Senatsbeschluß vom 6. März 1996 (60/96)

Senatsvorlage Nr. 60/96 (Auszug) – zur Beschlußfassung – für die Sitzung am Mittwoch, dem 6. März 1996

1. Gegenstand des Antrags:

Errichtung eines integrierten elektronischen Stadtinformationssystems für das Land Berlin

2. Berichterstatter:

Reg. Bürgermeister

3. Beschlußentwurf:

I.1. Der Senat beschließt auf der Grundlage der Senatsvorlage Nr. 60/96 des Reg. Bürgermeisters, ein integriertes elektronisches Stadtinformationssystem für das Land Berlin errichten zu lassen. Merkmale des Systems sind:

  • Zeitlich und räumlich uneingeschränkte Verfügbarkeit aller für die Öffentlichkeit bestimmten Informationen des Landes Berlin (Tourismus, Kultur, Stadtinformation etc.)
  • Nutzung aller technisch verfügbaren Verbreitungswege und -formen (von der Info-Säule bis zum Internet)
  • Interaktionsmöglichkeiten mit konkretem Nutzen für den Anwender (Hotelreservierung, Theaterkartenbuchung, Stadt- und Fahrplanauskünfte, Bürgerservice etc.)
  • Offenheit für die Integration anderer Systeme und Anwendungen (Kooperation mit BTM, PfB etc.)
  • Bündelung der gesamten Stadtinformation in einheitlicher Präsentation
  • Beteiligungsmöglichkeiten für weitere interessierte Anbieter und Nutzer
  • (als Zielvorstellung) privatwirtschaftliche Organisationsform bei weitgehender Eigenerwirtschaftung der Mittel

Projektbeschreibung ist als Anlage der Senatsvorlage Nr. 60/96 beigefügt.

2. Zur praktischen Umsetzung dieses Beschlusses wird bei der Senatskanzlei für die Konzeptphase bis 31. März 1997 eine Projektgruppe nach SS 7 GGO I eingerichtet. In ihr arbeiten unter Federführung der Senatskanzlei die Senatsverwaltung für Wirtschaft und Betriebe sowie die Senatsverwaltung für Inneres und das LIT. Weitere Landesdienststellen und sonstige Einrichtungen werden nach Bedarf hinzugezogen.

3. Die bei der Senatsverwaltung für Inneres bestehenden Stellen der Informationsdatenbank werden zur Senatskanzlei umgesetzt. Die Aufgabeninhalte bleiben zur Fortführung und zum Ausbau des T-Online/BTX-Angebotes, der Informations-Datenbank Berlin, bestehen und werden weiter wahrgenommen. Zusätzlich werden Arbeiten in der Projektgruppe übernommen.

4. Die Senatskanzlei schafft in Absprache mit der Senatsverwaltung für Inneres alle Voraussetzungen, damit der Aufgabenübergang für die Informations-Datenbank Berlin unverzüglich erfolgen kann.

II. Eine Vorlage an das Abgeordnetenhaus ist nicht erforderlich
III. Der Beschluß ist vom Reg. Bürgermeister – Senatskanzlei in Verbindung mit den Senatsverwaltungen für Wirtschaft und Betriebe und für Inneres zu bearbeiten.

4. Begründung:

a) Neustrukturierung des Kommunikationsmarktes:
Als weltweit größte Wachstumsbranche gewinnt die Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) eine immer größere Bedeutung für das menschliche Zusammenleben. Zunehmende Anfragen und Angebote an die Berliner Verwaltung, fast täglich neu entstehende private Initiativen und Projekte in der Stadt selbst sowie eine ständig wachsende Zahl von Beispielen anderer Länder und Kommunen im internationalen und nationalen Rahmen (z.B. Bayern, Hannover) zeigen konkret, daß sich auch im speziellen Bereich der elektronischen Informationssysteme und Online-Dienste ein dynamischer Markt mit extrem hohen Wachstumsraten entwickelt, der die gesellschaftlichen Kommunikationsstrukturen in immer stärkerem Maße durchdringen und bestimmen wird. Als Großstadt mit Metropolenanspruch kann sich Berlin dieser Entwicklung nicht entziehen.
Die Errichtung eines vom Land Berlin gestalteten Stadtinformationssystems eröffnet die Chance, die sich im Großraum Berlin – zwangsläufig – entwickelnde Informationslandschaft maßgeblich und aktiv mitzugestalten. Die Vielzahl unterschiedlichster Einzelinitiativen in diesem Bereich macht schnelles Handeln erforderlich. Noch vorhandene Gestaltungsspielräume gingen sonst verloren, berechtigte Erwartungen an die Selbstdarstellung der Metropole würden enttäuscht.

