Durch den Angriffskrieg auf die Ukraine und einen deutlichen Anstieg von Asylsuchenden hat das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) 2022 knapp 95.000 Geflüchtete erfasst und erstversorgt – mehr als jemals zuvor. Auch die Unterbringung in den LAF-Unterkünften stieg auf Rekordniveau. Die Zahlen und Fakten im Überblick.
LAF Präsidentin Carina Harms: „Das vergangene Jahr stand für uns ganz im Zeichen zweier Dynamiken: Der Flucht der Menschen aus der Ukraine und eines starken Anstiegs von Asyl-suchenden. Als Reaktion darauf mussten wir wiederholt unsere Ankunftsstrukturen ausbauen. Im März wurde im Rekordtempo in Tegel ein neues Ankunfts- und Verteilzentrum für die Geflüchteten aus der Ukraine aufgebaut. Zum Jahresende haben wir dort noch einmal im großen Stil durch Leichtbauhallen erweitert, wo nun zusätzliche Plätze für Ankommende zur Verfügung stehen. Außerdem haben wir in einem riesigen Kraftakt auch 10.000 Plätze in qualitätsgesicherten Unterkünften geschaffen. Wir haben MUF Neubauten beschleunigt in Betrieb genommen, stillgelegte Wohncontaineranlagen reaktiviert, Bestandsimmobilien in ganz Berlin geprüft und angemietet und unsere bestehenden Unterkünfte dichter belegt. Auch Platzkontingente in Hostels und Hotels haben wir genutzt, um Engpässe zu überbrücken. Zum Jahresende haben wir dann in den Hangars in Tempelhof die erste Großunterkunft in Betrieb genommen – innerhalb von 16 Tagen. 2022 war ein Kraftakt, doch Zeit zum Durchatmen gibt für uns nicht, denn in Tegel warten noch viele Geflüchtete auf einen Platz.“
Ein Drittel mehr Asylsuchende, über 1.000 Sonderaufnahmen
2022 haben im Berliner Ankunftszentrum (Reinickendorf) insgesamt 22.543 Asylsuchende vorgesprochen. Davon wurden 14.704 in Berlin aufgenommen (11.938 Erstanträge/ 2.766 Folgeanträge), die übrigen in andere Bundesländer weitergeleitet. Der reale Asylzugang in Berlin lag damit um 35 Prozent über dem Vorjahr (2021: 10.881). Die fünf häufigsten Herkunftsländer waren Georgien, Syrien, Türkei, Afghanistan und Moldau mit jeweils mehr als 1.000 Geflüchteten.
1.087 Flüchtlinge kamen über Sonderaufnahmeprogramme (ohne Asylantrag) nach Berlin.
Ankunftsgeschehen Ukraine
Im Ukraine Ankunftszentrum Tegel haben sich 2022 insgesamt 71.097 Geflüchtete aus der Ukraine gemeldet. Davon wurden 33.289 (47 Prozent) in Berlin registriert und 38.103 (53 Prozent) in andere Bundesländer weitergeleitet.
In 2022 wurden damit insgesamt 94.727 geflüchtete Menschen (Asyl und Ukraine) vom LAF registriert und erstversorgt, das sind mehr als jemals zuvor.
Zum 1. Juni 2022 ging die Leistungsgewährung für Geflüchtete aus der Ukraine von den bezirklichen Sozialämtern auf die Jobcenter über („Rechtskreiswechsel“). Das LAF übernahm in Absprache mit dem Landesamt für Einwanderung (LEA) die Aufgabe, alle Personen, die ihren Aufenthaltstitel rein online beantragt hatten, persönlich einzuladen und erkennungsdienstlich zu behandeln. In diesem Rahmen wurden insgesamt 30.592 Personen nachregistriert.
