damals zur Brandenburghalle gestaltet. Um der Brandenburghalle einheitlichen Prunk zu geben, beauftragte der Magistrat der damaligen Stadt Schöneberg im August 1913 eine Reihe von Künstlern aus der Schule des Berliner Landschaftsmalers Eugen Bracht (der von reichen Schönebergern bezahlt wurde) damit, den oberhalb der Türen verlaufenden Schmuckfries mit dreißig landschaftlichen und städtischen Motiven aus Brandenburg auszumalen.

Die Brandenburghalle ist 63 Meter lang und 8 Meter breit, sie hat eine Fläche von insgesamt 507 qm. Der Boden, heute mit einem Teppich abgedeckt, besteht aus Solnhofer Platten mit einer geometrischen Bänderung aus grauem Marmor. Dieses Material wurde übrigens auch für die Böden der Eingangshalle und des Willy-Brandt-Saals verwendet. Hier wurden unter anderem Festessen veranstaltet wie beim Kennedy Besuch und dem Besuch von Elisabeth II.

Heute wird sie für Empfänge der Bezirksbürgermeisterin, Unternehmer/innen und Vereinen genutzt, z.B. Neujahrsempfang, kleinere Empfänge nach Konzerten etc.

Leuchttafel als Orientierung für die Parlamentarier

An der Wand ist eine Leuchttafel zu sehen.

Die Leuchttafel war dazu da, den Abgeordneten, die in der Brandenburghalle standen, ein Zeichen zu geben, wenn eine Abstimmung erfolgte oder eine Rede gehalten wurde.

Willy-Brandt-Saal (Bürgersaal)

Zum Anfang möchte ich Ihnen kurz von Willy Brandt erzählen:
Willy Brandt ist am 18. Dezember 1913 in Lübeck geboren. Folglich wird dieses Jahr dem 100. Geburtstag gedacht. Er war von 1957 bis 1966 Regierender Bürgermeister von Berlin, von 1966 bis 1969 Bundesaußenminister und Stellvertreter des Bundeskanzlers sowie von 1969 bis 1974 vierter Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Von 1964 bis 1987 war Willy Brandt Vorsitzender der SPD.

Zur seiner Amtszeit als Regierender Bürgermeister hatte er seinen Sitz im Rathaus Schöneberg. (In dem Büro in dem ich meinen Arbeitsplatz habe).

Nach Ende des 2. Weltkrieges legte die sowjetische Besatzungsmacht in Schöneberg – wie in übrigen Berliner Bezirken auch – größten Wert auf eine schnelle Wiederbelebung der Kultur. In aller Eile wurde der ehemalige Bürgersaal (heute: Willy-Brandt-Saal) damals für kulturelle Veranstaltungen wieder nutzbar gemacht. Am 13. Mai 1945 fand hier die erste öffentliche Musikveranstaltung nach Beendigung des Krieges in Berlin, ein Konzert des Berliner Kammerorchesters, statt.

Der 34 mal 14,4 Meter große Saal war im ursprünglichen Zustand von einem bis in die Dachkonstruktion reichenden Tonnengewölbe überdeckt, die durch Stuckkassetten gegliedert war. Die Wände waren mit einem türhohen Paneel versehen.
Der Saal ist nach dem zweiten Weltkrieg entsprechend seiner neuen Nutzung als Plenarsaal des Abgeordnetenhauses mehrmals umgebaut worden, so dass wenig Ursprüngliches übrig blieb.

Berlin als geteilte Stadt

Entsprechend den Vereinbarungen der alliierten Siegermächte des 2. Weltkrieges auf der Konferenz in London 1944 wurde Berlin in vier Sektoren eingeteilt. Jede Siegermacht hatte in „ihrem“ Sektor die absolute Befehlsgewalt. Angelegenheiten, die Berlin als Ganzes betrafen, wurden in der „Alliierten Kommandantur“ geregelt. Schöneberg gehörte zum amerikanischen Sektor.
Viele von Ihnen können sich noch an die Schilder in der Nähe der Berliner Mauer erinnern:
„Achtung! Sie verlassen den amerikanischen Sektor“

Der amerikanische Stadtkommandant hatte im Rathaus Schöneberg ein Büro. Der „Viermächte-Status“ der Stadt brachte für den West-Teil mehrere Besonderheiten mit sich:

  • Bundesgesetze galten nicht automatisch in Berlin und mussten erst durch ein Überleitungsgesetz in (West) Berlin in Kraft gesetzt werden (und waren dann hier Landesrecht).
  • Die (West-) Berliner Bürgerinnen und Bürger konnten nicht an der Wahl zum Deutschen Bundestag teilnehmen.
  • (West-) Berliner Männer mussten nicht zur Bundeswehr.

