Seit 30 Jahren bietet die Berliner Feuerwehr Unterstützung bei der Brandschutzerziehung von Kindern und Jugendlichen an. Wir sprachen mit Brandoberamtsrat Peter Seidel, Einsatzsteuerung der Informations- und Kommunikationstechnik bei der Berliner Feuerwehr und Fachbereichsleiter der Brandschutzerziehung beim Landesfeuerwehrverband Berlin, über Schwerpunkte, Ziele und Ablauf der Angebote.
Herr Seidel, was genau soll im Rahmen der Brandschutzerziehung vermittelt werden?
Die Berliner Feuerwehr verfolgt im Wesentlichen vier Ziele bei der Brandschutzerziehung. In erster Linie soll durch die Aufklärungsarbeit eine Reduzierung von Bränden und Unfällen erreicht werden. Gleichzeitig geht es aber auch darum, das Vertrauen gegenüber Hilfskräften zu steigern, Ängste abzubauen und Kinder durch das Vermitteln von Wissen und Fähigkeiten nach dem Prinzip Hilfe zur Selbsthilfe zu stärken.
Wir besprechen mit ihnen, was für Brandgefahren es im Haushalt gibt, wie sie einen Brand erkennen bzw. wahrnehmen können und wie sie sich im Brandfall korrekt verhalten. Dazu gehört auch, zu verstehen, wie ein Notruf abgesetzt wird. Durch das Schaffen dieser sogenannten Notfallkompetenzen tragen wir zu einer gestärkten Resilienz der Kinder bei.
Dabei ist es durchaus wichtig zu erwähnen, dass für die Berliner Feuerwehr kein gesetzlicher Auftrag besteht, Brandschutzaufklärung für die Bevölkerung durchzuführen. Die Arbeit erfolgt größtenteils durch Kolleginnen und Kollegen aus Beruf und Ehrenamt, die dies aus Überzeugung und zusätzlich zu ihrer eigentlichen Tätigkeit tun.
An welche Altersstufen richten sich die Angebote der Berliner Feuerwehr?
Das Konzept der Brandschutzerziehung ist in vier Stufen aufgebaut und geht vom Vorschulalter bis hin zum jungen Erwachsenenalter.
Im Kindergarten und in der 1. Klasse möchten wir vor allem Vertrauen schaffen und den Kindern vermitteln, wie sie sich in einem Notfall richtig verhalten. Das Ziel ist, ihnen bewusst zu machen, wie sie durch ihr Handeln sich selbst und andere schützen können. Kindern ab der 4. Klasse wollen wir dann auch schon ein gewisses Maß an Eigenverantwortung vermitteln. Neun- bis Zwölfjährige experimentieren gern, was auch das Zündeln miteinschließt. Wir nutzen diese Neugier für die gemeinsamen Ziele der Prävention und die richtige Reaktion im Krisenfall. Wir schulen aber auch ihre Beobachtungsgabe, damit sie in einem Notfall einen für die Rettungskräfte verwertbaren Notruf absetzen können.
In den Klassen 7 bis 9, je nach Bildungsplan der weiterführenden Schulen, wollen Schülerinnen und Schüler verstehen, wie und warum etwas funktioniert. Wir möchten daher in dieser Altersgruppe ein Verständnis schaffen, welche Konsequenzen Handeln oder auch Nicht-Handeln hat. Den dann schon jungen Erwachsenen der 10. Klasse und Oberstufe wird im Rahmen weiterer Veranstaltungen vermittelt, welche Wege und Möglichkeiten es gibt, ehrenamtlich oder beruflich bei der Feuerwehr eine Verpflichtung gegenüber der Bevölkerung einzugehen und als Teil der kritischen Infrastruktur für die Sicherheit seiner Mitmenschen einzutreten.
Wie genau kann man sich die Angebote zur Brandschutzerziehung vorstellen? Gibt es Unterrichtsbesuche, unterstützendes Lernmaterial?