Leistungsgewährung: Ein Drittel mehr Vorsprachen
Das LAF versorgt alle Berechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz mit sozialen Leistungen. Die Anzahl der Personen im aktiven Leistungsbezug hat sich in 2022 auf 22.396 erhöht (2021: 20.974). Das Leistungszentrum des LAF in der Darwinstraße war 2022 an allen Werktagen für die Kundinnen und Kunden geöffnet. Es fanden 72.343 persönliche Vorsprachen statt (2021: 52.853), die von Sprachmittelnden und Sozialarbeitenden begleitet wurden. Dies ist ein Anstieg um rund 37 Prozent.
Unterbringung auf Rekordniveau
Zum Jahresbeginn 2023 lebten 31.100 geflüchtete Menschen in den Unterkünften des LAF (2021: 21.226), das ist ein Anstieg um rund 47 Prozent und der höchste Stand an regulären Unterkunftsplätzen seit Gründung des LAF (August 2016). Etwa die Hälfte der Bewohnerschaft hat das Asylverfahren abgeschlossen und wird in Amtshilfe für die Bezirke untergebracht.
Darüber hinaus wurden am Ankunftszentrum Tegel die Ankunftsstruktur erweitert. Hier stehen nun 3.200 zusätzliche temporäre Übernachtungsplätze in Leichtbauhallen zur Verfügung, die je zur Hälfte für Asylsuchende und Geflüchtete aus der Ukraine genutzt werden können.
Das MUF-Bauprogramm kommt voran
In 2022 wurden fünf MUF Neubauten mit Apartments mit insgesamt knapp 1.400 Plätzen fertig gestellt und in Betrieb genommen: in der Salvador-Allende Straße (Treptow-Köpenick), in der Fritz-Wildung-Str. und der Brabanter Str. (beide in Charlottenburg-Wilmersdorf), in der Zossener Straße (Marzahn-Hellersdorf) und am Grafenauer Weg (Lichtenberg). In 2023 werden vier neue MUF-Standorte mit insgesamt knapp 1.800 Plätzen fertig: am Bohnsdorfer Weg und am Hassoweg (beide Treptow-Köpenick), in der Kirchstraße (Pankow) am Askanierring (Spandau) und in der Quedlinburger Straße (Charlottenburg-Wilmersdorf). 19 weitere MUF sind in verschiedenen Stadien der Umsetzung bzw. Planung. 29 MUF sind bereits in Betrieb. Insgesamt umfasst das landesweite MUF-Programm 48 Standorte.
Tempohomes und Wohncontainerdörfer reaktiviert
Aufgrund des hohen Zugangs von Geflüchteten mussten auch in 2022 stillgelegte Container-Standorte wieder in Betrieb genommen werden. So zogen in die Unterkunft in der Groscurthstr. in Pankow und (vorübergehend) in das Tempohome am Rohrdamm in Spandau wieder Geflüchtete ein. Berlins größtes Tempohome auf dem Tempelhofer Feld wurde nach umfassenden technischen Nachrüstungen sukzessive wieder in Betrieb genommen. Insgesamt wurden durch diese Maßnahmen 1.500 Plätze geschaffen.
Bestandsgebäude zur Unterbringung akquiriert
Um in einem angespannten Wohnungsmarkt weitere qualitätsgesicherte Unterkünfte zu schaffen, hat das LAF in Zusammenarbeit mit den Bezirken und der landeseigenen Berliner Immobiliengesellschaft (BIM) zahlreiche Angebote in ganz Berlin geprüft. Im Ergebnis konnten sechs Gebäude – allesamt ehemalige Hotels – mit insgesamt 1.800 Plätzen angemietet und über vereinfachte Vergabeverfahren mit qualifizierten Betreibern ausgestattet werden. Derzeit sind zwölf weitere Objekte in Prüfung, die zur Unterbringung von Geflüchteten genutzt werden sollen.
