Begründung zur Verordnung über die Erhaltung baulicher Anlagen und der städtebaulichen Eigenart

1. Abgrenzung des Gebietes und Entlassung aus dem Denkmalschutz

Der Geltungsbereich der Verordnung über die Erhaltung baulicher Anlagen umfasst das gesamte Gebiet der in den 20er Jahren geplanten und realisierten Siedlung. Die Siedlung ist in ihrer Ausdehnung durch den Teltowkanal (Wulfila Ufer) und die parallel verlaufende Attilastraße einerseits sowie durch die ebenfalls parallel verlaufende Chlodwigstraße und Geiserichstraße begrenzt. Die Wolframsiedlung stand bis zum 30. Juni 1999 unter Denkmalschutz. Die Löschung erfolgte in enger Absprache mit dem Stadtplanungsamt Tempelhof, um die städtebauliche Gestalt dieser Anlage auf der Grundlage des Baugesetzbuches (BauGB) erhalten zu können. Aus diesem Grund fasste das Bezirksamt von Berlin am 7. Juni 1999 für die Wolframsiedlung den Beschluss über den Erlass einer Erhaltungsverordnung nach §172 BauGB.

2. Kurzbeschreibung und räumliche Einbindung

Die Wolframsiedlung ist eine zwischen 1925 und 1930 errichtete Wohnanlage. Sie umfasst ca. 7 ha. Die Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft Tempelhof war Bauherr. Der damalige Stadtrat Fritz Bräuning sowie der Architekt E.F. Berking waren maßgeblich an der Entstehung der Siedlung beteiligt. Die Siedlung besteht überwiegend aus Einzel- und Doppelhäusern. Entlang dem Wulfila Ufer wurde eine mehrgeschossige Randbebauung errichtet. Alle Haustypen haben tiefe Gärten, die teilweise durch kleine Wege erschlossen sind.

Diese in einer offenen Bauweise errichtete Siedlung stellt eine Besonderheit in dem ansonsten durch Blockrandbebauung geprägten Ortsteil dar. Von dem damals geltenden Recht (geschlossenen Bauweise und Geschossflächenzahl – GFZ – von 1,2) wurden folglich grundstücksweise Befreiungen erteilt. Zu sämtlichen Infrastruktureinrichtungen liegt die Siedlung günstig.

3. Entstehung der Siedlung

Der Wohnungsbau der Jahre nach dem Ersten Weltkrieg zeigt, wie grundlegend sich die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse geändert hatten. Eine deutliche Abkehr von der Dichte und Enge der gründerzeitlichen Bebauung, die auf gewerblichen Spekulationen beruhte, wurde verfolgt. Das soziale Anliegen des Wohnungsbaus wurde zum sozialpolitischen Programm. Dem Funktionellen traute man formbildende Kraft zu. Materialknappheit und Kapitalmangel erforderten eine übergemeindliche, staatliche Wohnungsplanung. Es entstanden neue Bauherren-Organisationen mit gemeinnützigen Zielen. Staatlich gefördert wurden u.a. Eigenheime in Ein- und Zweifamilienhäusern mit Gartenland in zusammenhängenden Siedlungen. „Wilde Parzellierungen“ ohne Siedlungsplan sollten verhindert werden.
Viele Siedlungen der 20er Jahre stehen bezüglich der einheitlichen Gestaltung und der städtebaulichen Formulierung in unmittelbarer Folge zu den Gartenstädten aus der Vorkriegszeit. Aufgrund der Eigentumsverhältnisse (Privatisierung) können sie jedoch nicht als solche bezeichnet werden. Die Wolframsiedlung ist Produkt diese neuen Zeitgeistes. Dies spiegelt sich in der Gemeinnützigkeit des Bauherren, in der Planung einer zusammenhängenden Einfamilienhaussiedlung und in der Architektur wider. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass in diesem Zusammenhang auch staatliche Fördergelder in Anspruch genommen wurden. Auch wenn die Siedlung von weniger namhaften Architekten entwickelt wurde, stellt sie dennoch ein wichtiges Zeugnis dieser Epoche dar.