1950 wurde der Willy Brandt Saal (ehem. Bürgersaal) zum Sitzungssaal der Berliner Stadtverordnetenversammlung (später Abgeordnetenhaus). Hinter dem Podium (Präsident, Beisitzer, Stenographen, Senat, Regierender Bürgermeister) hing die Berliner Fahne, schwarz-rot-gold eingerahmt.

Jede Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin wurde vom Präsidenten bzw. der Präsidentin mit den Worten eingeleitet:
„Ich eröffne…und bekunde unseren unbeugsamen Willen, dass die Mauer fallen und das Deutschland mit seiner Hauptstadt Berlin in Frieden und Freiheit wiedervereinigt werden muss.“

Weiterer Umbau erfolgte nach Auszug des Abgeordnetenhauses in schlichter Form und hat ein großes Podium und entsprechende Bestuhlung.
Heute wird der Saal für Veranstaltungen wie zum Beispiel Feste, Bälle, Theater oder auch für Konzerte genutzt.

Willy-Brandt-Saal – Namensgebung

Nachdem der Saal nicht mehr der Plenarsaal des Abgeordnetenhauses war und zum multifunktionalen Raum umgebaut war, sollte er einen Namen erhalten. Die SPD-Fraktion der Schöneberger BVV schlug den Namen „Marlene-Dietrich-Saal“ vor. (Marlene Dietrich ist in Schöneberg aufgewachsen und in Schöneberg begraben).
Dieser Vorschlag stieß bei der Schöneberger CDU auf Ablehnung. Sie schlug daher den Namen „Willy-Brandt-Saal“ vor.

BVV-Saal (Sitzungssaal der Bezirksverordnetenversammlung)

Der holzverkleidete Sitzungssaal der Bezirksverordnetenversammlung von Berlin-Schöneberg ist einer der schönsten Sitzungssäle, den ein Bezirksparlament vorweisen kann.

Zu Zeiten der Schöneberger Stadtverordneten hing hinter dem Präsidiumstisch ein Gemälde Kaiser Wilhelms II.

Aktuell hängen jeweils recht und links die Wappen der ehemaligen getrennten Bezirke Tempelhof und Schöneberg. In der Mitte hängt das Wappen des fusionierten Bezirks Tempelhof-Schöneberg.

Der BVV-Saal und die gestohlenen Bilder

An den Seitenwänden hängen zehn Porträts von Schöneberger Gemeindevorstehern und Bürgermeistern der Vorkriegszeit.

  • Gemeindevorsteher Theodor Bergemann (1826-1849)

    Gemeindevorsteher Theodor Bergemann (1826-1849)

  • Gemeindevorsteher August Willmann (1849-1850)

    Gemeindevorsteher August Willmann (1849-1850)

  • Gemeindevorsteher Ferdinand Heyl (1850-1857)

    Gemeindevorsteher Ferdinand Heyl (1850-1857)

  • Gemeindevorsteher Gottlieb Mette (1857-1867)

    Gemeindevorsteher Gottlieb Mette (1857-1867)

  •  Gemeindevorsteher Carl Willmann (1867-1874)

    Gemeindevorsteher Carl Willmann (1867-1874)

  •  Gemeindevorsteher Adolf Feurig (1874-1890)

    Gemeindevorsteher Adolf Feurig (1874-1890)

  • Gemeindevorsteher Paul Schmock (1890-1898)

    Gemeindevorsteher Paul Schmock (1890-1898)

  • Oberbürgermeister Rudolph Wilde (1898-1910)

    Oberbürgermeister Rudolph Wilde (1898-1910)

  • Oberbürgermeister Adolph Dominicus (1911-1921)

    Oberbürgermeister Adolph Dominicus (1911-1921)

  • Bürgermeister Emil Berndt (1921-1933)

    Bürgermeister Emil Berndt (1921-1933)

Ende November 2006 wurden diese Bilder gestohlen.
Rund zwei Wochen später entdeckte ein Mitarbeiter des Bezirksamtes die Bilder in schwarze Folie eingeschlagen an einem Hinterausgang des Rathauses. Ein Bild fehlte jedoch noch, dies bemerkte man erst im Nachhinein. Es zeigte den Beigeordneten Bürgermeister Paul Blankenstein.

Von der Polizei wurde eine Prämie von 300 Euro für die Wiederbeschaffung dieses Bildes gesetzt. Durch Zufall fand ein Nachfahre des auf dem Bild Dargestellten das Gemälde im Internet. Es war im Rahmen einer Auktion versteigert worden. Das Bezirksamt wandte sich an den Käufer mit der Bitte um Rückgabe des Bildes. Der Käufer allerdings hat das Bild anlässlich einer Hochzeit verschenkt, ist aber guter Dinge, es zurückerhalten zu können. Er hat die Absicht, das Bild dem Bezirksamt zurückzugeben.