b) Nutzen für Bürger und Gesellschaft:
Es ist das Bestreben des Senats, der Bedeutung der Bundeshauptstadt Berlin als politisches, wirtschaftliches, wissenschaftliches, kulturelles und touristisches Zentrum Deutschlands auch in der Anwendung moderner IKT gerecht zu werden. Wichtigste Leitlinie ist dabei der konkrete Nutzen für Bürger und Gesellschaft.
In diesem Sinne dient das vom Land Berlin gestaltete Stadtinformationssystem der quantitativen und qualitativen Verbesserung des bisherigen Informationsangebots wie auch – angesichts des gegenwärtigen Wildwuchses in diesem Bereich – dem Anspruch der Öffentlichkeit auf Überschaubarkeit der Information sowie eine möglichst umfassende, zuverlässige und sachgerechte “informative Grundversorgung” (vergleichbar dem öffentlich-rechtlichen Sektor im Rundfunk).
Daneben ermöglicht die Nutzung von IKT dem Land Berlin, die von ihm für die Öffentlichkeit bestimmten Informationen auf einer wesentlich breiteren Grundlage und gleichzeitig gezielter zu verbreiten.
Das System dient zugleich der Effektivierung der herkömmlichen Informationsarbeit, indem es die einmal gewonnene Information durch die Nutzung zusätzlicher neuer Übertragungswege und -formen vielfältig verwertet.
Unter Einbeziehung der vom LIT neu geschaffenen technischen Infrastrukturen der Verwaltung (MAN) und darauf aufbauender Dienste und interaktiver Anwendungen leistet das System darüber hinaus – ganz im Sinne der Verwaltungsreform – einen richtungsweisenden Beitrag zur Erleichterung der Kommunikation und der Interaktion zwischen Bürger/Wirtschaft und Verwaltung.

c) Nutzen für das Land Berlin:
Bereits das am 29. November 1994 vom Senat beschlossenen “Programm der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie zur Förderung des Wirtschaftsstandortes Berlin im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie” enthält die Forderung nach einem “Tourismusinformationssystem (TIS)” und einem “Bürgerinformationssystem (BIS)” für das Land Berlin. Das vorliegende Projekt löst diese Forderung ein und wird in seinem integrativen Ansatz beiden Zielvorstellungen gerecht.
Es erfüllt damit zugleich die Empfehlungen der Länderinitiative “Telekommunikation 2001 Berlin/Brandenburg”, die der Schaffung von wissensbasierten Informationssystemen für die Wirtschaft, den Fremdenverkehr und den Bürger eine hohe Bedeutung für die weitere Entwicklung der Region beimißt.
Die Entwicklung neuer technischer Lösungen und innovativer Angebote im Rahmen eines solchen Systems dient der öffentlichkeitswirksamen Profilierung eines für die Stadt wichtigen Forschungs- und Industriezweiges und wirkt förderlich für den weiteren Ausbau der IKT-Infrastruktur als wichtigem Standort- und Wirtschaftsfaktor im internationalen Wettbewerb.
In diesem Sinne ist das System ein konkreter Beitrag des Senats von Berlin zu der auf Anregung des Regierenden Bürgermeisters enstandenen Pro-Time-Initiative der Berlin-Brandenburgischen Wirtschaft zur Entwicklung beispielhafter Multimedia-Anwendungen. Es bildet ein inhaltliches Pendant zu den infrastrukturellen Bemühungen des Senats im IKT-Bereich etwa durch den Ausbau des MAN und die geplante Beteilligung des Landes Berlin an der BerliNET GmbH. Das Bekenntnis des Senats zu einer aktiven Schrittmacherrolle auch in diesem Bereich läßt positive Rückwirkungen auf das Innovationsklima in der Stadt insgesamt erwarten und setzt Synergieeffekte frei.
Ein modellhaft entwickeltes innovatives Stadtinformationssystem bestätigt auch in der Form der Selbstdarstellung Berlins Führungsanspruch als Medienstadt und Hochtechnologiestandort (nicht nur der Inhalt, sondern das System selbst ist Teil der “Corporate Identity” Berlins) und trägt zum internationalen Imagegewinn der Stadt bei.

