Verzeichnis Marzahn-Hellersdorf zur Erfassung aller Vorkommnisse, die in Zusammenhang mit antisemitischen, rechtsextremen und rassistischen Wahrnehmungen stehen – Überblick 2010

Pressemitteilung vom 10.03.2011

Seit September 2007 baut Polis*, die Bezirkliche Koordinierungsstelle gegen demokratiegefährdende Phänomene und Rechtsextremismus Marzahn-Hellersdorf, das „Verzeichnis Marzahn-Hellersdorf zur Erfassung aller Vorkommnisse, die in Zusammenhang mit antisemitischen, rechtsextremen und rassistischen Wahrnehmungen stehen“ auf. In Zusammenarbeit mit verschiedenen zivilgesellschaftlichen Akteuren wie Behörden, Ämtern, freien Trägern, engagierten Einzelpersonen etc., die Meldungen an das Verzeichnis weitergeben, werden rechtsextreme und rassistische Aktivitäten im Bezirk dokumentiert. Das Verzeichnis sammelt alle Vorfälle, die in Marzahn-Hellersdorf gemeldet werden. Polis* wertet diese aus und veröffentlicht die Ergebnisse.
Im Jahr 2010 wurden insgesamt 53 Vorfälle in Marzahn-Hellersdorf gemeldet. Im Vergleich zum Vorjahr ist ein Rückgang von 15 rechtsextremen Erscheinungsformen und Aktivitäten zu verzeichnen. Das erste Halbjahr dominiert mit 30 Vorfällen gegenüber dem zweiten Halbjahr mit 23 Vorfällen.
Über das gesamte Jahr hinweg waren zumeist Propaganda-Aktivitäten (ca. 2/3 aller Vorfälle) zu verzeichnen. Das Verteilen von rechtsextremen Zeitungen sowie Aufkleberaktionen sind wie in den Jahren zuvor ein beliebtes Mittel, um rechtsextreme Meinungen in die Öffentlichkeit zu tragen.
Im Vergleich zum Vorjahr ist ein Rückgang bei der Zahl der Übergriffe zu verzeichnen (Abnahme von 11 auf 9 Vorfälle). Allerdings kann dies nicht als Grund zur Entwarnung angesehen werden, da nach wie vor ein klar erkennbares Gewaltpotenzial vorhanden ist.
Gegenüber dem Vorjahr ist eine leichte, aber dennoch bemerkbare Zunahme der rassistischen Vorfälle zu verzeichnen (Steigerung von 6 auf 9 Vorfälle).
Nach wie vor liegt der Schwerpunkt aller rechtsextremen Vorfälle im Stadtteil Hellersdorf-Nord. Kaulsdorf ist der einzige Stadtteil im Bezirk, aus dem keine rechtsextremen Vorfälle gemeldet wurden.

Kontakt:
Polis* – Bezirkliche Koordinierungsstelle gegen demokratiegefährdende Phänomene
und Rechtsextremismus Marzahn-Hellersdorf
Klausdorfer Str. 8
12629 Berlin
Tel.: 030/99 27 50 96 | Fax: 030/99 22 50 97 | mail: polis@stiftung-spi.de

Rassistische , antisemitische, homophobe und rechtsextreme Vorfälle
und Angriffe in Berlin 2010

ReachOut, die Beratungsstelle für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, die Register und das Verzeichnis haben im Jahr 2010 Angriffe und andere Vorfälle mit rassistischem, antisemitischem, homophobem und rechtsextremem Hintergrund in Berlin recherchiert, dokumentiert und ausgewertet. Die Ostberliner Bezirke können detailliert dargestellt werden, im Westteil fehlen die entsprechenden Strukturen.
Für das Jahr 2010 registriert die Opferberatungsstelle ReachOut 109 rechtsextrem, rassistisch, antisemitisch und homophob motivierte Angriffe in Berlin. Die Zahl der bisher bekannt gewordenen gewalttätigen Angriffe und massiven Bedrohungen ist im Vergleich zu 2009 geringfügig gestiegen. Die Zahlen im Ost-West-Vergleich nähern sich an.
[moskito] Die Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus – Für Demokratie und Vielfalt hat für 2010 insgesamt 115 Vorfälle im Bezirk Pankow zusammengetragen. Insgesamt registrierte das Pankower Register 70 Propagandadelikte; 19 Vorfälle von Bedrohungen, Beleidigungen und Pöbeleien; neun Sachbeschädigungen und acht Veranstaltungen. Im Jahr 2010 kam es nach unseren Erkenntnissen zu fünf Gewaltdelikten und drei Körperverletzungen. Besonders erschreckend ist das systematische Vorgehen gegen politische Gegner/innen und das Ausmaß an propagandistischer Verharmlosung und Verherrlichung des Nationalsozialismus.
Im gesamten Jahreszeitraum 2010 wurden von der Netzwerkstelle Licht-Blicke 113 Fälle rechtsextremer Vorkommnisse aufgenommen und im Register zusammengefasst. Im vergangenen Jahr waren es 99 Fälle. Das bedeutet einen Anstieg von 14 %. Zu diesem Anstieg hat vor allem die gesteigerte Aktivität im Vorfeld des bundesweiten Neonazi-Aufmarsches am 1. Mai 2010 beigetragen. Während Propaganda etwa die Hälfte der
Vorkommnisse ausmacht, ist die Anzahl der bekannt gewordenen Gewaltdelikte weiter zurückgegangen. Eine positive Entwicklung der letzten Jahre ist zudem, dass der lokalen Neonaziszene im Bezirk derzeit kein zentraler Ort zur Verfügung steht, an dem sie sich treffen und vernetzen kann.
In Treptow-Köpenick wurden im Jahr 2010 162 (2009:126) Vorfälle registriert. 70 Prozent davon sind Propagandavorfälle. Weiterhin ist der Ortsteil Niederschöneweide der Aktionsschwerpunkt der rechten Szene im Bezirk. Eine Kampagne gegen die Kneipe “Zum Henker” hat dazu geführt, dass 2010 keine Angriffe mehr im direkten Umfeld der Kneipe zu verzeichnen waren. Bei den Inhalten sind die Verharmlosung des Nationalsozialismus und Rassismus angestiegen.
Im Bezirk Marzahn-Hellersdorf wurden 2010 insgesamt 53 rechtsextreme Vorfälle gemeldet. Den Schwerpunkt der registrierten Vorfälle bildet der Stadtteil Hellersdorf-Nord. Außerdem ließ sich die Partei “Bürgerbewegung pro Deutschland” im Sommer vergangenen Jahres mit dem Hauptsitz ihres Bundesverbandes im Bezirk nieder. Angesichts dessen ist davon auszugehen, dass im Wahljahr 2011 verstärkt Vorfälle mit islamfeindlichem
Hintergrund im Bezirk auftreten werden.
Die Anzahl der gemeldeten Vorfälle vom Register Friedrichshain haben sich zum Vorjahr verdoppelt. Direkte Übergriffe sind leicht zurückgegangen, auch deren Brutalität ist leicht rückläufig. Durch zivilcouragiertes Eingreifen konnten einige Übergriffe verhindert werden. Im Gegenzug haben Bedrohungen und Propagandadelikte, sehr oft rassistisch geprägt, stark zugenommen. Allein in den ersten zwei Monaten 2011 wurden bereits acht Vorfälle dokumentiert. Grund zur Entwarnung gibt es daher nicht. Für Nachfragen und weitere Informationen können Sie sich direkt an die Projekte wenden.