Drucksache - VIII-0100  

 
 
Betreff: Soziale Erhaltungsziele besser durchsetzen – Sozialplanverfahren für Modernisierungsmaßnahmen zur Anpassung an den allgemeinen Standard einführen
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion der SPDBezirksamt
   
Drucksache-Art:AntragVorlage zur Kenntnisnahme § 13 BezVG /SB
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Pankow von Berlin Vorberatung
01.03.2017 
5. ordentliche Tagung der Bezirksverordnetenversammlung Pankow von Berlin ohne Änderungen in der BVV beschlossen   
Bezirksverordnetenversammlung Pankow von Berlin Vorberatung
28.06.2017 
8. ordentliche Tagung der Bezirksverordnetenversammlung Pankow von Berlin mit Abschlussbericht zur Kenntnis genommen   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlagen:
Antrag Fraktion der SPD, 5 BVV am 01.03.2017
Antrag Linksfraktion, Bü90/Grüne, SPD 5.BVV - 2.Ausfertigung
VzK § 13 BezVG SB Bezirksamt, 8 BVV am 28.06.2017

Siehe Anlage


Bezirksamt Pankow von Berlin

 

An die
Bezirksverordnetenversammlung

Drucksache-Nr.:
VIII-0100

Vorlage zur Kenntnisnahme
für die Bezirksverordnetenversammlung gemäß § 13 BezVG

Schlussbericht

Soziale Erhaltungsziele besser durchsetzen – Sozialplanverfahren für Modernisierungsmaßnahmen zur Anpassung an den allgemeinen Standard einführen

Wir bitten zur Kenntnis zu nehmen:

In Erledigung des in der 5. Sitzung am 01.03.2017 angenommenen Ersuchens der Bezirksverordnetenversammlung Drucksache Nr.: VIII-0100

„Die BVV Pankow ersucht das Bezirksamt, dass erhaltungsrechtliche Genehmigungen in den Gebieten des sozialen Erhaltungsrechts für Bauvorhaben, die das Ziel einer Anpassung an den allgemeinen Standard unter Veränderung der Wohnungsgrundrisse haben, nur erteilt werden, wenn über ein Sozialplanverfahren geregelt ist, wie die in dem Gebäude mit Erstwohnsitz vorhandenen Mietparteien in der von Ihnen bewohnten Wohnung, dem Wohngebäude oder in unmittelbarerer Umgebung zu auf ihre sozialen und finanziellen Belange abgestimmten Konditionen verbleiben können.“ –

wird gemäß § 13 Bezirksverwaltungsgesetz berichtet:

Mit der sozialen Erhaltungssatzung nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB wird die Absicht verfolgt, die Bevölkerungsstruktur in einem bestimmten Gebiet vor unerwünschten Veränderungen zu schützen, indem den in einem intakten Gebiet lebenden Menschen der Bestand der Umgebung gesichert wird. Dies steht in engem Zusammenhang mit dem allgemeinen Belang der Bauleitplanung des § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB, wonach „die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen“ zu berücksichtigen ist. Konkret sollen mit den Steuerungsmöglichkeiten, die die Erhaltungssatzung mit sich führt, mietwirksame Veränderungen und Maßnahmen, die zu einer Verdrängung der Bewohnerschaft und damit zu Veränderungen der Bevölkerungszusammensetzung führen könnten, eingeschränkt werden.

Die deutsche Rechtssystematik, die sozial- und wohnungspolitische von den städtebaulichen und planungsrechtlichen Instrumenten des Baugesetzbuches trennt, sieht vor, dass ein städtebaurechtliches Instrument, wie die Erhaltungssatzung, nur auf die sozialen Probleme reagieren kann, wenn sich diese auch räumlich niederschlagen. Einen Verdrängungsschutz durch das Erhaltungsrecht darf es daher nur geben, sofern mit ihm städtebaulich negative Folgewirkungen verhindert werden können bzw. werden sollen.