4. Beschreibung der Siedlung

Die Wolframsiedlung kann aufgrund ihres parallelen Straßenverlaufs als rechtwinklig bezeichnet werden. Die Wolframstraße (parallel zur Attilastraße und zum Wulfila Ufer) teilt das Siedlungsgebiet in zwei Blöcke. Gleichzeitig ist die Wolframstraße die zentrale Achse der Siedlung, deren Mitte platzartig (Rasenfläche mit Bäumen) erweitert ist durch das Zurückspringen der Häuserfluchten. Das Straßenraster wurde im Rahmen der Siedlungsplanung entwickelt und durch förmlich festgestellte Fluchtlinienpläne gesichert.

Die Wolframsiedlung ist in vier Bauabschnitten entstanden, wobei der erste Bauabschnitt (Attilastraße und Chlodwigstraße 2 und 3) auf die ausführende Firma G. & C. Gause, Architektur und Bauausführungen zurückzuführen ist. Für die späteren Bauabschnitte zeichnete der Architekt E.F. Berking verantwortlich. Der damalige Baustadtrat Bräuning war zu diesem Zeitpunkt zusätzlich Mitglied im Aufsichtsrat der Bauherrengesellschaft. Im Rahmen des Architektenwechsels wurde das städtebauliche Konzept leicht verändert und damit klarer gestaltet. Die ursprünglichen Haustypen (II bis VI) wurde zugunsten neuer Entwürfe von Berking aufgegeben. Hieraus ergab sich die große Haustypenvielfalt, welche die Siedlung noch heute prägt. Berking selber hatte neun Typen entworfen, um den Ansprüchen der künftigen Eigentümer nach individuellen Wohnformen weitestgehend Rechnung tragen zu können.

Siedlungskonzept:

Die Stadtgestalt der Wolframsiedlung beruht auf einem städtebaulichen Konzept, das 1925 entwickelt und 1926 weiterentwickelt wurde. Die Bebauung entlang der Attilastraße und auf den Grundstücken Chlodwigstraße 1-4 wurde auf der Grundlage des Lageplans von 1925 realisiert. Dieses städtebauliche Konzept wurde durch den Entwurf von Herrn Berking Ende 1926 überarbeitet.

Die absichtsvolle Anordnung der unterschiedlichen Gebäude, wie sie 1925 entwickelt und 1926 weiterverfolgt wurde, lässt sich gut ablesen. Am zentralen Platz (Wolframstraße) wurden Reihenhäuser errichtet, deren Mitte wiederum durch Tordurchfahrten betont ist. Hieraus ergeben sich Blickachsen auf die gegenüberliegenden Gebäude. An die Reihenhäuser schließen sich Doppelhäuser an und an den Rändern stehen Einfamilienhäuser. Diese Anordnung gilt auch für die Attilastraße, wobei das Reihenhaus mit kleiner platzartiger Aufweitung hier kein Pendant auf der gegenüberliegenden Straßenseite hat. Die mehrgeschossige Randbebauung entlang dem Wulfila Ufer nimmt ebenfalls Bezug auf die Blickachse, welche durch die hier verlaufende Fußwegeverbindung unterstützt wird. Parallel zur Platzbebauung in der Wolframsiedlung öffnet sich hier die Bebauung und die Gebäudeflucht springt zurück. An den Blockenden (Chlodwigstraße und Geiserichstraße) wurden, abhängig von der Blockbreite und damit der Anzahl der Grundstücke, Einzel- bzw. Doppelhäuser errichtet. Ausnahmen bilden das Ladengebäude Wolframstraße 65 sowie das Bäckerhaus Wolframstraße 43.

