Harnack House – Offiziersclub

Harnack-Haus

Harnack-Haus

Ehem. Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft

Ihnestraße 16/20 in Steglitz-Zehlendorf, Ortsteil Dahlem
Bauzeit / -Geschichte: 1928-1929 von Carl Sattler
Ausführung: Otto Laternser und Ernst Gerhardt
Bauherr: Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften

Harnack-Haus

Im Juli 1945 hatten sich die Amerikaner das Harnack-Haus an der Ihnestraße als Offizierskasino eingerichtet. Direkt gegenüber wurde 1955 das Dahlem Guest House errichtet, in dem 22 Apartments für Gäste zur Verfügung standen.

Zwischen Van’t-Hoff-Straße und Harnackstraße dominiert die breite Front des Harnack-Hauses, Ihnestraße 16/20, den Straßenraum. An wohl keinem anderen Gebäude haftet mehr der Dahlem-Mythos als “Mekka für Forscher aus aller Welt”. Nobelpreisträger und ihre Schüler kamen hier zur wissenschaftlichen Diskussion zusammen. Berühmte Forscher wie Albert Einstein, Werner Heisenberg, Fritz Haber, Adolf Butenandt, Otto Hahn, Lise Meitner, Max von Laue oder Otto Warburg waren hier zur Gast und hielten ihre Vorträge.

Dieses Club- und Gästehaus der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (KWG) entstand 1928-29 auf einem großen Gartengrundstück nach Plänen von Carl Sattler. Es trägt den Namen des ersten Präsidenten der KWG, des evangelischen Theologen Adolf von Harnack, der den Bau initiierte, um der Isolation der deutschen Wissenschaftler nach dem Ersten Weltkrieg durch ein “Auslandsinstitut”, einer Gastforschungsstätte vor allem für ausländische Gelehrte, entgegenzuwirken. Er strebte nach internationaler wissenschaftlicher Zusammenarbeit. Darüber hinaus was das Harnack-Haus als gesellschaftlicher Mittelpunkt für die Mitarbeiter der angrenzenden KWG-Institute und als Ort des wissenschaftlichen Austausches konzipiert. Es war ein zwangloser interdisziplinärer Treffpunkt der Dahlemer Forscher und entwickelte sich zu einem Zentrum des kulturellen Lebens in Berlin. Das Gebäude verfügte über großzügige Fest- und Hörsäle, eine Bibliothek und Tagungsräume, mehrere Restaurants, und vor allem Einzelzimmer und Appartements in den oberen Etagen zur Unterbringung der Gastgelehrten des In- und Auslandes. Den Gästen standen im belichteten Sockelgeschoss Speisesäle, ein Turnsaal und Bäder, im Erdgeschoss repräsentative Clubräume sowie ein großer Garten mit Tennisplätzen zur Erholung und Entspannung zur Verfügung. Zur Finanzierung des Hauses hatten Wissenschaftler, Industrielle und Verbände Patenschaften für einzelne Räume übernommen, wobei die Paten diese Räume auch gestalten konnten. So spendete unter anderem der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund ein “Carl-Legien-Zimmer” und die Vereinigten Stahlwerke eine “Bismarckhalle”. Da die nahen Kaiser-Wilhelm-Institute als reine Forschungs- und nicht als Lehrstätten erbaut worden waren, bestand zudem ein Mangel an Hörsälen und repräsentativen Räumlichkeiten für Kongresse und Festveranstaltungen. Den Hörsaalnotstand beseitigte ein eigenständiger Hörsaaltrakt mit überdachter Vorfahrt an der Einmündung der Harnackstraße. Dort weist am Portal die Inschrift “Hörsaal der K.W.G” auf die Bestimmung des Hauses hin.

Carl Sattler sah es als Aufgabe, “ein möglichst schlichtes Haus (…) ohne Prunk und Luxus an Material” zu errichten, wie er selbst ausführte und was sicherlich im Sinne des eher konservativ eingestellten Bauherrn war. Er schuf ein traditionelles und solides Gebäude mit expressionistischen Anklängen wie den gotisierenden Klinkerlisenen am Hörsaalgebäude, das sich mit hohem Walmdach und ehemals rötlichem Putz in den Villenvorort einzuordnen sucht. Auch harmoniert der Baukomplex gut mit den ebenfalls von Sattler entworfenen, beiderseits angrenzenden Gebäuden, dem Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie (1927) und – über die Van’t-Hoff-Straße hinweg – der Villa Glum (1926). Sattler verstand es, die voluminöse Baumasse durch die Verteilung der Räume auf mehrere Baukörper aufzulösen, zumal die Zehlendorfer Baubeschränkungen nur eine zweigeschossige Bauweise zuließen. Es entstand eine geschickt gruppierte, weitläufige Anlage mit einem Haupthaus und einem Hörsaaltrakt, der über einen ehemals schmalen Wandelgang angebunden war. Der kurvige Verlauf des Ganges setzt sich in der Front des Hörsaalgebäudes fort – er sollte nach einer nicht ausgeführten Planung in einem weiteren Bogengang zu einem Gästehaus an der Harnackstraße weiterführen.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten geriet der internationale Treffpunkt ins Fahrwasser von NS-Rasseideologie und NS-Außenpolitik. Dennoch blieb das Harnack-Haus auch in dieser Zeit ein wichtiger Knotenpunkt im gesellschaftlichen Netzwerk, das verschiedenen Kräften ausgesetzt war. Hohe Funktionäre der NSDAP, darunter Hitler selbst, besuchten das Haus ebenso wie Mitglieder verschiedener Widerstandskreise. Noch bis in die Kriegsjahre hinein fanden hier Vorträge – wie im Rahmen der “Dahlem-Colloquien” – und besondere kulturelle Veranstaltungen statt.

Mitte Juli 1945 konfiszierten amerikanische Truppen das unzerstörte Harnack-Haus, das bei Kriegsende zunächst von der Roten Armee besetzt worden war. Da sich das Gebäude gut als Hotel nutzen ließ, richtete die US-Army dort ihren Offiziersclub ein; unweit davon befand sich ihr Hauptquartier. Es wurde zum Ort gesellschaftlicher Veranstaltungen, so lud General Lucius Clay, von 1945 bis 1947 Militärgouverneur der amerikanischen Besatzungszone in Deutschland, ins Harnack-Haus zu Pressekonferenzen und Empfängen ein. Unmittelbar nach der Konfiszierung kamen Harry S. Truman und Dwight D. Eisenhower zu Besuch.

Bereits wenige Wochen nach Kriegsende im Sommer 1945 fanden in Dahlem wieder Kulturveranstaltungen wie Konzerte, Ausstellungen und Theateraufführungen statt. Auch das Harnack-Haus wurde zu einem Zentrum kulturellen Lebens. Die Amerikaner organisierten hier klassische Musikkonzerte, Feste und Empfänge, die zum Teil auch den Berlinern offen standen. So fanden in den 1950er Jahren im Harnack-Haus u.a. Veranstaltungen im Rahmen der Berliner Filmfestspiele statt. Bald gerieten jedoch auch diese Veranstaltungen ins Spannungsfeld des Ost-West-Konflikts, Kultur wurde zum Instrument gesellschaftlicher Selbstdarstellung der Systeme. Das Harnack-Haus repräsentierte fortan ein Stück Amerika in Berlin und trug zu den deutsch-amerikanischen Beziehungen bei. An die akademische Tradition wurde insofern noch eine Zeitlang angeknüpft, als dass Organisationen wie die Columbus-Gesellschaft Feste und Bälle für amerikanische Studenten gab, die zu einem Gastaufenthalt nach Berlin kamen. Als der Präsident der Columbia University Kirk L. Grayson 1952 Berlin besuchte, traf er im Harnack-Haus die Dahlemer Nobelpreisträger Max von Laue und Otto Warburg, die beide intensive Forschungsbeziehungen in die USA unterhielten. Ihre ehemals zur Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft gehörenden Institute wurden ein Jahr später in die Max-Planck-Gesellschaft integriert.

Schon kurz nach der Konfiszierung begann die Berlin Brigade den Umbau des Hauses zu planen, da das als Club- und Gästehaus konzipierte Gebäude nur bedingt den neuen Anforderungen und Wünschen gerecht werden konnte. Es fehlt an großen Sälen für ausgelassene Partys und glamouröse Feste. Nach Entwürfen des Architekten Eckart Muthesius wurde der Hörsaal in eine Tanzbar verwandelt. Vortragstafel und Labor-Versuchstisch wichen einer Tanzfläche und die ansteigenden Stuhlreihen wurden entfernt. Die neue “Marine Bar” war bald eine feste Einrichtung im Berliner “Klein-Amerika”. Auch der Rest des Hauses musste umfassende Eingriffe in die Bausubstanz verkraften. Direkt an den Hörsaal angrenzend wurde der Ballsaal gebaut. Bis 1953 hatte lediglich ein schmaler Korridor das Hauptgebäude mit dem Hörsaal verbunden. Nun wurde an seiner Stelle ein weiteres Geschoss für den Ballsaal aufgestockt. Auch im Hauptgebäude gingen Bauarbeiter ans Werk. Die Clubhalle (heute Planck-Lobby) wurde durch den Anbau des Wintergartens um ein Vielfaches erweitert. Die Terrasse, die zuvor direkt von der Lobby erreichbar gewesen war, wurde dadurch überbaut. Seit diesen Umbauten wirkt der ganze Komplex kompakter.

Das Harnack-Haus war kurz nach dem Krieg noch weitgehend mit der alten Inneneinrichtung ausgestattet gewesen. Einige Stücke davon wurden von der Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft sowie einzelnen Personen und Instituten zurückgefordert. Ihr Verbleib ist unbekannt. Der tiefgreifendste Eingriff in die Innenarchitektur fand Ende der 1960er Jahre statt, als die Frau des amtierenden Kommandanten Robert G. Fergusson das Haus großflächig nach ihren Stilvorstellungen umgestaltete. Mutmaßlich wurde auch der Ballsaal in dieser Zeit mit künstlichen Stuckelementen, Spiegeln und geblümten Teppichen ausgestattet. Diese Einbauten verschwanden bei der Sanierung von 2014.

Nach dem Abzug der amerikanischen Truppen aus Berlin kam es 1994 zu einer gemeinsamen Rückübertragung mit dem gegenüberliegenden American Guest House an die Max-Planck-Gesellschaft, der Nachfolgerin der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Diese ließ das Harnack-Haus ab 1995 durch den Architekten Jürgen Sawade umbauen und sanieren, wobei die Gebäudeerneuerung mit Rückbezug auf die Architektur Carl Sattlers von 1929 erfolgte und die “Bismarckhalle” rekonstruiert werden konnte. Die Forschungsgesellschaft nutzt die Gebäude heute als Tagungs- und Begegnungsstätte und knüpft so an die von Harnack geprägte Gründungsgeschichte an.