Die Absicht, die Zusammensetzung der Bevölkerung zu erhalten, ergibt sich daher wiederum aus dem Ziel, städtebaulich nachteilige Entwicklungen für das Gebiet vermeiden zu wollen, die sich aus den Veränderungen der Bevölkerungszusammensetzung ergeben können. Hieraus wird deutlich, dass die Erhaltungssatzung nicht unmittelbar dem Mieterschutz dient, sondern es sich um ein städtebaurechtliches Instrument handelt. Etwaiger Schutz bestehender Mietverhältnisse als Folge der sozialen Erhaltungssatzung ist rechtlich zwar nicht zu beanstanden, maßgebendes Kriterium für dessen Einsatz muss jedoch die städtebauliche Zielsetzung sein.

In einem sozialen Erhaltungsgebiet darf die Genehmigung gemäß § 172 Abs. 4 S. 1 BauGB daher nur versagt werden, wenn die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden soll. Der Versagungsgrund ergibt sich also aus dem Ziel der Erhaltungssatzung und somit aus den Voraussetzungen für ihre Festsetzung. In einem Milieuschutzgebiet ist demnach ein Vorhaben dann nicht zu genehmigen, wenn es den sachlich begründeten Anlass zu der Sorge gibt, dass die Zusammensetzung der Bevölkerung nachteilhaft verändert wird.

Der einzelne Bewohner bzw. Mieter wird von diesem Schutzzweck nur indirekt erfasst, insoweit, als auch er zu der in ihrer Struktur zu bewahrenden Wohnbevölkerung gehört. Ein darüber hinausgehender Schutz einzelner Bewohner vor Verdrängung ist aber nicht möglich.

In sozialen Erhaltungsgebieten sind als Änderungen bauliche Modernisierungsmaßnahmen von Relevanz, da sie i. d. R. mietwirksam sind und somit eine Verdrängung der Wohnbevölkerung auslösen können. Dabei ist es nicht relevant, ob der Eigentümer die Miete tatsächlich erhöht oder ob der einzelne Mieter bereit bzw. in der Lage ist, die Miete zu zahlen. Eine einzelne Verdrängung würde städtebaulich nicht ins Gewicht fallen, doch kann das Vorhaben auch im Hinblick auf ihre Vorbildwirkung, geeignet [sein], die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu verändern“ und darf daher nicht isoliert betrachtet werden. Hierbei wird deutlich, dass mit dem Instrumentarium kein Schutz einzelner Mieter betrieben wird, sondern es dem städtebaulichen Schutz dient. Der Versagungsgrund kann daher auch dann wirken, wenn die betroffene Wohnung leer steht.

In § 172 Abs. 4 S. 1 BauGB heißt es, dass die Genehmigung nur dann versagt werden kann, wenn die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden soll. Entsprechend werden in Abs. 3 und 5 die Versagungsgründe der einzelnen Erhaltungssatzungen differenziert. Auch hier wird durch den Begriff „nur im jeweiligen Falle eine klare Abgrenzung zu den Genehmigungsvorbehalten der anderen beiden Erhaltungssatzungsformen vorgenommen. Das bedeutet zunächst, dass der Versagungsgrund aus § 172 Abs. 5 BauGB nicht im Genehmigungsverfahren nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 angewandt werden darf, also in einem sozialen Erhaltungsgebiet die Genehmigung nicht versagt werden darf, um einen den sozialen Belangen Rechnung tragenden Ablauf auf der Grundlage eines Sozialplans (§ 180) zu sichern. Die Versagungsgründe dürfen nicht ausgeweitet werden. Dies bedeutet, dass man in einem sozialen Erhaltungsgebiet eine Genehmigungsversagung nicht auf eine Feststellung eines Sozialplans zur Mietbelastung stützen kann. Vielmehr können nur die in der sozialen Erhaltungssatzung benannten Ziele und die in den Genehmigungskriterien niedergelegten ermessensleitenden Gesichtspunkte Grundlage für die Entscheidung sein.

