Besondere Bedarfsgruppen

Besonders schutzbedürftige Geflüchtete in Unterkünften des LAF

Das Europäische Parlament hat in seiner Aufnahmerichtlinie (Art. 21 RL 2013/33/EU) festgelegt, dass Flüchtlinge mit besonderen Schutzbedürfnissen Anspruch auf zusätzliche Unterstützung haben, der während der gesamten Dauer ihres Asylverfahrens berücksichtigt werden muss. Zu dieser Gruppe gehören Minderjährige, unbegleitete Minderjährige, Behinderte, ältere Menschen, Schwangere, Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern, Opfer des Menschenhandels, Personen mit schweren körperlichen Erkrankungen, Personen mit psychischen Störungen und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben. Zudem hat das Land Berlin auch lesbische, schwule, bisexuelle sowie trans- und intergeschlechtliche Geflüchtete (LSBTI) als Gruppe mit besonderem Schutzbedarf anerkannt.

Der Leitfaden zur Identifizierung von besonders schutzbedürftigen Geflüchteten in Berlin gibt einen Überblick zum rechtlichen Rahmen, zur Ermittlung besonderer Schutzbedarfe sowie zu Beratungs- und Unterstützungsangeboten für die verschiedenen Gruppen.
Leitfaden schutzbedürftige Geflüchtete

Das LAF berücksichtigt bei diesen Gruppen eine möglichst bedarfsgerechte Unterbringung und individuelle Unterstützungsangebote.

LSBTI*Q

Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Inter* und queere Menschen (LSBTI*Q) sind weltweit von Diskriminierung und Gewalt aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und/oder ihrer Geschlechtsidentität betroffen. In vielen Ländern gelten repressive Gesetze, LSBTI*Q drohen dort Haft, Folter oder sogar die Todesstrafe. Auch im gesellschaftlichen und familiären Umfeld erleben sie vielfach Abwertung und Demütigung. Aus diesem Grund hat das Land Berlin im Jahr 2015 als erstes und bisher einziges Bundesland die besondere Schutzbedürftigkeit von LSBTI Geflüchteten anerkannt (siehe hierzu: Versorgungs- und Integrationskonzept für Asylbegehrende und Flüchtlinge vom 11. August 2015, S. 12). Dadurch können sie notwendige Ansprüche auf besondere Leistungen (z. B. eine sichere Unterkunft, medizinische und therapeutische Versorgung) geltend machen.

Das LAF betreibt in Berlin eine Schwerpunktunterkunft (AE & GU), die ausschließlich queeren Geflüchteten vorbehalten ist und ihnen bedarfsgerechte Unterstützung und Schutz bietet. In allen anderen landeseigenen Unterkünften gibt es LSBTI*Q-Beauftragte, die für das Thema sensibilisieren und als vertrauensvolle Ansprechperson vor Ort dienen. Für sie hat das LAF in Kooperation mit der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung (SenJustVA) ein Tätigkeitsprofil entwickelt. Dadurch wird sichergestellt, dass die Aufgaben und Anforderungen berlinweit einheitlich und verbindlich eingehalten werden. Darüber hinaus soll die Sicherheit von LSBTI*Q durch die Gewaltschutzkonzepte in den Unterkünften gewährleistet werden.

Ehemals unbegleitete junge Geflüchtete & junge Volljährige

Kinder und Jugendliche, die unbegleitet, das heißt, ohne ihre Angehörigen oder andere Erwachsene, in Berlin ankommen, werden von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie in einer zentralen Clearingstelle aufgenommen und erstversorgt. Danach werden sie durch die Jugendämter in stationären Einrichtungen der Jugendhilfe untergebracht. Doch mit dem Erreichen der Volljährigkeit, spätestens zum 21. Lebensjahr, verändert sich ihre Lebenssituation. Findet sich bis dahin keine Wohnung für sie und ist das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) noch für sie zuständig, werden sie in einer LAF-Unterkunft untergebracht. Oft droht bei diesem Übergang ein Bruch in ihrer bisherigen Entwicklung: Die jungen Geflüchteten verlieren die enge Betreuung und Förderung durch die Jugendhilfe und ihr gewohntes Umfeld. Aber auch junge Volljährige, die mit 18 oder 19 alleinreisend in Berlin ankommen, haben bei Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft vielfältige Herausforderungen zu meistern.

Um die jungen Volljährigen bei diesem Übergang zu unterstützen, hat das LAF für sie ein besonderes Unterbringungskonzept entwickelt. Es wird in der Pilotphase in Kooperation mit dem Jugendamt Friedrichshain-Kreuzberg derzeit in einer Unterkünft umgesetzt. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie unterstützt zudem beratend. Die jungen Volljährigen werden dabei in einem eigenen, geschützten Bereich der Unterkunft untergebracht und durch aufsuchende Jugendsozialarbeitende zusätzlich betreut. Dies wird durch die Jugendämter der teilnehmenden Bezirke nach SGB VIII finanziert und begleitet.