Die erste Sitzung der Stadtverordnetenversammlung im neuen Saal

1914 fand die erste Sitzung der Stadtverordnetenversammlung im neuen Saal statt. Der damalige Vorsteher Dr. Franz Graf von Matuschka verbannte die Pressevertreter auf die Tribüne dort oben. Die Presse empfand dies als Beleidigung. Die Berliner Morgenpost schrieb von „skandalösen“ Zuständen und berichtete für ein Jahr nicht über die Stadtverordnetenversammlung.

Aufgabe und Funktionen der Bezirksverordnetenversammlung

Nun möchte ich Ihnen noch Wissenswertes über die BVV erzählen:
Die BVV besteht aus 55 Mitgliedern, die zur gleichen Zeit und für die gleiche Wahlperiode wie das Abgeordnetenhaus von den Wahlberechtigten des Bezirks gewählt werden. Zurzeit gilt bei der Wahl zur BVV eine 3 %-Klausel (Artikel 70 der Verfassung von Berlin). Die Verfassungsmäßigkeit dieser Klausel wird derzeit vom Verfassungsgerichtshof geprüft. Die Tierschutzpartei, die in Tempelhof-Schöneberg bei der letzen Wahl 1,8 % erreichte, hat die Wahl angefochten. Mit einem Urteil wird Anfang Mai 2013 gerechnet.

Berlin ist Land und Kommune zugleich. Die zweistufige Verwaltung Berlins gliedert sich in Senat (Hauptverwaltung) und 12 Bezirke (Bezirksverwaltung). Die Bezirksverwaltung umfasst das Bezirksamt und die Bezirksverordnetenversammlung. Das oberste Organ des Bezirks ist die Bezirksverordnetenversammlung (BVV).

Die BVV, die sich aus fraktionsgebunden und fraktionslosen Bezirksverordneten zusammensetzt, wird erstmals nach einer Wahl einberufen, um sich zu gründen. Sie wählt aus ihrer Mitte die/den Bezirksverordnetenvorsteher/in und ihre/n bzw. seine/n Stellvertreter/in sowie die Schriftführer/innen. Diese bilden gemeinsam den Vorstand.

Was sind nun die Aufgaben der BVV?

Erste Aufgabe nach ihrer Gründung ist es, den/die Bezirksbürgermeister/in und die Bezirksstadträte/-rätinnen – also das Bezirksamt – zu wählen.
Auch wenn die BVV ein Organ der bezirklichen Verwaltung ist, ist sie nicht an Weisungen des Bezirksamtes gebunden. Sie ist vielmehr ein selbstständiges Verwaltungsorgan und kontrolliert die Führung der Geschäfte durch das Bezirksamt. Sie regt aber auch Verwaltungshandeln an, in dem sie über Beschlüsse das Bezirksamt ersucht, etwas zu tun oder zu unterlassen und kann jederzeit vom Bezirksamt Auskünfte verlangen.

Für ihre Arbeit bedient sie sich in der Regel der von ihr eingesetzten Ausschüsse. Die Ausschüsse haben aber kein selbstständiges Entscheidungsrecht, sondern nur Beratungs- und Kontrollfunktion. Die BVV kann Vorlagen und Anträge, die sie beschließen soll, an die Fachausschüsse zur eingehenden Beratung überweisen. Nach der Beratung werden diese dann mit einer Beschlussempfehlung wieder in die BVV zur Abstimmung eingebracht.

Als Hauptaufgabe bestimmt die BVV die Grundlinien der Verwaltungspolitik des Bezirks im Rahmen der Rechtsvorschriften und der vom Senat erlassenen Verwaltungsvorschriften. Sie entscheidet unter anderem über den Bezirkshaushaltsplan, die Verwendung von Sondermittel, die Genehmigung der Bezirkshaushaltsrechnung sowie über Rechtsverordnungen zur Festsetzung von Bebauungsplänen, Landschaftsplänen und naturschutzrechtlichen Veränderungsverboten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.
Im rund 300 Plätze umfassenden BVV-Saal findet pro Monat eine Sitzung statt.

Freiheitsglocke

Da der Glockenturm wegen der winterlichen Witterungen bis auf weiteres geschlossen bleiben muss, ist eine Besichtigung der Glocke derzeit leider nicht möglich.

Die Idee zur Freiheitsglocke reifte in den USA im Mai 1949, als in New York das Nationalkomitee für ein freies Europa gegründet wurde. Im Sommer 1950 war der Beschluss gefasst worden, im Turm des Schöneberger Rathauses in Berlin eine Freiheitsglocke aufzuhängen.

