Kommunale Entwicklungspolitik und Nachhaltigkeit

Was ist kommunale Entwicklungspolitik?

Kommunale Entwicklungspolitik ist das lokale Engagement für eine gerechte Welt für heutige und künftige Generationen (=Nachhaltigkeit), umfasst also Aktivitäten innerhalb der Kommune. Handlungsfelder der kommunalen Entwicklungspolitik sind beispielweise die Schaffung einer Kultur des Zusammenhalts, der Vielfalt und der Chancengerechtigkeit für alle Menschen in der Verwaltung sowie im Bezirk; die Förderung des Konsums fair gehandelter nachhaltiger Produkte und die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele der lokalen Agenda 2030, zum Beispiel durch Klimaschutzmaßnahmen.

Zur kommunalen Entwicklungspolitik gehören aber auch Partnerschaften mit Kommunen in Ländern des globalen Südens (mit dem Begriff globaler Süden wird eine im globalen System benachteiligte ökonomische, politische und gesellschaftliche Position beschrieben. Damit soll die Wertung, die in der Vorstellung von „entwickelten“ und „unterentwickelten“ Ländern steckt, vermieden werden). Diese dienen dem Wissensaustausch und dem gemeinsamen Feilen an Lösungen für Herausforderungen, die in beiden Kommunen angegangen werden. Ein Beispiel ist hohe Verkehrsbelastung oder das Erbringen von Dienstleistungen in schnell wachsenden Städten. Das bedeutet, in der kommunalen Entwicklungspolitik können, müssen aber keine Projekte im Ausland durchgeführt werden.

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Was hat das mit Nachhaltigkeit zu tun?

Aktuell leben und wirtschaften wir so, als hätten wir 1,7 Erden zur Verfügung. Diese Fläche wäre notwendig, um den globalen Verbrauch an Rohstoffen und Ressourcen decken zu können. Dies macht deutlich, dass die Kapazitäten der Erde überlastet sind und wir unsere Art und Weise zu konsumieren verändern müssen, damit wir die Lebensgrundlage der zukünftigen Generationen schützen.

Ursprünglich stammt das Konzept Nachhaltigkeit aus der Forstwirtschaft. Es stand für den Grundsatz, nicht mehr Bäume zu fällen, als auch nachwachsen können. Die Begriffsdefinition hat sich allerdings stetig erweitert und bezieht sich aktuell nicht mehr nur auf Bäume und auch nicht nur auf die Umwelt. Nachhaltigkeit hat heute drei Dimensionen: eine ökologische, eine soziale und eine ökonomische. Zwei Gedanken sind dabei entscheidend:

  • Wir können nicht auf Kosten der zukünftigen Generationen und der Menschen in anderen Weltregionen leben.
  • Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft beeinflussen sich immer gegenseitig und können nicht getrennt voneinander gedacht werden (s. Schaubild).
In der nachhaltigen Entwicklung steht Gerechtigkeit im Zentrum:
  • Eine gerechte Verteilung des wirtschaftlichen Reichtums, der natürlichen Ressourcen sowie Chancengerechtigkeit (zum Beispiel der Zugang zu Bildung, sauberem Trinkwasser, medizinischer Versorgung oder Arbeit unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion etc.) unter allen heute lebenden Menschen. Das bedeutet, die weltweiten Auswirkungen des eigenen Handelns zu hinterfragen.
  • Generationengerechtigkeit: die Erde für nachfolgende Generationen so zu hinterlassen, dass auch sie gut leben können. Das bedeutet, das eigene Handeln nicht nur am Heute, sondern auch am Morgen zu orientieren.
Dieses Schaubild zeigt die drei Dimensionen von Nachhaltigkeit: Menschen, Wirtschaft und Umwelt

Die drei Dimensionen von Nachhaltigkeit

Nachhaltige Entwicklung kann nur erreicht werden, wenn alle Staaten der Welt zusammenarbeiten. Globale Herausforderungen wie Klimawandel, Armut und Finanzkrisen lassen sich nicht in einzelnen Teilen der Welt alleine lösen.
Daher gilt als Motto: Global denken, lokal handeln!