Ehrenamtliche in Unterkünften bleiben engagiert
Trotz des großen Engagements der Zivilgesellschaft für Geflüchtete aus der Ukraine verzeichnet das LAF keinen Rückgang von ehrenamtlichen Engagement für Asylsuchende aus anderen Ländern. Laut einer freiwilligen Umfrage, an der 62 der 100 LAF-Unterkünfte teilnahmen, waren dort regelmäßig 730 Ehrenamtliche (2021: 783) tätig, im Durchschnitt rund 12 Menschen pro Unterkunft. Besonders beliebt bei den Bewohnenden waren Gartenprojekte, Fahrradwerkstätten und Hausaufgabenhilfe. Auch Sprachkurse sowie Gesprächsrunden für Männer (sog. Männercafés) wurden gut angenommen. 658 Projekte wurden in den LAF-Unterkünften durch verschiedene Träger (Vereine, Organisationen, soziale Träger) angeboten, darunter Sozialberatung, Kunst- und Nähprojekte, Jugendarbeit, Sport und Freizeitaktivitäten. Ansprechpersonen für Ehrenamtliche und Projektträger sind die vom LAF finanzierten Ehrenamts-KoordinatorInnen der Betreiber.
Bezug von eigenem Wohnraum wird schwieriger
Geflüchtete können bereits während des Asylverfahrens in eine Wohnung ziehen, wenn die Wohnverpflichtung in einer Aufnahmeeinrichtung erloschen ist bzw. aufgehoben wurde. Das LAF vermittelt Härtefälle (über Warteliste) in ein begrenztes Wohnungskontingent aus dem Programm „Wohnungen für Flüchtlinge“, das die Wohnungsbaugesellschaften zur Verfügung stellen. Auf dem freien Markt eine Wohnung zu finden, ist zunehmend schwierig. In 2022 konnten insgesamt 1.233 Personen im Leistungsbezug LAF (304 Familien und 382 Alleinstehende) aus einer Unterkunft in eine Wohnung ziehen, das sind 30 Prozent weniger als im Vorjahr (2021: 1.783 Personen).
Personal – neuer Höchststand bei wachsenden Aufgaben
2022 hat das LAF 118 Neueinstellungen vorgenommen, soviel wie nie zuvor. Gleichzeitig haben 89 Dienstkräfte das LAF verlassen. Im Ergebnis haben wir einen Zuwachs von 29 Mitarbeitenden zu verzeichnen, die Gesamtzahl liegt damit bei 605. Wegen der wachsenden Aufgaben und Im Rahmen der Ukrainekrise hat das LAF 98 zusätzliche Beschäftigungs-positionen erhalten. Um Belastungs-spitzen aufzufangen, wurde ein Rahmenvertrag mit einem Zeitarbeits-Dienstleister abgeschlossen. Diese Unterstützungskräfte werden hauptsächlich in den Bereichen Registrierung und Leistungsgewährung eingesetzt.
Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation
In 2022 hat das LAF seine Social Media Präsenz verstärkt und bespielt nun neben Twitter und Facebook auch Instagram. Im Zentrum der Social-Media Arbeit steht das Ziel der transparenten Kommunikation der aktuellen Lage im Bereich Ankommen und Unterbringung von Geflüchteten und weiteren Themenfeldern des LAF. In diesem Jahr soll der Fokus noch stärker auf die individuelle Perspektive sowohl der Geflüchteten als auch der Mitarbeitenden im LAF gelegt werden. Weitere digitale Informationsformate sind in Vorbereitung. Daneben werden bewährte Formate weitergeführt, darunter mehrsprachige Podcasts für Geflüchtete sowie regelmäßige Kommunikationsformate mit Betreibern, Bezirken, Netzwerken der Flüchtlingshilfe und anderen Akteuren.
Über das LAF
Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) ist zuständig für die Registrierung, Versorgung und Unterbringung von Asylsuchenden und die Erstversorgung von Geflüchteten in Berlin. In den Berliner Ankunftszentren, im Registrierungs- und Leistungsbereich sowie in der Unterkunftsverwaltung des LAF sind aktuell 605 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt.