JVollzDSG Bln - Teil 2 - Kapitel 6 - Besondere Schutzanforderungen

Kapitel 6 - Besondere Schutzanforderungen

Abschnitt 1 - Erkenntnisse aus Beaufsichtigungs-, Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen; Bekanntmachungen

§ 58 - Erkenntnisse aus Beaufsichtigungs-, Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen

(1) Die bei der Beaufsichtigung oder Überwachung der Besuche, der Überwachung der Telekommunikation, der Sichtkontrolle oder der Überwachung des Schriftwechsels oder der Kontrolle des Inhalts von Paketen in zulässiger Weise bekannt gewordenen personenbezogenen Daten sind in Akten und Dateisystemen des Vollzugs sowie wie bei einer Übermittlung an andere Stellen eindeutig als solche zu kennzeichnen. Sie dürfen nur verarbeitet werden

  1. mit Einwilligung der Gefangenen für Zwecke der Behandlung sowie
  2. für die in § 9 Absatz 4 Nummer 1 bis 4 und § 48 genannten Zwecke.

(2) Soweit die in Absatz 1 bezeichneten personenbezogenen Daten dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung im Sinne von § 25 Absatz 4 zuzurechnen sind, dürfen sie nicht gespeichert oder auf andere Art verarbeitet werden. Abweichend von Satz 1 erfasste Daten sind unverzüglich zu löschen. Die Tatsachen der Erfassung und der Löschung der Daten sind zu dokumentieren. Die Dokumentation darf ausschließlich für Zwecke der Datenschutzkontrolle verwendet werden. Sie ist zu löschen, wenn sie für diese Zwecke nicht mehr erforderlich ist, spätestens jedoch am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Dokumentation folgt.

§ 59 - Bekanntmachungen

(1) Personenbezogene Daten von Gefangenen dürfen innerhalb der Anstalt nur allgemein erkennbar gemacht werden, soweit dies für ein geordnetes Zusammenleben in der Anstalt erforderlich ist und Bestimmungen dieses Gesetzes nicht entgegenstehen.

(2) Besondere Kategorien personenbezogener Daten im Sinne von § 31 Nummer 14 des Berliner Datenschutzgesetzes dürfen in Anstalten nicht allgemein erkennbar gemacht werden.

(3) Absatz 2 gilt nicht, soweit die Kennzeichnung von Gewohnheiten und Vorlieben von Gefangenen auch unter Berücksichtigung ihrer Interessen an deren Geheimhaltung im Interesse der Ordnung in der Anstalt erforderlich ist, selbst wenn dies Rückschlüsse auf in Absatz 2 genannte Daten der Gefangenen zulassen kann.

Abschnitt 2 - Schutz von Berufsgeheimnissen

§ 60 - Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträger

(1) Die im Justizvollzug tätigen oder außerhalb des Justizvollzugs mit der Untersuchung, Behandlung oder Beratung von Gefangenen beauftragten

  1. Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte, Apothekerinnen und Apotheker oder Angehörigen eines anderen Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert,
  2. psychologischen Psychotherapeutinnen und psychologischen Psychotherapeuten,
  3. Diplom-Psychologinnen und Diplom-Psychologen sowie
  4. staatlich anerkannten Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter oder staatlich anerkannten Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen

(Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträger) sind im Hinblick auf den Austausch personenbezogener Daten untereinander zur vertrauensvollen Zusammenarbeit verpflichtet, soweit sie nicht einer Schweigepflicht unterliegen.

(2) Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträger unterliegen hinsichtlich der ihnen in dieser Funktion von Gefangenen anvertrauten oder sonst über Gefangene bekannt gewordenen Geheimnisse im Sinne von § 203 Absatz 1 des Strafgesetzbuchs auch gegenüber dem Justizvollzug der Schweigepflicht, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(3) Wenn Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträger gleichzeitig oder nacheinander dieselben Gefangenen behandeln, unterliegen sie im Verhältnis zueinander nicht der Schweigepflicht und sind zur umfassenden gegenseitigen Information und Auskunft verpflichtet, soweit dies zum Zwecke einer zielgerichteten gemeinsamen Behandlung erforderlich ist und

  1. soweit eine wirksame Einwilligung der betreffenden Gefangenen vorliegt,
  2. wenn sie in einer sozialtherapeutischen Einrichtung tätig sind oder
  3. wenn sie zu dem in Absatz 1 Nummer 1 bis 3 genannten Personenkreis zählen und in Bezug auf die betreffenden Gefangenen nicht mit anderen vollzuglichen Aufgaben betraut sind; eine frühere nichttherapeutische Tätigkeit in Bezug auf die betreffenden Gefangenen steht dem nicht entgegen.

(4) Der Justizvollzug weist externe Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträger nach Absatz 1 auf die Offenbarungspflichten und -befugnisse gemäß §§ 61 und 62 hin.

§ 61 - Offenbarungspflicht

(1) Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträger haben der Anstaltsleiterin oder dem Anstaltsleiter ihnen bekannte Tatsachen von sich aus und auf Befragen zu offenbaren, auch wenn sie ihnen im Rahmen des beruflichen Vertrauensverhältnisses anvertraut wurden oder sonst bekannt geworden sind,

  1. soweit die betroffenen Gefangenen einwilligen oder
  2. soweit dies auch unter Berücksichtigung der Interessen der Gefangenen an der Geheimhaltung der Tatsachen erforderlich ist
    a) zur Abwehr einer Gefahr für das Leben eines Menschen, insbesondere zur Verhütung von Selbsttötungen,
    b) zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für Körper oder Gesundheit eines Menschen oder
    c) zur Abwehr der Gefahr auch im Einzelfall schwerwiegender Straftaten, insbesondere infolge Befreiung, Entweichung oder Nichtrückkehr von Gefangenen.

(2) Sozialarbeiterinnen oder Sozialarbeiter gemäß § 60 Absatz 1 Nummer 4, die als Bedienstete im Justizvollzug tätig sind, haben der Anstaltsleiterin oder dem Anstaltsleiter ihnen bekannte Tatsachen von sich aus und auf Befragen zu offenbaren, soweit die Offenbarung zu vollzuglichen Zwecken erforderlich ist.

(3) Wurde eine Einwilligung gemäß Absatz 1 Nummer 1 oder § 60 Absatz 3 Nummer 1 nicht den Berufsgeheimnisträgerinnen oder Berufsgeheimnisträgern gegenüber erklärt, sind sie berechtigt, die Übermittlung zu verweigern, bis sie Gelegenheit zum persönlichen Gespräch mit den Gefangenen hatten. Sie haben sich zu offenbaren, soweit die Gefangenen an der Einwilligung festhalten. Widerrufen Gefangene ihnen gegenüber eine aktenkundige Einwilligung, so ist der Widerruf aktenkundig zu machen und unverzüglich
der Anstaltsleiterin oder dem Anstaltsleiter mitzuteilen.

(4) Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträger außerhalb des Justizvollzugs können die Verpflichtung nach Absatz 1 auch gegenüber in der Anstalt beschäftigten Berufsgeheimnisträgerinnen oder Berufsgeheimnisträgern erfüllen.

§ 62 - Offenbarungsbefugnis

(1) Die Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträger sind über § 61 hinaus zur Offenbarung ihnen bekannter Tatsachen gegenüber der Anstaltsleiterin oder dem Anstaltsleiter befugt, auch wenn ihnen die Tatsachen im Rahmen des beruflichen Vertrauensverhältnisses anvertraut wurden oder sonst bekannt geworden sind, soweit dies zu vollzuglichen Zwecken auch unter Berücksichtigung der Interessen der Gefangenen an der Geheimhaltung der Tatsachen unbedingt erforderlich ist.

(2) Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträger nach § 60 Absatz 1 Nummer 1 sind befugt, Mitgliedern einer Delegationnach § 51 während ihres Besuchs in der Anstalt Auskünfte und Erläuterungen zum Inhalt der Gesundheitsakten und Patientenakten zu geben.

§ 63 - Zweckbindung offenbarter personenbezogener Daten

(1) Die nach § 61 oder § 62 offenbarten personenbezogenen Daten dürfen nur für den Zweck, für den sie offenbart wurden oder für den eine Offenbarung zulässig gewesen wäre, und nur unter denselben Voraussetzungen verarbeitet werden, unter denen Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträgern selbst hierzu befugt wären.

(2) Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter kann unter diesen Voraussetzungen die unmittelbare Offenbarung gegenüber bestimmten Anstaltsbediensteten allgemein zulassen.

§ 64 - Zugriff auf Daten in Notfällen

Alle im Justizvollzug tätigen Personen dürfen sich Kenntnis auch von besonderen Kategorien personenbezogener Daten zu dem Zweck verschaffen, diese Daten unmittelbar und unverzüglich den zur Notfallrettung eingesetzten Personen zu übermitteln, soweit die oder der Gefangene

  1. einwilligt oder
  2. zur Einwilligung unfähig ist und die Kenntnisverschaffung zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für das Leben eines Menschen oder einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr für die Gesundheit eines Menschen erforderlich ist.

Die anderweitige Verarbeitung der so erlangten Daten ist unzulässig. Der Abruf ist in den Gefangenenpersonalakten aller betroffenen Gefangenen zu dokumentieren.

§ 65 - Verhältnis zu anderen Vorschriften

(1) Sonstige Offenbarungspflichten und Offenbarungsbefugnisse der Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträger bleiben unberührt.

(2) Gesetzliche Schweigepflichten der Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträger bleiben unberührt, soweit dieses Gesetz nicht etwas anderes vorsieht.

§ 66 - Belehrung und Benachrichtigung der Gefangenen

(1) Bei ihrem Eintritt in den Vollzug sind die Gefangenen schriftlich über die nach diesem Gesetz bestehenden Offenbarungspflichten und Offenbarungsbefugnisse der Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträger zu unterrichten.

(2) Die Gefangenen sind von einer Offenbarung gemäß § 61 und § 62 zu benachrichtigen. Eine Pflicht zur Benachrichtigung besteht nicht, sofern die Gefangenen auf andere Weise Kenntnis von der Offenbarung erlangt haben. Die Benachrichtigung kann unterbleiben, solange hierdurch der Zweck der Maßnahme vereitelt würde. Die Benachrichtigung ist unverzüglich nachzuholen, sobald der Zweck der Maßnahme entfallen ist.

Abschnitt 3 - Seelsorge

§ 67 - Übermittlung personenbezogener Daten an Seelsorgerinnen und Seelsorger

Der Justizvollzug darf den in ihrem Bereich tätigen Seelsorgerinnen und Seelsorgern personenbezogene Daten nur mit Einwilligung der betroffenen Personen übermitteln.

§ 68 - Verarbeitung in Gefangenenpersonalakten enthaltener Daten

Wenn die betroffenen Personen einwilligen, dürfen Seelsorgerinnen und Seelsorger auch die in Gefangenenpersonalakten enthaltenen Daten verarbeiten. Die Einwilligung kann nur für die eine Person betreffenden Gefangenenpersonalakten insgesamt erteilt oder verweigert werden. Wird die Einwilligung erteilt, so gelten die Regelungen über die Akteneinsicht durch Beauftragte entsprechend.

§ 69 - Schutz des seelsorgerischen Vertrauensverhältnisses

Personenbezogene Daten, die einer Seelsorgerin oder einem Seelsorger von Gefangenen als Geheimnis anvertraut oder über Gefangene sonst bekannt geworden sind, unterliegen auch gegenüber dem Justizvollzug der Schweigepflicht.