In unserem Konzept ist ein mehrstufiger Ablauf definiert. Alles beginnt mit der Kontaktaufnahme der pädagogischen Fachkraft, entweder dezentral über bekannte Personen bei der Feuerwehr oder zentral über eine Kontaktmail (ServiceBrandschutzaufklaerung@berliner-feuerwehr.de ) an das Team der Brandschutzerziehung des Landesfeuerwehrverbandes (LFV) Berlin. Anschließend wird ein Beratungsgespräch zwischen der pädagogischen Fachkraft und der oder dem Brandschutzerziehenden der Feuerwehr vereinbart. Dort werden bereits unterstützende Lernmaterialien des LFV Berlin, der Berliner Feuerwehr und gegebenenfalls anderer Institutionen analog und digital angeboten, die bei der Vorbereitung des Unterrichtsbesuches helfen können.
Durch die pädagogische Fachkraft findet dann die Vorbereitung der teilnehmenden Schüler/-innen (inkl. Elternarbeit) auf den Besuch eines Brandschutzerziehenden statt.
Der Besuch des Brandschutzerziehenden selbst dient dann der Vertiefung der vorbereiteten Themen. Hierbei können diverse Themen behandelt werden, die wir in Pflicht- und Wahlbausteine aufgeteilt haben. Zu den Pflichtbausteinen zählen u.a. Aufgaben der Feuerwehr, Brandgefahren, Branderkennung sowie Verhalten im Brandfall, der Notruf 112, aber auch die Vorstellung der Feuerwehr-Schutzkleidung. Wahlbausteine beinhalten beispielsweise die Vermittlung spezifischerer Informationen zur Berliner Feuerwehr und unserer technischen Ausstattung, Einblicke in die Feuerwehrfahrzeuge sowie Brandversuche oder eine praktische Räumungsübung. An einem separaten Termin findet dann noch ein Besuch in einer Feuerwache statt.
Gibt es aus Ihrer Erfahrung heraus häufige Fehlannahmen oder –Verhaltensweisen bei Kindern, die Sie im Rahmen der Brandschutzerziehung gezielt aufgreifen?
Im Beratungsgespräch wird gezielt auf individuelle Anmerkungen und Wünsche der pädagogischen Fachkräfte eingegangen und beim Besuch des oder der Brandschutzerziehenden berücksichtigt. Sowohl die übergeordneten Ziele der Brandschutzerziehung als auch die beschriebenen Pflichtbausteine sind auf Grundlage der dabei gesammelten Erfahrungen definiert worden. Was wir feststellen, ist, dass es vielen Kindern und mittlerweile auch Erwachsenen an der sogenannten Feuerkompetenz fehlt, sie also nicht sicher mit Feuer umgehen können. Sie zeigen nicht nur Unsicherheiten beim Verhalten im Brandfall, sondern haben auch Ängste selbst mit Feuer umzugehen, also beispielsweise eine Kerze mit einem Streichholz anzuzünden. Vor diesem Hintergrund haben der Landesfeuerwehrverband Berlin und die Berliner Feuerwehr Experimentierkoffer angeschafft, die von pädagogischen Fachkräften ausgeliehen werden können, um selbst oder – wenn zeitliche Kapazitäten bei den Brandschutzerziehenden
vorhanden sind – gemeinsam Experimente durchzuführen. Außerdem wurden 112 Notruf-Übungstelefone beschafft, um mit den Kindern den Notruf praktisch durchzuführen und Unsicherheiten in diesem Zusammenhang gezielt anzugehen.
Was können Eltern tun, um das Wissen ihrer Kinder in Sachen Brandschutz zusätzlich zu stärken?
Als Nachbereitung der Brandschutzerziehung geben wir den Kindern einen Elternbrief mit, den diese gemeinsam lesen sollen. In diesem fassen wir die vermittelten Inhalte zusammen und geben Tipps bzw. kleine Aufgabenstellungen für Zuhause mit. Hier sollen Eltern mit Ihren Kindern beispielsweise Rauchmelder und den schnellsten Fluchtweg suchen. Außerdem können sie gemeinsam noch einmal besprechen, warum es wichtig ist, zuerst sich selbst in Sicherheit zu bringen und anschließend einen Notruf abzusetzen oder auch was im Notfall mitgenommen und was wiederum zurückgelassen werden sollte.