d) Allgemeine Vorteile:
Daneben bieten elektronische Medien gegenüber der herkömmlichen Informationsvermittlung vor allem folgende allgemeine Vorteile:

  • Zeitlich und örtlich uneingeschränkte Verfügbarkeit der Informationen.
  • Unmittelbare Möglichkeiten der Aktualisierung und Steuerung.
  • Nahezu unbegrenzter Umfang von Angebot und Recherchemöglichkeiten.
  • Zielgerichteter und schneller Zugriff nach den spezifischen Nutzerinteressen.
  • Gleichzeitiger Zugriff mehrerer Nutzer auf die selbe Quelle.
  • Größere Wirksamkeit der Information durch multimediale Gestaltung.
  • Leichte Weiterverarbeitung der Informationen nach individuellem Bedarf.
  • Langfristig (wenn auch nicht unmittelbar meßbar) Einsparung von Personal, Arbeitszeit und Material durch Rückgang von telefonischen Anfragen und Postversand.
  • Minimierung des archivarischen Platzbedarfs (Konzentration großer Informationsmengen auf engstem Raum).

e) Steigendes Nutzerinteresse:
Auch auf der Nutzerseite von Informationsdiensten ist bereits bis zur Jahrhundertwende mit einer Vervielfachung der Nachfrage zu rechnen:

  • Der Datex-J Dienst der Telekom umfaßt bereits heute rund 800.000 Anschlüsse mit stark steigender Tendenz.
  • Ca. 30% aller Haushalte in Deutschland verfügen bereits über einen PC; Prognose für das Jahr 2000: über 50%
  • Das Internet hat weltweit ca. 40 Mio. Nutzer, davon etwa 2,6 Mio. in Deutschland bei jährlicher Verdoppelung dieser Zahl.
  • Nach der Aufhebung des Telekom-Monopols wird die Einführung zusätzlicher Netze und Dienste (Bertelsmann, Burda, Microsoft oder auch “Berlin Net”) neue Nutzergruppen erschließen.
  • Schon jetzt – gerade in Berlin – eröffnen innovative Technologien wie interaktives Fernsehen und digitales Radio völlig neue Kommunikationsformen.

5. Rechtsgrundlage:

SS 10 Nr. 24 GO Sen

7. Auswirkungen auf Zusammenarbeit und Zusammenführung der Länder Berlin und Brandenburg:

Zwischen den zuständigen Fachverwaltungen der beiden Länder gibt es im Bereich der für die IKT zuständigen Abteilungen und Referate auf der Basis der Länderinitiative “Telekommunikation 2001 Berlin-Brandenburg” bereits seit längerem eine enge Zusammenarbeit. In Vorbereitung dieses Projekts wurde seitens der Senatskanzlei außerdem schon frühzeitig auch der Kontakt zur Staatskanzlei des Landes Brandenburg hergestellt. Auch in Zukunft sollen alle Maßnahmen für die Errichtung des geplanten Stadtinformationssystems mit den korrespondierenden Institutionen des Landes Brandenburg abgesprochen und für die Zusammenführung der beiden Länder nutzbar gemacht werden.

8. Mitzeichnung:

Senatsverwaltung für Wirtschaft und Betriebe: I.V. Branoner, 21.2.1996, V B 1
Senatsverwaltung für Inneres: I.V. Lancelle, 20.2.1996, V A 4

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