Kinder

Das LAF hat sich die Einhaltung der Kinderrechte auf die Fahnen geschrieben und arbeitet daran, die Unterbringung von Kindern bedarfsgerecht zu gestalten und stetig zu optimieren. Hier besteht eine besondere Verantwortung, da Kinder, auch wenn sie vielleicht nicht unmittelbar selbst von traumatischen Erlebnissen betroffen sind, mit psychisch belasteten oder gar traumatisierten Erwachsenen zusammenwohnen oder zumindest Gemeinschaftsräume teilen. Kinderschutz spielt somit in allen Unterkünften eine zentrale Rolle. Hierzu werden alle Mitarbeitenden vom mobilen Schulungsteam Kinderschutz geschult, dies wird gefördert von der Senatsverwaltung Bildung, Jugend und Familie. Zur Sicherung des Kindeswohls braucht es darüber hinaus ein gut funktionierendes Netzwerk, dies kann keine einzelne Person oder Institution gewährleisten. Wichtig sind auch ein funktionierendes Beschwerdemanagement, die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an der Gestaltung des Zusammenlebens (z.B. über Kinder – und Jugendparlamente) sowie eine unterstützende Elternarbeit. Damit diese Anforderungen umgesetzt und eingehalten werden, gibt es in allen Unterkünften des LAF eine/n Kindeswohlbeauftragte/n.

Die Unterkunftsbetreiber kümmern sich zudem darum,

  • Angebote für Kinder in kindgerechten beaufsichtigten Aufenthaltsbereichen sicherzustellen
  • die Kinder in passende Jugend-, Freizeit- und Sportangebote zu vermitteln
  • die Eltern über die Vorteile einer Kindertageseinrichtung oder Kindertagespflege zu informieren
  • die Eltern bei der Beantragung eines Kita-Gutscheins und bei der Kitaplatzsuche zu unterstützen

Frauen

Geflüchtete Frauen sind mit besonderen Problemen und Belastungen konfrontiert. Manche mussten fliehen, weil ihre Rechte im Herkunftsland verletzt wurden, sei es durch die Einschränkung ihrer persönlichen Freiheit oder durch extreme Gewalterfahrungen wie Genitalverstümmelung, Zwangsprostitution und Vergewaltigung. Auch während der Flucht werden Frauen verstärkt Opfer von Gewalt und sexuellen Übergriffen. Gemeinschaftsunterkünfte bilden danach häufig über mehrere Jahre ihren neuen Lebensmittelpunkt. Deshalb ist es wichtig, hier ein Wohnumfeld für sie schaffen, das ihnen ermöglicht – allein oder mit ihren Familien – sich sicher zu fühlen und gleichzeitig am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. In Berlin betreibt das LAF zwei Schwerpunktunterkünfte, die ausschließlich Frauen und ihren Kindern vorbehalten sind. Sie bieten ihnen besonderen Schutz und die zusätzliche Unterstützung, die sie brauchen. In allen anderen Gemeinschaftsunterkünften gibt es pro Unterkunft eine Frauenbeauftragte, die als vertrauensvolle Ansprechpartnerin vor Ort dient, zu frauenspezifischen (auch gesundheitlichen) Themen berät und sie mit anderen Stellen des Berliner Hilfenetzwerks vernetzt.

Menschen mit Behinderungen

Das LAF arbeitet daran, die Partizipation und Integration von in Unterkünften lebenden Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten. Für alle Unterkunftsneubauten werden die Vorschriften der Bauordnung für Berlin zur Barrierefreiheit beachtet. In Gemeinschaftsunterkünften mit Apartmentstruktur (Typ GU 2 und GU 3) werden ein Drittel der Wohneinheiten barrierefrei gebaut oder hergerichtet. Dazu gehören stufen- und schwellenlose Zugänge, breite Türöffnungen und ausreichende Bewegungsflächen für Aufenthaltsräume, Bäder und Küchen sowie bodengleiche Duschplätze. Für Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünfte Typ GU 1 (mit Gemeinschaftsküchen und –bädern werden zehn Prozent der Plätze barrierefrei hergerichtet. In Bestandsgebäude hängt dies von den baulichen Gegebenheiten ab.

Menschen mit psychischen Erkrankungen

In allen Gemeinschaftsunterkünften Typ 1, die den höchsten Betreuungsschlüssel haben und für Geflüchtete in der ersten Phase ihres Aufenthalts gedacht sind, gehört eine psychologische Fachkraft zum Team des Betreibers. Sie bietet den Bewohnenden eine erste therapeutische Unterstützung vor Ort. Sozialarbeitende in den Unterkünften unterstützen darüber hinaus bei der Weitervermittlung an medizinische Fachstellen und Beratungsangebote. Auch der Sozialdienst des LAF berät und unterstützt bei Bedarf besonders schutzbedürftige Geflüchtete ab dem ersten Tag im Ankunftszentrum und berät die Kundinnen und Kunden des LAF im Rahmen der Leistungsgewährung.
Zur weiteren Verbesserung der Versorgung von Menschen mit Traumatisierungen und psychischen Erkrankungen steht das LAF darüber hinaus in engem Austausch mit der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung.