Vierter Abschnitt - Arbeit, Bildung, Freizeit

§ 24

Arbeit und Bildung

(1) Die Untersuchungsgefangenen sind nicht zur Arbeit verpflichtet.

(2) Ihnen soll nach Möglichkeit Arbeit oder eine sonstige Beschäftigung angeboten werden, die ihre Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen berücksichtigt. Die Arbeit darf nicht zur Unzeit niedergelegt werden.

(3) Geeigneten Untersuchungsgefangenen soll nach Möglichkeit Gelegenheit zum Erwerb oder zur Verbesserung schulischer und beruflicher Kenntnisse gegeben werden, soweit es die besonderen Bedingungen der Untersuchungshaft zulassen. Zur Vorbereitung und Durchführung dieser Maßnahmen soll Untersuchungsgefangenen, die nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen, die Teilnahme an Deutschkursen ermöglicht werden.

(4) Nehmen die Untersuchungsgefangenen eine Arbeit oder sonstige Beschäftigung nach den Absätzen 2 oder 3 auf, gelten die von der Anstalt festgelegten Beschäftigungsbedingungen. Für schwangere und stillende Untersuchungsgefangene sind die Vorschriften des Mutterschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Juni 2002 (BGBl. S. 2318), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 23. Oktober 2012 (BGBl. S. 2246) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung über die Beschäftigungsverbote und die Gestaltung des Arbeitsplatzes entsprechend anzuwenden. Die Untersuchungsgefangenen können von ihrer Tätigkeit nach Satz 1 abgelöst werden, wenn

  1. sie den Anforderungen nicht gewachsen sind,
  2. sie trotz Abmahnung wiederholt gegen die Beschäftigungsvorschriften verstoßen,
  3. dies zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung nach § 119 Absatz 1 der Strafprozessordnung erforderlich ist oder
  4. dies aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist.

Vor Ablösung sind die Untersuchungsgefangenen anzuhören. Bei einer Gefährdung der Sicherheit der Anstalt kann dies auch nachgeholt werden. Werden Untersuchungsgefangene nach Nummer 2 oder aufgrund ihres Verhaltens nach Nummer 4 abgelöst, gelten sie als verschuldet ohne Beschäftigung.

(5) Das Zeugnis oder der Nachweis über eine Bildungsmaßnahme darf keinen Hinweis auf die Inhaftierung enthalten.

§ 25

Arbeitsentgelt , Ausbildungsbeihilfe, Taschengeld und Freistellung

(1) Wer eine Arbeit oder sonstige Beschäftigung ausübt, erhält Arbeitsentgelt.

(2) Der Bemessung des Arbeitsentgelts sind 9 Prozent der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 2009 (BGBl. I S. 3710, 3973; 2011 I S. 363), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. April 2015 (BGBl. I S. 583) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung zugrunde zu legen (Eckvergütung). Ein Tagessatz ist der 250. Teil der Eckvergütung; das Arbeitsentgelt kann nach einem Stundensatz bemessen werden.

(3) Das Arbeitsentgelt kann je nach Leistung der Untersuchungsgefangenen und der Art der Arbeit gestuft werden. Es beträgt mindestens 75 Prozent der Eckvergütung. Die für Justiz zuständige Senatsverwaltung wird ermächtigt, die Vergütungsstufen durch Rechtsverordnung zu bestimmen.

(4) Die Höhe des Arbeitsentgelts ist den Untersuchungsgefangenen schriftlich bekannt zu geben.

(5) Soweit Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit zu entrichten sind, kann vom Arbeitsentgelt ein Betrag einbehalten werden, der dem Anteil der Untersuchungsgefangenen am Beitrag entsprechen würde, wenn sie diese Bezüge als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer erhielten.

(6) Nehmen Untersuchungsgefangene während der Arbeitszeit an einer Bildungsmaßnahme teil, erhalten sie eine Ausbildungsbeihilfe, soweit kein Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt besteht, die außerhalb des Vollzugs aus solchem Anlass gewährt werden. Die Absätze 2 bis 5 gelten entsprechend.

(7) Kann Untersuchungsgefangenen weder Arbeit noch die Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme angeboten werden, wird ihnen bei Bedürftigkeit auf Antrag ein Taschengeld gewährt. Bedürftig sind Untersuchungsgefangene, soweit ihnen voraussichtlich monatlich nicht ein Betrag bis zur Höhe des Taschengeldes aus eigenen Mitteln zur Verfügung steht. Das Taschengeld beträgt 14 Prozent der Eckvergütung nach Absatz 2 Satz 1. Es wird zu Beginn des Monats im Voraus gewährt. Gehen Untersuchungsgefangenen im Laufe des Monats Gelder zu, wird zum Ausgleich ein Betrag bis zur Höhe des gewährten Taschengeldes einbehalten.

(8) Haben Untersuchungsgefangene ein halbes Jahr lang gearbeitet oder an einer Bildungsmaßnahme nach Absatz 6 teilgenommen, die den Umfang der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erreicht, so können sie beanspruchen, zehn Beschäftigungstage von ihrer Beschäftigung freigestellt zu werden. Zeiten, in denen die Untersuchungsgefangenen infolge Krankheit an der Arbeitsleistung oder Teilnahme an der Bildungsmaßnahme gehindert waren, werden auf das Halbjahr mit bis zu 15 Beschäftigungstagen angerechnet. Der Anspruch verfällt, wenn die Freistellung nicht innerhalb eines Jahres nach seiner Entstehung erfolgt ist. Die Untersuchungsgefangenen erhalten für die Zeit der Freistellung ihr Arbeitsentgelt oder ihre Ausbildungsbeihilfe weiter.

  • Festsetzung des Arbeitsentgelts

    ab 1. Januar 2023

    PDF-Dokument (123.8 kB) - Stand: 01.01.2023

§ 26

Freizeit und Sport

(1) Zur Freizeitgestaltung sind geeignete Angebote vorzuhalten. Insbesondere sollen Sportmöglichkeiten, Gemeinschaftsveranstaltungen und Veranstaltungen zur kreativen Entfaltung angeboten werden. Die Anstalt stellt eine angemessen ausgestattete Bücherei zur Verfügung.

(2) Die Untersuchungsgefangenen sind zur Teilnahme und Mitwirkung an Angeboten der Freizeitgestaltung zu motivieren und anzuleiten.

§ 27

Zeitungen und Zeitschriften

(1) Die Untersuchungsgefangenen dürfen auf eigene Kosten Zeitungen und Zeitschriften in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Anstalt beziehen. Ausgeschlossen sind Zeitungen und Zeitschriften, deren Verbreitung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist.

(2) Zeitungen oder Zeitschriften können den Untersuchungsgefangenen vorenthalten werden, wenn dies zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung nach § 119 Absatz 1 der Strafprozessordnung erforderlich ist. Für einzelne Ausgaben oder Teile von Zeitungen und Zeitschriften gilt dies auch dann, wenn die Kenntnisnahme von deren Inhalten die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erheblich gefährden würde.

§ 28

Rundfunk, Informations- und Unterhaltungselektronik

(1) Der Zugang zum Hörfunk- und Fernsehempfang (Rundfunk) ist zu ermöglichen. Die Anstalt entscheidet über die Einspeisung einzelner Hörfunk- und Fernsehprogramme, soweit eine Empfangsanlage vorhanden ist. Die Wünsche und Bedürfnisse der Untersuchungsgefangenen sind angemessen zu berücksichtigten.

(2) Eigene Hörfunk- und Fernsehgeräte der Untersuchungsgefangenen werden zugelassen, wenn nicht Gründe des § 16 Absatz 1 Satz 2 entgegenstehen. Die Untersuchungsgefangenen können auf von der Anstalt vermittelte Mietgeräte oder Haftraummediensysteme verwiesen werden. In diesem Fall ist den Untersuchungsgefangenen abweichend von Satz 1 der Besitz eigener Geräte im Haftraum in der Regel nicht gestattet.

(3) Die Untersuchungsgefangenen haben die Kosten für die Überprüfung, Überlassung und den Betrieb der von ihnen genutzten Hörfunk- und Fernsehgeräte sowie die Bereitstellung des Hörfunk- und Fernsehempfangs zu tragen. Sind sie dazu nicht in der Lage, kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

(4) Andere Geräte der Informations- und Unterhaltungselektronik können unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 1 zugelassen werden.