Ein Genehmigungsanspruch besteht nach § 172 Abs. 4 S. 3 Nr. 1 BauGB des Weiteren, wenn die Änderung der baulichen Anlage der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustandes einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dient. Hierdurch soll verhindert werden, dass Gebiete mit auffällig schlechtem Wohnstandard in diesem Zustand verbleiben und stattdessen ermöglicht wird, dass ein gewisser baulicher Qualitätsstandard entwickelt werden kann. Die Erhaltung eines Substandards ist also nicht möglich (und auch nicht gewollt). Zu genehmigen sind dabei üblicherweise etwa der (erstmalige) Einbau von Bädern und Toiletten, die Grundinstallation der Elektro-, Frischwasser- und Abwassereinrichtungen oder die Isolierverglasung bisher einfach verglaster Fenster. In diesen Fällen sind auch keine Nebenbestimmungen zur Einhaltung von Mietobergrenzen zulässig.

Gemäß der 2013 im Rahmen der Innenentwicklungsnovelle neu eingeführten Regelung des § 172 Abs. 4 S. 3 Nr. 1a BauGB ist die Genehmigung ferner zu erteilen, wenn die bauliche Änderung der Energieeinsparung dient. Der Genehmigungs-anspruch ist jedoch auf die Anpassung an die Mindestanforderungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) begrenzt. Hiermit soll bezweckt werden, dass klimapolitische Ziele im Zusammenhang mit der sog. Energiewende nicht durch Regelungen des sozialen Erhaltungsrechts gebremst werden, auch wenn derartige Mnahmen zur Gefährdung der Bevölkerungszusammensetzung und damit auch zur Gefährdung der Ziele der Erhaltungssatzung führen könnten. Gemäß § 172 Abs. 4 S. 2 BauGB ist die Genehmigung zudem auch in den Fällen zu erteilen, in denen zwar das Vorhaben nicht mit den Erhaltungszielen vereinbar ist, jedoch eine Erhaltung der baulichen Anlage selbst unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls wirtschaftlich nicht mehr zumutbar ist.

Die weiteren Ausnahmen des § 172 Abs. 4 BauGB beziehen sich auf die Erteilung der Genehmigung für die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, etwa wenn das Grundstück zu einem Nachlass gehört oder das Gebäude nicht zu Wohnzwecken genutzt wird. Ebenso besteht ein Genehmigungsanspruch, wenn sich der Vermieter verpflichtet innerhalb von sieben Jahren nur an die Mieter zu veräern.

Die Regelungen zum Sozialplan wurden mit der Öffnung des Städtebaurechts für die sozialen Aspekte der Stadtplanung durch das StBauFG 1971 eingeführt.

Dabei wurden nicht nur die Auswirkungen von Bebauungsplänen berücksichtigt, sondern auch die Sanierung einbezogen (§ 8 Abs. 2 StBauFG 1971). Dem lag die Erkenntnis zugrunde, dass Sanierungsvorhaben weitgehende Eingriffe in die Privatsphäre und die wirtschaftlichen Interessen Einzelner mit sich bringen können.

Dies stand in Zusammenhang mit der Definition der städtebaulichen Gesamtmaßnahme der Sanierung und Entwicklung (§§ 136 ff. BauGB bzw. §§ 165 ff. BauGB). Beide kennzeichnet, dass die Kommune hier aktiv Veränderungsprozesse in Gang setzt.

Der Begriff „Sozialplan“ ist in § 180 BauGB für die Zwecke des Städtebaurechts eigenständig und abschließend definiert. § 180 Abs. 1 S. 1 beschreibt als Anwendungsbereich Bebauungspläne, städtebauliche Sanierungsmaßnahmen, städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen oder Stadtumbaumaßnahmen. Dieser Anwendungsbereich wird durch § 172 Abs. 5 durch ausdrücklichen Bezug auf den Sozialplan um die Umstrukturierungssatzung nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BauGB erweitert. Dies erscheint insofern folgerichtig, als es sich bei der Umstrukturierungssatzung auch um eine durch die Kommune initiierte Veränderung der städtebaulichen Struktur eines Gebietes handelt.

Mit der Regelung zum Sozialplan will der Gesetzgeber sicherstellen, dass sozial nachteilige Wirkungen städtebaulicher Planungen und Maßnahmen möglichst vermieden oder gemildert werden. Die Vorschrift stellt sicher, dass durch Beratungs- und Rücksichtnahmepflichten sowohl bei der Vorbereitung und Durchführung der Sanierungs- und Entwicklungs- oder Stadtumbaumaßnahmen als auch bei der Aufstellung der Bebauungspläne den persönlichen Lebensumständen der hiervon betroffenen Menschen von Anfang an Rechnung getragen werden kann. Das Gesetz nennt ausdrücklich die Hilfe beim Wohnungs- und Arbeitsplatzwechsel oder beim Umzug von Betrieben; § 180 Abs. 1 S. 2 BauGB. Die Gemeinde soll auch auf öffentliche Leistungen, die in Betracht kommen können, hinweisen. Sind Betroffene aufgrund ihrer persönlichen Lebensverhältnisse nicht in der Lage, sich der Hinweise und Hilfen der Gemeinde selbst zu bedienen, oder sind aus anderen Gründen weitere Hilfen der Gemeinde geboten, sind entsprechende individuelle Möglichkeiten der Vermeidung oder Milderung von Härten aufzuzeigen und zu gewähren (z. B. Wohnraumbeschaffung, spezielle Maßnahmen der Jugendhilfe, Hilfen bei Kontaktaufnahme mit Behörden); § 180 Abs. 1 S. 3 BauGB.

r die Satzungen nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB (Erhaltung der städte-baulichen Eigenart) und § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB (Erhaltung der Struktur der Wohnbevölkerung) sieht das Gesetz die Anwendung eines Sozialplans also nicht vor.

Die Gemeinde hat bei Anträgen auf Baumaßnahmen in sozialen Erhaltungsgebieten die Mieter zu hören. Es steht ihr insofern auch frei, ein dem Sozialplan ähnliches Verfahren durchzuführen. Aus den Feststellungen eines Sozialplanberichts in diesem Verfahren können jedoch keine Bedingungen oder Auflagen gegenüber dem Antragsteller hinsichtlich einer nach Abschluss der Maßnahmen einzuhaltenden Miete abgeleitet werden, sofern er auf die Genehmigung der geplanten Maßnahmen einen Anspruch hat.

Eine Versagung von Maßnahmen, die über diesen Anspruch hinausgehen und zu nachteiligen Auswirkungen für die Bewohner führen, ist hingegen möglich. Deswegen gilt es, die Baumaßnahmen, auf deren Genehmigung ein Anspruch nach den Ausnahmetatbeständen nach § 172 Abs. 4  BauGB besteht, anhand der Genehmigungskriterien sorgfältig von denjenigen Maßnahmen abzugrenzen, die nicht genehmigt werden müssen.

Das Bezirksamt ist dennoch bestrebt, die Sozialverträglichkeit von Modernisierungsmaßnahmen in allen llen einer umfassenden Modernisierung, so weit wie möglich, herzustellen. Dies kann unter Umständen auch durch die Finanzierung mietrechtlicher Beratung gelingen, da das Mietrecht für den jeweiligen Mieter die Möglichkeit bietet, eine „Soziale Härte“ geltend zu machen. In diesen Fällen können die Kosten von Modernisierungsmaßnahmen nicht oder nur teilweise auf die Mieter umgelegt werden.

 

Im Einzelfall kann auch die Bereitstellung von Umsetzwohnungen aus dem Förderkontingent erfolgen.

 

Haushaltsmäßige Auswirkungen

keine

Gleichstellungs- und gleichbehandlungsrelevante Auswirkungen

keine

Auswirkungen auf die nachhaltige Entwicklung

keine

Kinder- und Familienverträglichkeit

entfällt

ren Benn
Bezirksbürgermeister

Vollrad Kuhn
Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung und Bürgerdienste

 

 

 
 

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