Globale Zusammenhänge - das Beispiel Smartphone

Die komplexen Zusammenhänge der globalen Verflechtung unserer heutigen Welt und das Zusammenspiel der drei Dimensionen von Nachhaltigkeit versuchen wir an einem vereinfachten Beispiel zu erklären: dem Alltagsgegenstand Smartphone.

In jedem Smartphone stecken neben Glas und Kunststoff wertvolle Metalle und Erze wie Kupfer, Gold, Aluminium, Cobalt und Coltan. Diese Rohstoffe sind in Europa nicht zu finden, sondern werden unter anderem im Kongo oder Indonesien abgebaut. Einerseits werden wichtige Naturräume wie Urwälder durch Minen verdrängt und durch die giftigen Stoffe zur Herauslösung der Metalle belastet. Andererseits erfolgt die Gewinnung der Rohstoffe oft durch Kinderarbeit, unter lebensgefährlichen Bedingungen und mit Löhnen, die keine Existenzsicherung erlauben. Auch die Weiterverarbeitung der gewonnenen Rohstoffe findet, meist in Ostasien, unter unzumutbaren Arbeitsbedingungen und für niedrigste Löhne statt. Auch wenn die Endgeräte energieeffizienter werden, wird im gesamten Produktionsprozess sehr viel Energie verbraucht.

Durch die Laufzeit der Mobilfunkverträge mit kostenlosen oder sehr günstigen neuen Smartphonemodellen wechseln die Deutschen heute im Schnitt alle zwei Jahre ihr Endgerät. Diese kurze Nutzungsdauer steht zu dem Ressourcenverbrauch und dem Einsatz menschlicher Arbeitskraft in keinem guten Verhältnis. Bisher ist die Wiederverwertung nicht rentabel und giftiger Elektroschott wird wiederum in vielen Ländern des Südens unter gesundheitsschädlichen Bedingungen für Mensch und Umwelt ausgeschlachtet.

Bereits in der Produktion sollten daher die Faktoren Recycling, Ressourcenverbrauch und Gerechtigkeit in der globalen Lieferkette mitgedacht werden. Große Hersteller reagieren auf gesellschaftliche Trends – regelmäßiges Erkundigen nach den vorherrschenden Bedingungen kann daher Herstellungs- und Beschaffungsprozesse verändern. Beim Kauf sollten unbedingt faire Alternativen, die Langlebigkeit des Geräts (nicht nur die Bauteile, auch die Erweiterungsmöglichkeiten für neue Betriebssysteme, Apps, Arbeitsspeicher etc.) und vor allem der Erwerb von Gebrauchtwaren geprüft werden. Bei der Nutzung sollte auf regelmäßige Wartung, einen schonenden Umgang und fachgerechte Entsorgung geachtet werden.

In den Rathäusern des Bezirks gibt es Sammelboxen, in denen Sie Ihr Handy abgeben können. Weitere Infos im Infoflyer des Umweltladens Mitte

Diese Karte verdeutlicht die weltweite Reise eines Smartphones während der Herstellung

Die Reise des Smartphones während seiner Herstellung

Was ist die Agenda 2030 und wie betrifft das Mitte?

Was passiert auf der globalen politischen Ebene um die internationalen Zusammenhänge nachhaltiger zu gestalten? Im September 2015 wurde auf einem Gipfel der Vereinten Nationen die Agenda 2030 verabschiedet. Es handelt sich dabei um insgesamt 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung, die alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit gleichermaßen berücksichtigen. Da die globalen Herausforderungen nur gemeinsam erreicht werden können, gilt die Agenda 2030 für alle Staaten der Welt.

Weitere Informationen zur Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung gibt es unter 17ziele.de

Für die kommunale Entwicklungspolitik ist das Konzept der Nachhaltigkeit also von besonderer Bedeutung. Ziel ist es, vor Ort in den Kommunen Strukturen zu schaffen, damit die begrenzten Ressourcen gerecht verteilt und verantwortungsvoll genutzt werden. Wie wir dies genau erreichen möchten – darüber halten wir Sie auf diesen Seiten auf dem Laufenden!

Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung

Ein rassismuskritischer Blick auf Entwicklungspolitik

Kommunale Entwicklungspolitik hat das Ziel, vor Ort für globale Zusammenhänge zu sensibilisieren. Doch um diese Zusammenhänge und damit verbundene Macht- und Herrschaftsverhältnisse zu verstehen, ist es notwendig die Geschichte von Nord-Süd-Beziehungen zu kennen.

  • Weltweite Kolonisierung: Die Basis für die heutige globale Ungerechtigkeit wurde durch die weltweite Kolonialisierung fast aller Gesellschaften Afrikas, Asiens und Lateinamerikas gelegt. Dies begann im 15. Jhd. begann und endete formal im 20. Jhd. mit den afrikanischen Unabhängigkeiten. Die koloniale Expansion diente ökonomischen Interessen, man war auf der Suche nach Rohstoffen zur Ausweitung der eigenen Macht. Mit der Ausbeutung der Ressourcen gingen die gewaltsame Aneignung des Landes und die Unterdrückung der Bevölkerung einher.
  • Deutsche Kolonialgeschichte: Auch Deutschland war Kolonialmacht, auch wenn dies kaum bekannt ist. Die deutschen Kolonien – damals „Schutzgebiete“ genannt – waren zusammen insgesamt sechsmal größer als das Deutsche Reich. Erworben wurden sie Ende des 19. Jahrhunderts und nach dem Ersten Weltkrieg aufgegeben. Dazu gehörten: Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia), Deutsch-Ostafrika (Tansania, Sansibar, Ruanda, Burundi), Kamerun, Togo, Deutsch-Neuguinea (Papua-Neuguinea, Bismarck-Archipel, nördliche Salomonen, Marshallinseln, Nauru, Marianen, Karolinen und Palau), Samoa (Westsamoa), Kiautschou (Tsingtao, China).
  • Von der Zivilisierung zur Entwicklung: Um die Ausbeutung und Unterdrückung anderer Gesellschaften zu legitimieren, mussten diese als „minderwertig“ dargestellt werden. Die Zivilisierung dieser „minderwertigen“ Gesellschaften wurde als religiöse Pflicht der Europäer*innen dargestellt und mit entsprechenden „Rassentheorien“ wissenschaftlich untermauert. Dieses Denken setzte sich nach dem Ende des Kolonialismus ab den 1950er Jahren im Rahmen der „Entwicklungshilfe“ fort. Nunmehr ging es aber um die „Mondernisierung“ und „Entwicklung“ der ehemaligen Kolonialgebiete.
  • Folgen bis heute: Die Auswirkungen dieser Geschichte wirken bis heute fort. Zum einen strukturell, indem zum Beispiel ausländische Privatinvestoren oder Konzerne durch Land Grabbing große Landflächen im globalen Süden sichern, um dort Exportprodukte wie Kaffee oder Südfrüchte anzubauen. Es zeigt sich aber auch in der eingeschränkten globalen Bewegungsfreiheit von Menschen aus dem globalen Süden. Zum anderen prägt die Kolonialgeschichte bis heute alltägliche gesellschaftliche Denk- und Handlungsmuster u.a. in Form von rassistischer Diskriminierung.
  • Bezug zur Entwicklungspolitik: Auch die entwicklungspolitische Arbeit muss rassismuskritisch überprüft werden. Wegen des Entstehungskontextes, aber auch hinsichtlich der eigenen Reproduktion von Rassismen (beispielsweise in der Öffentlichkeitsarbeit oder in der Arbeit mit Partnern aus dem globalen Süden). Gleichzeitig hat die entwicklungspolitische Arbeit aber auch großes Potential diese entstandenen Strukturen aufzubrechen, indem sie über die koloniale Vergangenheit und dessen Kontinuitäten informiert und auf globale Zusammenhänge sensibilisiert.

Weitere Informationen zum Zusammenhang von Rassismus und Entwicklungspolitik:

Der Berliner Entwicklungspolitische Ratschlag e.V. (BER) informiert mit bisher vier Publikationen

Der BER hat zudem Checklisten zur Vermeidung von Rassismen in der entwicklungspolitischen Öffentlichkeitsarbeit entwickelt