Die Kunstsammlung des Bezirkes Pankow darf sich vermutlich als die kleinste und jüngste öffentliche Sammlung in Berlin bezeichnen, auch wenn sie inzwischen über mehr als 4.000 Arbeiten – vor allem auf Papier – von etwa 650 Künstlern verfügt und außerdem den 4.000 Blätter umfassenden künstlerischen Nachlass des Berliner Zeichners Egmont Schaefer (1908–2004) bewahrt und erforscht.
Nach der Öffnung der Mauer wurde sie 1993 vom Kulturamt Prenzlauer Berg mit dem Ziel gegründet, im Moment des großen sozialen und kulturellen Wandels und der beginnenden Gentrifizierung die über Jahrzehnte aus den verschiedensten Anlässen erworbenen Kunstwerke zu sichern und so einen Beitrag zum historischen Gedächtnis der Stadt auf dem Gebiet der Bildenden Kunst zu leisten. Aus heutiger Sicht ist ihr mehr als das gelungen.
Seit der Fusion der Berliner Bezirke im Jahr 2001 firmiert sie unter dem Namen des neuen Großbezirkes als Kunstsammlung Pankow und hat die zu diesem Zeitpunkt noch vorhandenen Kunstwerke aus Alt-Pankow und Weißensee aufgenommen. Das Wort »noch« signalisiert, dass zwischen 1989 und 2001 eine erhebliche Anzahl wichtiger Werke verlorengegangen ist, weil es keine Prenzlauer Berg vergleichbare Initiative zu ihrer Sicherung gab. 2006 wurde ein erstes Resümee gezogen, und mit der Ausstellung und Publikation »Wochenmarkt und Knochengeld« wurden Künstler und ihre Werke aus dem Sammlungsbesitz das erste Mal öffentlich vorgestellt.
Seitdem sind zahlreiche Neuzugänge zu verzeichnen. Nur ein verschwindend kleiner Teil konnte allerdings angekauft werden. Noch immer aber werden Arbeiten bei der Aufgabe von Räumen oder der Auflösung von Einrichtungen wiedergefunden. So konnten bei der Räumung des Kellers der Stadtbezirksbibliothek Prenzlauer Berg im Jahr 2013 beispielsweise frühe Werke von Brigitte Handschick (1939–1994), Hans-Otto Schmidt, Dieter Goltzsche oder Claus Weidensdorfer gesichert werden. Sie werden nun in dieser Ausstellung zu sehen sein. In diesem Konvolut fanden sich aber auch Blätter von Heinrich Burkhardt (1904–1985), in dessen Pankower Atelier in den 1960er Jahren das berühmte »Aktzeichnen in Pankow« stattfand, das die – von Lothar Lang sogenannte – »Berliner Schule« konstituierte, die vielleicht besser als Ost-Berliner Secession charakterisiert wäre.
Die Kunstsammlung Pankow ist Mitglied im Netzwerk der Graphischen Sammlungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz und arbeitet darüber hinaus seit 2012 eng mit dem Verein Berliner Kabinett zusammen. Er unterstützt sie erfolgreich bei der Erweiterung des Bestandes und vermittelte die Schenkung weiterer Blätter von Margot Sperling, Brigitte und Heinz Handschick oder auch Tuschezeichnungen des bisher nicht in der Sammlung vertretenen Bildhauers Uwe-Jens Raddatz (1957–2011).
Immer mehr Künstler, Nachlasshalter und private Sammler aus Ost und West fühlen sich zudem ermutigt, Werke in die Obhut der Kunstsammlung Pankow zu geben. Arbeiten aus den Nachlässen von Horst Hussel (1934–2017), Jochen Senger (1929–2016) und Herbert Tucholski (1896–1984) wurden ebenso zugewendet, wie Claudia Busching, Heidi Vogel, Monika Maurer-Morgenstern, Sabine Herrmann, Barbara CamillaTucholski, Veronika Wagner und andere Künstlerinnen und Künstler der Kunstsammlung Pankow eigene Arbeiten übereignet haben.
Die Auflösung der Sammlung der Senatskanzlei von Berlin im Jahr 2011, von der wir leider erst sehr spät erfahren haben, brachte das wunderbare frühe Blatt von Jochen Senger zu uns, das die »großen« Häuser, die nach »großen« Namen suchten, bei ihrer Auswahl ebenso übersehen hatten wie die Gouache von Becky Sandstede (1909–1999) oder die Zeichnung des Zwickauer Pechstein-Schülers und -Preisträgers Karl Richter (1927–1959). Alle drei sind Künstler, die im ehemaligen Westteil der Stadt gelebt und gearbeitet haben. Auch aus diesem Konvolut, zu dem weiterhin Katharina Spann, Klaus Gesche, Walter Born oder auch Ruth Helm gehören, werden wir eine Auswahl zeigen. Da wir bisher kaum über Erkenntnisse zu den Genannten verfügen, hoffen wir natürlich, durch diese Ausstellung Informationen zu erlangen.
Die aktuelle Schau mit Neuzugängen seit 2006 stellt in einer Auswahl etwa 100 Arbeiten von mehr als 50 Künstlerinnen und Künstlern vor. Sie ermöglicht Einblick in die Berliner Kunst seit den 1920er Jahren bis heute. Der aufmerksame Besucher wird in den Arbeiten von Herbert Behrens-Hangeler und Egmont Schaefer über diejenigen von Herbert Tucholski und Werner Gilles eine gemeinsame künstlerische Linie bis in die Gegenwart entdecken können.
Im 30. Jahr der »Friedlichen Revolution« erinnert diese Ausstellung nicht zuletzt daran, dass Berlin und der stetig an Einwohnern wachsende Bezirk Pankow ihre Anziehungskraft in ganz wesentlichem Maße ihren Künstlern verdanken. Mit Hölderlin vertraut sie darauf, dass Kunst auch für kommende Generationen ein aufschlussreicher und wesentlicher Erinnerungsträger ist.