GESPENSTER - Ausstellung von Roland Boden

1. GESPENSTER – Ausstellung von Roland Boden

es ist ein Irrtum, dass die Toten tot sind

In der zweiten Ausstellung des Kunstraum KORN zitiert der Künstler Roland Boden das monumentale Thälmann-Denkmal, das sich nicht weit vom Ausstellungsort im Ernst-Thälmann-Park befindet.
Mitten in der erst 1987 fertiggestellten Hochhaus-Wohnanlage wurde damals eine überdimensionale Büste Ernst Thälmanns aufgestellt; in ungebrochener Fortsetzung der Heldenverehrung des 1945 im KZ Buchenwald ermordeten Arbeiterführers. Bis heute ist die Erinnerung an diese Figur gespalten – ignorieren die einen das persönliche Opfer Thälmanns, leugnen die anderen, dass er als stalintreuer KPD-Vorsitzender die unheilvolle Politik der Bekämpfung der Sozialdemokraten noch vorantrieb, als in der Endzeit der Weimarer Republik längst ein Bündnis der Arbeiterparteien gegen Hitler nötig geworden war. In einer grausamen Volte der Geschichte sind viele seiner Mitstreiter, meist nicht weniger stalintreu als er, nach der Emigration in die Sowjetunion in die Mühlen des „Großen Terrors“ der 30er Jahre geraten – denunziert, verhaftet, in Schauprozessen abgeurteilt, in die Lager des GULAG verschleppt oder sofort „liquidiert“. Wenige blieben verschont und waren dennoch nach der Rückkehr 1945 rastlos und selbstlos tätig, um die erträumte Gesellschaftsreform nach stalinistischen Maßstäben im Osten Deutschlands zu verwirklichen.
Die Installation „GESPENSTER“ zeigt einen Vorhang, der ein leicht verfremdetes Foto des heutigen Zustands des Thälmann-Denkmals flankiert. Der Vorhang ist mit einem Raster kleiner Tonbüsten bestückt, die entfernt an mexikanische Totenkultmasken erinnern. Die wie an einer Perlenschnur aufgereihten grotesken Köpfe stellen einen Verweis auf die deutschen Kommunisten und Linksliberalen dar, die in den 30er Jahren im sowjetischen Exil ermordet wurden. Ein Satz Heiner Müllers kommentiert die Installation: „… es ist ein Irrtum, dass die Toten tot sind.“
Roland Boden beschäftigt sich mit Malerei, tektonischen Fragen und fiktionalen Recherchen. Er erhielt zahlreiche Stipendien u. a. 1998 das Arbeitsstipendium Ohio Arts Council, Cleveland / USA, 2002 das Stipendium IASKA Perth / Australien, 2003 das Jahresstipendium Deutsche Akademie Villa Massimo Rom, 2004 einen Arbeitsaufenthalt in Buenos Aires / Argentinien, 2009 das Stipendium der Stiftung Kunstfonds Bonn, 2020 den Falkenrot-Preis Berlin, 2020 das Recherche-Stipendium des Berliner Senats und ist in zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland vertreten.

2. NEULAND – Wandel, Abriss, Neubesinnung

Die deutsche Vereinigung liegt über dreißig Jahre zurück – noch lebendige Erinnerung für viele, aber nicht mehr gegenwärtig. Nicht nur die Zeit davor, auch die ersten Jahre der tiefgreifenden Umwälzung im neuen „Ostdeutschland“ entfernen sich aus dem Leben, den Haltungen, den Stimmungen und werden zu archäologischen Schichten des kollektiven Unbewussten. Hier liegen die vergessenen Abdrücke verschwundener Erfahrungen, Krisen, Brüche und Kämpfe um die Wiederkehr von Marktbeziehungen, die Transformation der Rechtsverhältnisse, den Abbruch sozialer Institutionen, die Schließung von Industriebetrieben und den Umbau ganzer Stadtlandschaften des Ostens.
Die Geschwindigkeit und Tiefe der Verwandlung hat neben Überholtem auch Brauchbares beseitigt und neben produktiver Erneuerung auch seltsam altmodische Ersetzungen hervorgebracht – nicht zuletzt im Wohnungs- und Städtebau. Bekannte Beispiele sind der Palast der Republik, ersetzt durch die Kopie
eines Hohenzollernschlosses, das Ahornblatt, ersetzt durch gesichtslose Renditearchitektur, und die sorgfältige Restaurierung vieler Mietshausfassaden im Stil des wilhelminischen Kaiserreichs.
Zugleich ziehen Teile der DDR-Architektur und ihres Designs ein wachsendes Interesse auf sich.
In der Ausstellungsreihe NEULAND werden sich Künstler*innen in Installationen, Collagen und Fotografien mit der „DDR-Moderne“ in Architektur und Design und ihren tragenden kollektiven Träumen, Utopien und Täuschungen befassen und ihre Sicht auf den anhaltenden Prozess der „Gentrifizierung“ und seine stadträumlichen Folgen präsentieren.

3. KORN

Der Name des Kunstraums KORN bezieht sich sowohl auf den Architekten Roland Korn als auch auf den Namen des Wohnquartiers, in dem sich die Heinrich-Böll-Bibliothek befindet. Korn entwarf zahlreiche Repräsentationsbauten in Ost-Berlin z.B. das Staatsratsgebäude, das Hotel Stadt Berlin, die Wohnsiedlung Berlin Marzahn und die Bebauung des Quartiers Mühlenviertel im Prenzlauer Berg.
Korn ist zudem ein Saatgut, aus dem Pflänzchen entspringen: und nun Kunst – in einem ungewöhnlichen Stadtquartier.er:innen

4. Der Kurator 2021

Dirk Teschner ist Kurator und Publizist. Seit 2014 ist er Mitbetreiber des Ausstellungsraums HAMMERSCHMIDT + GLADIGAU in Erfurt. Er organisiert seit vier Jahren die Ausstellungsreihe KUNST GEGEN RECHTS und ist aktiv bei der Initiative DIE VIELEN.

5. artspring berlin

artspring berlin veranstaltet alljährlich im Mai ein Kunstfestival im Großbezirk Pankow – einen ganzen Monat Kunstaktionen, Konzerte, Performances, Lesungen, Ausstellungen, Screenings, Workshops und vor allen Dingen Offene Ateliers. artspring wächst in jedem Jahr ein Stück weiter, stößt neue Ideen für die Sichtbarkeit von Kunst und Kultur an und schafft Kooperationen sowie Synergieeffekte.
www.artspring.berlin

6. Die Heinrich–Böll–Bibliothek

ist eine klassische Bibliothek für Menschen jeden Alters, unabhängig von Status und Herkunft, ist die Bezirkszentralbibliothek von Pankow. Neben Lesungen und Ausstellungen veranstaltet sie, unter der Leitung von Tim Schumann, Konzerte und beteiligte sich an der Fête de la Musique.

artspring berlin 2021

Künstlerische Leitung: Julia Brodauf, Jan Gottschalk
Presse: Kerstin Karge, presse@artspring.berlin, 0163.3959215
Büro: Judith Kuhlmann (Kulturmanagement), Susanne Gupta (Artothek)
www.artspring.berlin
Wir danken unseren Unterstützer:innen und Kooperationspartner:innen