Einer Initiative von Lucius D. Clay, folgend, hatte der amerikanische Industriezeichner Walter D. Teague eine Nachbildung der legendären „Liberty Bell“ in Philadelphia entworfen.

Bedeutung der Liberty Bell:

Liberty Bell (englisch für Freiheitsglocke) ist der Name der Glocke, die geläutet wurde, als die Amerikanische Unabhängigkeitserklärung in Philadelphia am 8. Juli 1776 zum ersten Mal auf dem Independence Square (Unabhängigkeitsplatz) in der Öffentlichkeit verlesen wurde.

Die Glocke wurde bei der Firma Gillert und Johnston in Croyden (England) gegossen.

Die Freiheitsglocke reiste auf einem spektakulären „Kreuzzug für die Freiheit“ auf einem Spezialfahrzeug durch 26 Städte durch mehrere Bundesstaaten der USA.

Dabei spendeten über 16 Millionen Amerikaner für den Guss der Glocke und unterzeichneten den Freiheitsschwur. Die Unterschriftenlisten, verpackt in Orginalpaketen werden seitdem in einer speziellen Dokumentenkammer im Turm des Rathauses Schöneberg aufbewahrt.

Am 21. Oktober 1950 traf die Freiheitsglocke vor dem Rathaus ein und wurde anschließend außen am Turm hoch gezogen.

Am 24. Oktober 1950 versammelten sich 500.000 Berliner vor dem Rathaus Schöneberg und in den umliegenden Straßen. In Anwesenheit des Bundeskanzlers Konrad Adenauer, des Hohen Kommissars der USA in Deutschland, John J. McCloy und des Generals Clay erklang die Freiheitsglocke zum ersten Mal. Seit diesem Tag läutet sie jeden Tag um 12 Uhr mittags für zwei Minuten, am Heiligen Abend und in der Silvesternacht.

Die Glocke ist mit der Inschrift versehen:

“That this world under God shall have a new birth of freedom”
(“Möge diese Welt mit Gottes Hilfe eine Wiedergeburt der Freiheit erleben”)

In den Jahrzehnten der Teilung Berlins hatte die Freiheitsglocke eine hohe Symbolkraft für den Westteil der Stadt.
Ihr Klang wurde bis zum Tag der deutschen Einheit täglich vom RIAS übertragen. Das Glockengeläut mit Freiheitsschwur wird heute noch jeweils am Sonntag um 12 Uhr im „Deutschlandradio Kultur“ übertragen.

Eine am Hauptportal des Rathauses angebrachte bronzene Gedenktafel erinnert an die Geschichte und Bestimmung der Freiheitsglocke.

Theodor-Heuss-Saal (Früher: Alt-Schöneberger-Saal)

Zum Anfang möchte ich Ihnen kurz von Theodor Heuss erzählen:

Theodor Heuss ist am 31. Januar 1884 in Brackenheim geboren. Am 12. September 1949 wurde er zum Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Als erster Bundespräsident hatte er die außenpolitische Aufgabe, dass schlechte Ansehen Deutschlands in der Weltöffentlichkeit zu verbessern. Als Mitglied des Parlamentarischen Rats hatte er großen Anteil an der Formulierung des Grundgesetzes. Eine Besonderheit war es, dass Theodor Heuss eine Vorliebe dafür hatte, seine Reden selbst zu schreiben.

Seine zweite Amtszeit als Bundespräsident tritt er am 17. Juli 1954 an. Für Deutschland erschien er bald als idealer Bundespräsident, so dass man 1959 eine Grundgesetzänderung erwog, um ihm eine dritte Amtszeit zu ermöglichen. Diesen Plan lehnte Theodor Heuss aber schließlich ab.

Theodor Heuss war vor dem Krieg unter anderem auch Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung von Schöneberg. Darin besteht die besondere Beziehung zum Rathaus Schöneberg.
Theodor Heuss starb am 12. Dezember 1963 in Stuttgart.

Der Theodor-Heuss-Saal ist mit Holzpaneelen bis in Deckenhöhe verkleidet.

Nach Einzug des Abgeordnetenhauses von Berlin in das Schöneberger Rathaus wurde der Raum für Ausschusssitzungen des Abgeordnetenhauses genutzt.

Heute wird er für Kammerkonzerte, Kabarett und Empfänge genutzt.

Verabschiedung

Zum Ende, möchte ich Ihnen den Treffpunkt für den nächsten Kiezspaziergang mitteilen, der im Rahmen des Frauenmärzes, am 16.03.2012 ab 14:00 Uhr stattfinden wird.

Treffpunkt ist der Leuthener Platz, ausgehend von diesem Treffpunkt führt die Route zu Orten, die einen Zusammenhang mit berühmten Frauen in unserem Bezirk haben, so u. a. Marlene Dietrich und Hildegard Knef.