Das Landesdenkmalamt Berlin hat die Plattenbauten an der Wilhelmstraße in Berlin-Mitte unter Denkmalschutz gestellt. Das Wohnquartier zwischen Behrenstraße und Voß- bzw. Mohrenstraße entstand 1987 – 92 durch die Baudirektion Hauptstadt Berlin des Ministeriums für Bauwesen unter Leitung von Erhardt Gißke. Als Chefarchitekt wurde Helmut Stingl eingesetzt. Die Gesamtanlage ist denkmalwert aus geschichtlichen, künstlerischen und städtebaulichen Gründen. Sie war für 4.000 Menschen ausgelegt und umfasste neben Wohnungen auch zahlreiche Geschäfte, Gaststätten und Dienstleistungsangebote.
Das Viertel an der Wilhelmstraße war politisch hochbedeutend und unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von anderen Plattenbau-Quartieren: Die hier verwendeten Platten der Wohnungsbauserie 70 (WBS 70) boten mehr Spielräume für eine flexible Gestaltung der Häuser außen und innen. Mit ihren Erkern, Balkonen, Gauben und Loggien, betonten Ecken und Mittelachsen spielen die freistehenden, sich um Höfe gruppierenden Gebäude auf die barocken Palais an, die im 18. Jahrhundert die Wilhelmstraße säumten. Straßenverbreiterung und großzügige Durchgrünung werteten das Quartier weiter auf. Die individuell zugeschnittenen, ungewöhnlich großen Wohnungen waren der gesellschaftlichen und politischen Führungsebene der DDR vorbehalten. Hier wohnten z.B. Günter Schabowski, Erster Sekretär der SED-Bezirksleitung von Ost-Berlin, Kurt Hager, einflussreicher Kulturpolitiker im Staatsrat der DDR, und Heinrich Scheel, Vizepräsident der Akademie der Wissenschaften der DDR.
Die Lage direkt an der Grenze zwischen Ost- und West-Berlin, in unmittelbarer Nähe zum Brandenburger Tor, das von Touristen aus dem In- und Ausland besucht wurde, spielte eine große Rolle: „Das einen Steinwurf von der Grenze entfernte Quartier war ein wichtiger Baustein im Wettbewerb der politischen Systeme“, erklärte Landeskonservator Dr. Christoph Rauhut. „Als Leuchtturmprojekt der Ost-Berliner Hauptstadtplanung setzte es die Leistungsfähigkeit und Qualität des großen Wohnungsbauprogramms der DDR in äußerst prominenter und historisch aufgeladener Lage öffentlichkeitswirksam in Szene.“
Ephraim Gothe, stellvertretender Bezirksbürgermeister und Bezirksstadtrat in Mitte, begrüßte die Unterschutzstellung: „Ich freue mich über die Entscheidung, die Bebauung an der Wilhelmstraße als “Spätwerk” des DDR-Städtebaus unter Denkmalschutz zu stellen. Hierdurch wird auch ein strukturell bezahlbarer Mietwohnungsbau erhalten, der nachhaltig einen Beitrag zu einer sozial gut gemischten Bevölkerungsstruktur in der Berliner Mitte leistet.”
Bis auf einen Abriss ist das Wohnquartier an der Wilhelmstraße bis in die Details weitgehend im Ursprungszustand erhalten.
Erschienen als Pressemitteilung der Senatsverwaltung für Kultur und Europa am 20. September 2021