Entlang dem Wulfila Ufer stehen zwei- bis dreigeschossige Mehrfamilienhäuser. Die ganze Siedlung ist in offener Bauweise errichtet worden. Alle Häuser bzw. Wohnungen verfügen über einen Garten, bzw. Gartenanteil.
Kleine Fußwegeverbindungen (allgemein als Dungwege bekannt), die heute jedoch nicht mehr vollständig erhalten sind, verbinden die Attilastraße mit dem Wulfila Ufer. Diese Wegeverbindung ermöglicht den Bewohnern der Reihenhäuser einen direkten Zugang von der Straße in die Gärten. Straßen und Wege verlaufen weitestgehend geradlinig, so dass die Siedlung als rechtwinklig bezeichnet werden kann. Es überwiegen reine Wohnhäuser, wobei das Reihenhaus an der Attilastraße (Nr. 144 und 145) über zwei Ladeneinheiten verfügte. Das Haus Wolframstraße 65 Ecke Chlodwigstraße 5 wurde als Ladenhaus errichtet. Auf dem Grundstück Wolframstraße 43 entstand eine Bäckerei mit Verkaufsraum. Somit befanden sich an zentralen Stellen Einkaufsmöglichkeiten. Die Ladeneinheiten (Attilastraße 144 und 145) wurden im Rahmen von Wiederaufbaumaßnahmen nach dem Krieg in Wohnräume umgewandelt, das Bäckereigebäude dient nunmehr als Wohn- und Bürohaus. Die Ladeneinheiten eines Neubaus auf dem Grundstück Wolframstraße 65 werden gewerblich genutzt.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das städtebauliche Konzept der Wolframsiedlung mit Ausnahme der Grundstücke Geiserichstraße 9 (Wiederaufbau eines Einfamilienhauses an anderer Stelle ) und Chlodwigstraße 4 (nach Abriss der kriegszerstörten Bebauung ist das Grundstück unbebaut) vollständig erhalten ist. Die Siedlung stellt in ihrer Umgebung ein eigenständiges Gebilde dar. Beim Betreten der Wolframsiedlung kann man die Idylle, das Heimelige und das Menschliche , das mit der Siedlung vermittelt werden soll noch gut erleben. Die Siedlung hat ein lebendig geformtes Ortsbild und einen charaktervollen Straßenzug. Sie ähnelt einer Kleinstadt.

Die Siedlung wurde im Stil des Traditionalismus errichtet. Die typischen Merkmale dieses Baustils findet man bei der Siedlung wieder: zentraler Siedlungsmittelpunkt (Wolframstraße) , axiale Platzsituation, hierarchische, repräsentative Gestaltung, geradlinige Straßenführung, ein- bis zweigeschossige Einfamilienhäuser, Zeilen von Geschosswohnungsbau bis zu drei Vollgeschossen am Siedlungsrand, Gärten bzw. Gartenanteile.

Haustypen:

Im Rahmen des ersten Entwurfs aus dem Jahre 1925 wurden fünf Haustypen (II-VI) entwickelt, aus denen die ganze Siedlung bestehen sollte. Es gab Einzel-, Doppel- und Reihenhäuser. Die Haustypen stellen Varianten des Grundtyps dar. Wesentliche Gestaltungselemente sind: eingeschossige Bauweise mit steilem, hohem ausgebauten Satteldach, teilweise große Giebelgauben, Biberschwanzdeckung, Putzfassade, Gesimsbänder, Natursteinsockel, Sprossenfenster, Erdgeschossfenster mit Fensterläden, einheitliche Grundstückseinfriedung. Ansonsten wurden mit einer Liebe zum Detail folgende Gestaltungselemente verwendet:
Gauben unterschiedlicher Größe und Form, Giebelfenster unterschiedlicher Größe und Form, teilweise Fensterläden im Dachgeschoss, teilweise Anbauten, Erdgeschossfenster insbesondere unterschiedlicher Größe, teilweise Balkone und Freisitze, teilweise leichte Gebäudevorsprünge, unterschiedliche Eingangsbereiche, teilweise Erker, teilweise Klinker- oder Holzverkleidungen, teilweise Fußwalm. Diese fünf Haustypen wurden auf 23 Grundstücken entlang der Attilastraße und teilweise entlang der Chlodwigstraße errichtet.

