Birgit Hammer: Wer hat Angst vor großen Räumen? Die Freiräume der Karl-Marx-Allee zwischen Strausberger Platz und Alexanderplatz
Das Gebiet Karl-Marx-Allee, 2. Bauabschnitt ist ein prägendes städtebauliches Ensemble der Nachkriegsmoderne. Im Herbst 1958 wurden sieben Architektenkollektive aufgefordert, Vorschläge für die Weiterführung der Stalinallee vom Strausberger Platz zum Alexanderplatz einzureichen. Im Ergebnis wurden zwei Kollektive unter Federführung der Architekten Edmund Collein und Werner Dutschke mit der Überarbeitung und Erstellung eines Gemeinschaftsplanes beauftragt. Der «Masterplan» von 1959 war ein komplexer Entwurf mit Wohnbebauung, Infrastruktur und Freiraumkonzept und ein einzigartiges Zeugnis der Entwicklung des innerstädtischen Wohnungsbaus der beginnenden 1960er Jahre. Die Idee der offenen Bebauung, der Objektstadt, wurde durch frei im Raum stehende Einzelgebäude aus vorgefertigten Elementen umgesetzt. Der Bebauungsvorschlag enthält 5266 Wohnungen für 16.100 Einwohner.
Der Freiraum unterstützte den Städtebau. Er wies für das gesamte, ca. 60 Hektar große Gebiet hinweg eine einheitliche, wenn auch grobkörnige Gestaltsprache auf, die eng mit der des Hochbaus korrespondierte. Stringente Reihen- und Blockpflanzungen im Bereich repräsentativer Erschließungsräume sowie «Landschaftlichkeit», d.h. die lockere Anordnung von Einzelbäumen und Baumgruppen im Bereich des Wohngrüns, waren maßgebliche Entwurfsprinzipien. Geometrische Baumsetzungen wie Reihen-, Alleen- und Blockpflanzungen wurden in Freiräumen mit überörtlicher Bedeutung wie der Karl-Marx-Allee und der Schillingstraße sowohl als Mittel der Akzentuierung als auch zur Abgrenzung gegenüber dem angrenzendem Wohngrün eingesetzt. Die Bereiche des Wohngrüns zeichneten sich neben dem parkartigen Baumbestand durch Wiesenflächen und fließende Grünzusammenhänge aus. Auf Einfriedungen wurde bewusst verzichtet. Der gesamte Freiraum sollte der Gemeinschaft zur Verfügung stehen und war öffentlich zugänglich. Ein dichtes Netz aus Fußwegen und Wohnstraßen ermöglicht eine freie Bewegung im Wohngebiet.
Heute stellt sich die Situation anders dar: Wirkte das Wohngebiet Mitte der 1960er Jahre noch wie ein riesiges begehbares Architekturmodell ohne jeglichen Bewuchs, versinken die Gebäude heute geradezu in einem dichten, waldartigen Baumbestand. Die Geschichte sowie eine Bestandsaufnahme des Freiraums mit den zugehörigen Elementen ist Gegenstand des 15. Digitalen Dialogs – heute wie damals.
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