Gleichstellungsrecht

Skulptur von Themis, Femida oder Gerechtigkeit Göttin auf strahlend blauem Himmel

Männer und Frauen sind gleichberechtigt – so steht es seit 1949 in Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes (GG) und – seit 1995 – in Artikel 10 Absatz 3 der Verfassung von Berlin.

Der Staat ist verfassungsrechtlich verpflichtet, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken.
Für den Bereich des öffentlichen Dienstes und die ihm gleichgestellten Einrichtungen sowie für die Beteiligungsunternehmen des Landes Berlin regelt dies das Landesgleichstellungsgesetz (LGG).

Recht prägt individuelles und soziales Verhalten.
Recht definiert gesellschaftliche Akzeptanz und Missbilligung.
Recht reagiert auf Wertewandel.
Recht eröffnet Handlungsoptionen für eine moderne Gleichstellungspolitik.

Die gleichstellungsrechtlichen Anfänge

Rechtliche Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesrepublik

Die Verankerung des Gleichheitsgebotes für Frauen und Männer in Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes der jungen Bundesrepublik Deutschland war 1949 keine Selbstverständlichkeit; sie konnte nur durch das außerordentliche Engagement einer Frau, Elisabeth Selbert, sowie durch den Druck der sich bereits damals formierenden frauenpolitischen Öffentlichkeit durchgesetzt werden.
Es brauchte sodann aber nochmals ca. ein Jahrzehnt, bis der erste Schritt in Richtung formelle Gleichstellung in Gesetzesform gegossen wurde:
1957, vor über 50 Jahren, beschloss der Deutsche Bundestag einstimmig das Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau, das erste Gleichberechtigungsgesetz. Es trat 1958 in Kraft.
Der Gesetzgeber unternahm damit – nach ca. einem Jahrzehnt – erste Schritte zur Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Sinne des Gleichberechtigungsgebotes des Artikels 3 Abs. 2 des Grundgesetzes von 1949.
Besonders im Familienrecht gab es eine Reihe von Änderungen zugunsten von Ehefrauen. So wurde im Bürgerlichen Gesetzbuch die Zugewinngemeinschaft zum gesetzlichen Güterstand. In Bezug auf die Kindererziehung wurden die Vorrechte des Vaters eingeschränkt – aber nicht beseitigt (Stichentscheid des Vaters).
Das Gesetz stärkte die Rolle der Frauen, verabschiedete sich jedoch nicht vom Leitbild der Hausfrauenehe.
Zwar durften Ehemänner jetzt nicht mehr die Arbeitsstellen ihrer Ehefrauen ohne deren Einverständnis kündigen, auch die Verwaltung und Nutznießung des Frauenvermögens lag nicht mehr bei ihnen allein. Erwerbstätig durften Frauen aber nur sein, wenn „dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie“ vereinbar war.
Das sog. Gleichberechtigungsgesetz bestätigte damit die „natürliche“ Aufgabenverteilung zwischen den Geschlechtern: Die Frau sei in erster Linie zur Haushaltsführung, der Mann dem finanziellen Unterhalt verpflichtet.
Erst die Eherechtsreform im Jahre 1976 gab das gesetzliche Leitbild der Hausfrauen- oder Versorgerehe auf.
Rudimente dieses Rollenbildes finden sich jedoch auch heute noch in zahlreichen Rechtsbereichen, so im Steuerrecht (z.B. Ehegattensplitting) oder im Sozialrecht mit seinen abgeleiteten Rechtsansprüchen (z.B. Beitragsfreie Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenkasse).
Die Gleichstellung von Frauen hängt maßgeblich von der ihnen gesellschaftspolitisch zugewiesenen Rolle ab und wurde und wird vom gesellschaftlichen – wirtschaftlichen – Bedarf geprägt.
Dies lässt auch ein Blick zurück auf das Arbeitsrecht unschwer erkennen: Bis 1955 waren sog. Lohnabschlagsklauseln für Frauen zulässig und gängig. Tarifvertraglich verankert waren noch bis in die 80er Jahre sog. Leichtlohngruppen. Und heute sind es primär die Frauen, die in sog. prekären Beschäftigungsverhältnissen tätig sind. Die Erwerbstätigkeit von Frauen war und ist auch immer vom Arbeitskräftebedarf abhängig. Frauen waren die (stille) Arbeitsmarktreserve. Dies zeigt ein Blick auf die rechtliche Entwicklung der Teilzeittätigkeit: 1969 wurde beispielsweise im Beamtenrecht die Teilzeittätigkeit und Beurlaubung aus familiären Gründen für Beamtinnen eingeführt. Hintergrund war der hohe Bedarf an Lehrpersonal.

Gleichstellungsrecht in der DDR

In der DDR ist die Entwicklung des Gleichstellungsrechts anders verlaufen. Arbeitskräftemangel und damit Karrieremöglichkeiten auch in bisher ausschließlich Männern vorbehaltenen Berufsfeldern, begleitet von einer weitgehend flächendeckenden Versorgung mit Kinderbetreuungseinrichtungen, führten zur umfassenden Integration von Frauen in das Berufsleben. Vorbild für die gesetzlichen Normierungen war die „werktätige Mutter“. Das Prinzip der Gleichberechtigung der Geschlechter in ehelichen Beziehungen wurde 1949 rechtlich verankert. Ehepaare und Eltern hatten gemeinsame Entscheidungsbefugnisse und waren in der ehelichen Gemeinschaft zum Unterhalt verpflichtet. Dies galt jedoch nicht für den Fall der Trennung oder Ehescheidung. In der Verfassung der DDR waren die Prinzipien des Rechts auf Arbeit und auf gleichen Lohn für Frauen und Männer festgeschrieben.
Erziehung und Pflege oblagen jedoch auch in der DDR überwiegend den Frauen. Das Bild der „werktätigen Mutter“ wurde durch flankierendes Recht gestützt: Freistellungsanspüche für Mütter im Arbeitsgesetzbuch, normierte Sozialleistungen ausschließlich für Mütter und auch das tradierte Namensrecht.

Gleichstellung von Frauen und Männern im europäischen Recht

Parallel zur Gleichstellung im deutschen Recht wurde 1957 im Gründungsvertrag zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (den sog. Römischen Verträgen) das Postulat der Lohngleichheit von Frauen und Männern in Artikel 119 EWG festgeschrieben. Das Prinzip der Lohngleichheit war jedoch nicht primär vom Gedanken der Chancengleichheit der Geschlechter geprägt, sondern beruhte auf Wettbewerbsgesichtspunkten. Frankreich hatte das Lohngleichheitsprinzip für Frauen und Männer in dieser Zeit bereits gesetzlich verankert und befürchtete massive Wettbewerbsnachteile.
Aber auch die gleichstellungspolitische Rechtsetzung auf europäischer Ebene führte bis Mitte der Siebziger einen Dornröschenschlaf. Erst 1975 wurde die erste sog. Lohngleichheitsrichtlinie verabschiedet, der 1976 die sog. Chancengleichheitsrichtlinie folgte, die bis ins Jahr 2002 uneingeschränkte Gültigkeit hatte.