E.F. Berking selber hat 9 Typen sowie das Ladenhaus entworfen. Folglich ergibt sich insbesondere aus dem Architektenwechsel diese außergewöhnlich hohe Haustypenvielfalt in der Wolframsiedlung. Hinzu kommen noch zwei Sonderfälle: Das Bäckereihaus (Wolframstraße 43) sowie ein Einfamilienhaus, das von seinem Eigentümer selbst entworfen wurde (Wolframstraße 23).
E.F. Berking hat die Formsprache des ersten Bauabschnittes (Haustypen II-VI) übernommen, jedoch Gestaltungselemente aufwändiger und vielfältiger eingesetzt.
Die Haustypen A-D des Architekten Berking nehmen Bezug auf die oben beschriebenen Haustypen II-VI. Folglich findet man überwiegend die gleichen Gestaltungselemente:
Eingeschossige Bauweise mit steilem, hohem ausgebauten Satteldach, stehende Gauben mit überwiegend Dreiecksaufsatz, Biberschwanzdeckung, glatte Putzfassade, Gesimsbänder, Klinkersockel, Sprossenfenster, Erdgeschossfenster mit Fensterläden, einheitliche Grundstückseinfriedungen (jedoch andere als bei den Typen II-VI).
Ansonsten verwendete auch Berking mit einer Liebe zum Detail folgende Gestaltungselemente: Gauben unterschiedlicher Form und Größe, Giebelfenster unterschiedlicher Größe und Form, teilweise Fensterläden im Dachgeschoss, teilweise Anbauten, teilweise Balkone, teilweise geschlossene Veranda (Wintergarten) und Erker, unterschiedliche Eingangsbereiche, Erdgeschossfenster insbesondere unterschiedlicher Größe, teilweise Blendfenster und Fassadenschmuck, teilweise Erker, teilweise künstlerisch und aufwändig gestaltete Klinker- oder Holzverkleidungen, teilweise Fußwalm.
Der Haustyp H lehnt sich an die anderen Typen an, abweichende Elemente sind insbesondere stark dominierende Dreiecksgiebel und ein Natursteinsockel.
Die Sechshausgruppe an der Wolframstraße (Nr.30-35 und 52-57) sowie die Häuser am Wulfila Ufer (nr.46-56 Typ F,G und K) wurden zweigeschossig, teilweise dreigeschossig errichtet. Bei den Dächern handelt es sich um Walmdächer. Putzfassade, Klinkersockel mit Profilierung, Gesimsbänder, Sprossenfenster mit Fensterläden, teilweise Loggien sind hier Gestaltungselemente. Dächer wurden nicht oder nur teilweise ausgebaut. Entsprechend findet man weniger und kleinere Gauben. Die Eingangsbereiche sowie die Tordurchgänge bei der Sechshausgruppe sind jedoch besonders betont. Insgesamt sind diese Häusertypen zurückhaltender gestaltet als die Einzel- und Doppelhäuser.

Im 1. Bauabschnitt wurden nur senkrecht gegliederte Fensterläden und wahrscheinlich nur weiße Fenster verwendet. In den anderen Bauabschnitten wurde nur waagerecht gegliederte Fensterläden und wahrscheinlich zweifarbig gestrichene Fenster verwendet.

Das für die Siedlung entwickelte Farbkonzept und die Verwendung unterschiedlicher Putzstrukturen wurden bewusst als Gestaltungselement eingesetzt.

Mit Ausnahme der Sechshausgruppe und der Mehrfamilienhäuser am Wulfila Ufer (Rasenkantensteine) findet man bei den Projekten des 2. -4. Bauabschnittes überall die gleiche Einfriedung.

Drei Sondertypen findet man zusätzlich in der Siedlung:
Das ehemalige Ladenhaus, welches aufgrund von Kriegsschäden abgerissen wurde. Heute befindet sich hier ein Neubau aus den 50er Jahren. Das ehemalige Bäckereihaus, welches ebenfalls aufgrund von Kriegseinwirkungen (z.B. zerstörtes Dach), aber auch aufgrund von Erweiterungen und Nutzungsänderungen stark überformt wurde.
Bei dem Wohnhaus Wolframstraße 8 handelt es sich um ein eingeschossiges Wohnhaus. Es wurde als Pendant zu Wolframstraße 64 (Typ D) errichtet. Geschossigkeit und Dachform entsprechen diesem Haustyp. Man erkennt jedoch die Handschrift eines anderen Architekten, der seinen eigenen Ansprüchen Rechnung trug.

Zusammenfassend lässt sich feststellen:
Bei den Siedlungshäusern erkennt man die Liebe zum Detail, die sich insbesondere in den handwerklichen Arbeiten ausdrückt. Die typischen Merkmale des Traditionalismus findet man bei der Wolframsiedlung wieder:
aufwändige Dachkonstruktionen mit Dachaufbauten, axiale Gliederung, Bodenständigkeit durch Sockel, Biberschwanzdeckung, Fensterläden, typische Materialien (Holz, Klinker, Naturstein, Putz) sowie ein für die Siedlung entwickeltes Farbkonzept.

