Petra Tessendorf

Porträt Petra Tessendorf
  • Schriftstellerin (u.a. dtv, Emons)
  • Lektorin
  • Herausgeberin von Krimi-Anthologien
  • Dozentin für Kreatives Schreiben

LÄSST SICH KREATIVITÄT LERNEN?

Beitrag von Petra Tessendorf im MagaTSin der vhs Tempelhof-Schöneberg im Frühjahr 2023

Unsere Kursleiterin Petra Tessendorf unterrichtet Kurse zum Kreativen Schreiben. Sie arbeitete als Journalistin für eine Tageszeitung, bevor sie erste Kurzgeschichten veröffentlichte. Ihr Debütroman erschien in einem großen Publikumsverlag. Seitdem ist sie als Autorin, Lektorin und Schreibpädagogin tätig.
Wir haben sie gebeten uns zu erklären, mit welchen Mitteln ihre Teilnehmenden zur Kreativität finden. Vielleicht probieren Sie es mit den folgenden Tipps selbst einmal aus!

Englisch, Bio, Deutsch, Fantasie. So einen Stundenplan würde ich allen Schüler*innen wünschen. Und damit wäre auch eine mir häufig gestellte Frage beantwortet: Kann man Kreativität lernen? Ja, kann man!

Gleichzeitig möchte ich mit den falschen Vorstellungen aufräumen, die hartnäckig um die schöpferische Arbeit von Schriftsteller*innen kreisen. Man sei „zum Schreiben geboren“ heißt es, es ist vom „göttlichen Funken“ die Rede. Hier wird das Schreiben von literarischen Texten idealisiert und scheint damit unerreichbar.

Aufgeschlagenes Buch mit leeren Seiten

Und tatsächlich kann es sich so anfühlen, wenn wir mit dem Schreiben beginnen. Voller Erwartung sitzen wir vor dem weißen Blatt Papier. Und plötzlich erscheint die Leere des Blattes wie eine unüberwindbare Hürde, die uns blockiert. Wir fürchten, dass das, was wir schreiben, nicht dem entsprechen könnte, was wir uns vorgenommen haben.

Um diesen Moment zu umgehen, wende ich in meinen Kursen die Technik des „Freewriting“ an. Hier schreiben wir zehn Minuten ganz schnell, ohne darauf zu achten, wie wir schreiben. Im Einzelnen heißt das: Rechtschreibung und Zeichensetzung missachten und vor allem, nicht innehalten. Wenn wir nicht weiterwissen, wiederholen wir das letzte Wort, den letzten Satz, bis der Schreibfluss wiedereinsetzt.

Mithilfe dieser Technik schreiben wir an unserem „inneren Kritiker“ vorbei, der viel lieber jeden Satz sogleich korrigieren, umstellen, neu formulieren möchte. Mit dem Ergebnis, dass wir ins Stocken geraten und irgendwann ganz stecken bleiben. Und das ist sehr schade! Denn hätten wir einfach weitergeschrieben, hätten wir ein paar schöne Gedanken, lebendige Bilder oder sogar eine gute Idee, die es wert gewesen wäre, sie weiter auszubauen, aufs Papier gebracht.

Phantasie heißt nicht, sich etwas auszudenken. Es heißt, sich aus den Dingen etwas zu machen.
Thomas Mann

Ich selbst wende das freie schnelle Schreiben auch beim Schreiben meiner Romane an. So deaktiviere ich die Korrekturfunktion des Schreibprogramms und schreibe die Szene, die ich mir vorgenommen habe, zügig herunter, ohne einen Blick zurück auf das bereits Geschriebene zu werfen.

Papierkatze vor Schattenbild eines Löwen

Dies ist im Grunde das ganze Geheimnis, um unsere Kreativität anzukurbeln:
Losschreiben, ohne die Form zu kontrollieren und alles zulassen, was uns durch den Kopf geht.

Mit dieser simplen Methode ist Kreativität tatsächlich erlernbar. Man muss einfach nur anfangen und weiterschreiben. Auch sollten wir immer bedenken, dass alles, was wir schreiben, erst mal nur ein Entwurf ist. Und wie sagte Hemingway so schön? Der erste Entwurf ist immer Mist!
Haben Sie also den Eindruck, Sie schreiben gerade schlecht? Dann schreiben Sie schlecht weiter. Hauptsache es steht auf dem Papier. Schönmachen können Sie später immer noch.