5. Bauliche Veränderungen seit Entstehung der Siedlung

Der 2. Weltkrieg hat deutliche Spuren in der Wolframsiedlung hinterlassen. Trotz hoher Schadensbilanz konnte fast die ganze historische Substanz erhalten werden. Abhängig von den Eigentümerinteressen fanden Instandsetzungs- und Wiederaufbaumaßnahmen weitestgehend entsprechend dem ursprünglichen Gebäuden statt bzw. wurden als Gelegenheit für gewünschte Umbaumaßnahmen genutzt.
Kriegszerstörte Gebäuden wurde auf folgenden Grundstücken abgetragen: Chlodwigstraße 4 (seitdem unbebaut), Geiserichstraße 9 ( Neubau siedlungsuntypischer Baukörperstellung, Kubatur und Gestaltung) und Wolframstraße 65 (Neubau mit siedlungsuntypischer Proportion und Gestaltung).
Neben den gravierenden baulichen Veränderungen aufgrund von Kriegszerstörungen fanden in den darauffolgenden Jahren eine Vielzahl weiterer Veränderungen statt. Diese Maßnahmen betreffen das ganze Gebäude.

Die baulichen Veränderungen werden im weiteren zusammenfassend beurteilt:
Die Stadtgestalt der Siedlung, d.h. der Grundriss und die räumliche Struktur sowie die Baustruktur und die entsprechenden Freiräume sind weitestgehend erhalten. Beeinträchtigt wird die Stadtgestalt durch die Baulücke auf dem Grundstück Chlodwigstraße 4, durch den Neubau auf dem Grundstück Geiserichstraße 9, welcher nicht an historischer Stelle errichtet wurde sowie durch den Verlust der ursprünglichen Wegeverbindung und Blickbeziehung von der Attilastraße zum Wulfila Ufer.

Straßenführung, platzartige Aufweitung der Wolframstraße, die Grundstückszuschnitte (bis auf geringfügige Ausnahmen), Raumhierarchien, Bau- und Freiflächenstrukturen sind bei der Wolframsiedlung erhalten. Die Symmetrie der Stadtgestalt, welche durch die spiegelgleiche Anordnung von Einzel-, Doppel- und Reihenhäusern geprägt ist, ist unverändert.
Die besondere Stadtgestalt der Siedlung ist auf der Karte sowie vor Ort gut wahrnehmbar.

Das Orts- und Straßenbild der Wolframsiedlung ist jedoch durch bauliche Veränderungen teilweise beeinträchtigt worden. Unter Ortsbild ist die bauliche Ansicht eines Ortes (im Sinne von bebauter Ortsteil) bei seiner Betrachtung sowohl von innen als auch von außen zu verstehen. Das Straßenbild ergibt sich insbesondere aus der Führung der Straße selbst und durch die sie begrenzenden Grundstücke mit ihren baulichen Anlagen.

Die ersten Anbauten und baulichen Veränderungen, die noch während der Entstehung der Siedlung errichtet wurden, ordnen sich dem Hauptgebäude unter und stellen keine Beeinträchtigung des Ortsbildes dar. Auch zu späteren Zeitpunkten wurde das Gebäude verändert, ohne dass sich dies negativ auf das Gebäude bzw. die Siedlung ausgewirkt hat.

Die Wiederaufbaumaßnahmen und Neubauten nach dem 2 Weltkrieg haben zu den ersten negativen und gleichzeitig gravierendsten Veränderungen der Wolframsiedlung geführt. Teilweise wurde jedoch Kriegsschäden nur zum Anlass für bauliche Veränderungen genommen. Folglich hätten sie vermieden werden können, im Gegensatz zu Veränderungen aufgrund von Sachzwängen, wie Geld- und Materialmangel.

Soweit die Proportionen und die Kubatur verändert bzw. nicht vollständig wiederhergestellt wurden, stellen diese Gebäude Fremdkörper in der ansonsten noch homogenen Siedlung dar. Entsprechendes gilt für bauliche Veränderungen zu einem späteren Zeitpunkt aufgrund individueller Änderungswünsche des Eigentümers.

Der ursprüngliche Haustyp ist bei einem Großteil der Häuser noch erkennbar; Ca. ein Fünftel der Häuser sind noch „fast original“ erhalten. Ansonsten überwiegen deutlich die Häuser, die geringfügig bis teilweise deutlich verändert wurden.
Als stark überformter Haustyp ist ca. ein Fünftel der Häuser zu bezeichnen.

Die Häuser, die fast noch original erhalten sind, stellen das Rückgrat der Siedlung dar. Sie konzentrieren sich insbesondere in der Wolframstraße, der zentralen Siedlungsstraße. Hier wurden auch die wertvollsten und am künstlerischsten gestalteten Häuser errichtet. Aber auch die Häuser entlang dem Wulfila Ufer sind wenig verändert worden. Entlang der Attilastraße befinden sich Häuser aller vier Kategorien, dagegen konzentrieren sich die stark veränderten Häuser in der Geiserich- und der Chlodwigstraße.

Durch geringe Änderungen (z.B. andere Dachziegelfarbe, Fenster mit Kämpfer und Pfosten sowie Ergänzung von Fensterläden, Rekonstruktion der Einfriedung) könnten einzelne Häuser entsprechend ihrem ursprünglichen Erscheinungsbild rekonstruiert werden. Die baulichen und sonstigen Veränderungen sind folglich nicht alle nachhaltig.

Durch die baulichen und farblichen Veränderungen hat die Siedlung bezüglich ihres symmetrischen Erscheinungsbildes deutlich verloren. Dies fällt besonders bei der Sechshausgruppe und den Doppelhäusern sowie bei gegenüberliegenden Gebäudepaaren auf. Mir den vorliegenden Ergebnissen einer Farbuntersuchung könnte die farbliche Siedlungssymmetrie wiederhergestellt werden. Stadtgestalt sowie Ortsbild und Straßenbild sind überwiegend gut erhalten. Der typische Siedlungscharakter einer Siedlung der 20er Jahre ist auch für Betrachter wahrnehmbar, die für Fragen der Ortsbildgestaltung weniger aufgeschlossen sind.

6. Planungsrecht

Nach dem als Bebauungsplan übergeleiteten Baunutzungsplan von 1960 (in Verbindung mit den planungsrechtlichen Regelungen der Berliner Bauordnung von 1958) liegt der Bereich der Wolframsiedlung im allgemeinen Wohngebiet der Baustufe II/2. Hiernach sind in der offenen Bauweise 2 Vollgeschosse zulässig, die bebaubare Fläche beträgt 20% des Grundstückes, die zulässige Geschossflächenzahl liegt bei 0,4. In der offenen Bauweise beträgt die Bebauungstiefe 20m ab der straßenseitigen Baufluchtlinie. Die maximale Gebäudelänge beträgt 50m. In Verbindung mit dem förmlich festgestellten Fluchtlinienplan vom 9.August 1926 (teilweise geändert durch den förmlich festgestellten Fluchtlinienplan von 21. Juli 1932) liegt die Siedlung damit in einem qualifizierten Bebauungsplan gemäß §30 Baugesetzbuch.
Die tatsächliche Ausnutzung liegt deutlich unter den planungsrechtlich zulässigen Maßen. Hieraus ergibt sich neben einer Gefährdung der historischen Substanz durch Abriss auch eine Gefahr des Verlustes der erhaltenswerten Siedlungsgestalt durch An-, Umbauten und Aufstockungen.

7. Erhaltungsziele und Schutzumfang

Die Wolframsiedlung soll als Erhaltungsgebiet auf der Grundlage des §172 Abs.1 Nr.1 BauGB festgelegt werden. Die zu erhaltende städtebauliche Gestalt, welche die Eigenart der Siedlung ausmacht, wird im Einzelnen bestimmt durch die Elemente Ortsbild und Stadtgestalt.

Die Besonderheit der Stadtgestalt der Wolframsiedlung ergibt sich insbesondere aus

  • einer geschlossenen Siedlung mit heterogenem Stadtgefüge
  • der Lage einer Einfamilienhaussiedlung (mit entsprechendem Grundstückszuschnitt) in einem innerstädtischen Gebiet, welches zum Zeitpunkt der Entstehung der Siedlung mit einer dreigeschossigen Blockrandbebauung bebaut werden sollte
  • der für das Siedlungskonzept neu entwickelten Straßenführung (u.a. Betonung einer zentralen Straße)
  • der Wegeverbindung (mit Blickbeziehung) zwischen Attilastraße und Wulfila Ufer -der platzartigen Aufweitung der Wolframstraße (mit Rasenfläche und Bäumen)
  • der Parzellierung der Siedlung in ähnlich große Grundstücke
  • der Zuordnung eines (Mieter-) Gartens zu jeder Wohneinheit
  • einer Wohnsiedlung mit Ladenlokalen an zentralen Stellen.

Die Besonderheit des Ortsbildes der Wolframsiedlung ergibt sich insbesondere aus

  • dem symmetrischen Siedlungskonzept (trotz Architektenwechsels) mit folgenden Symmetrieachsen:
  • Wolframstraße , Wegeverbindung zwischen Attilastraße und Wulfila Ufer, rückwärtige Grenzen der Grundstücke zwischen Attilastraße und Wolframstraße
  • der Gebäudehierarchie (Reihenhäusern an zentralen Stellen, daran anschließend Doppel- und Reihenhäuser)
  • dem Entwurf ähnlicher Haustypen (damit Einheitlichkeit und gleiche Gestaltungsmerkmale
  • einer eingeschossigen Bauweise, entlang der Wolframstraße teilweise zweigeschossigen, entlang dem Wulfila Ufer zwei- bis dreigeschossig
  • Errichtung der Gebäude in einer Bauflucht und Hervorheben von Gebäuden durch Zurückspringen der Bauflucht
  • gärtnerisch gestaltete Vorgartenzonen und seitliche Grenzabständen, Rasenflächen im Vorgartenbereich der Mehrfamilienhäuser am Wulfila Ufer
  • zwei unterschiedlichen Einfriedungstypen
  • dem Traditionalistischen Baustil
  • typischen Formen des Traditionalismus : axiale Gebäudegliederung, Giebel- und Walmdächer mit aufwändigen Dachaufbauten, bewusstes Betonen von Eingangsbereichen (z.B. Klinkereinfassung, Sandsteineinfassung) und Hausecken (Erker, geschlossene Veranda, Giebelstufen), Vorstellung vom Bau als einem auf der Erde ruhenden festgefügten blockhaften Gebäude (Klinker- bzw. Natursteinsockel), Kenntlichmachung des handwerklich-bodenständigen (Fachwerk, künstlerische Holzverkleidungen, Gestaltung der Eingangstüren, Klinkerprofilierungen), Holzsprossenfenster, Fensterläden
  • typische Materialien und Farben des Traditionalismus: Putz, Klinker, Naturstein, Holz, Biberschwanzziegel, Erdfarben wie Gelb/Ocker, Rot, (Grau).

Aufgrund von Kriegseinwirkungen und individuellen Änderungswünschen hat sich das Erscheinungsbild der Wolframsiedlung verändert. Dennoch hat die Siedlung ihre besondere städtebauliche Art bewahrt und diese wird auch von einem für Fragen der Ortsbildgestaltung nicht aufgeschlossenen Betrachter wahrgenommen. Bauliche Anlagen, die als stark überformt bezeichnet werden können (ursprünglicher Haustyp nicht mehr erkennbar), stellen eine Minderheit dar. –Verschiedene Gebäude sind nicht nachhaltig verändert und können durch wenige Maßnahmen dem ursprünglichen Erscheinungsbild leicht angeglichen werden. Im Vergleich zu anderen Siedlungen der 20er Jahre, deren Grundstücke in privater Hand sind, ist die Wolframsiedlung als gut erhalten zu bezeichnen.

Die Besonderheit der Siedlung in Bezug auf ihre städtebauliche Eigenart wurde somit festgestellt. Der Erlass einer Rechtsverordnung auf der Grundlage des § 172 BauGB ist folglich begründet.

8. Rechtsgrundlagen

§ 172 Abs.1 Satz 1 Nr.1 des Baugesetzbuches (BauGB) in der Fassung vom 27.Ausgust 1997 (BGBl. I S. 2141, 1998 I S. 137) in Verbindung mit §30 des Gesetzes zur Ausführung des Baugesetzbuches (AGBauGB) in der Fassung vom 7.November 1999 (GVBl. S. 578).

9. Haushaltsmäßige Auswirkungen

Einnahmen entstehen nach der Baugebührenordnung für Genehmigungen nach §173 Abs.1 BauGB. Das Entstehen von Ansprüchen auf Übernahme von Grundstücken nach §173 Abs.2 BauGB soll abgewendet werden, soweit dies rechtlich zulässig ist.